Facebook: Eine Legende stürzt ab
Minus 73 Prozent: Börse verliert Glauben an Zuckerbergs Meta-Konzern.
NEW YORK. Es war noch ein rauschender Wechsel ins Jahr 2022: Die
Meta-Aktie mit ihren Aushängeschildern WhatsApp, Instagram
und Facebook erklomm die neue Rekordmarke von 350 Dollar. Alles schien paletti und nicht absehbar,
was kommen sollte. Am Donnerstag notierte die Aktie erstmals seit acht Jahren unter 100 Euro. Das Minus zum Jahreshöchststand unglaubliche 73 Prozent. Mit einem Börsenwert von weniger als 300 Milliarden Dollar flog Meta aus der Gilde der 20 bestbewerteten Techkonzerne.
Nun sind das noch immer gigantische Summen. Doch der Nimbus eines Konzerns, der die Zukunft gestalten wird, ist dahin. Die Börsianer haben den Glauben an Mark Zuckerbergs Visionen verloren. Die Bewertung (Kurs-Gewinn-Verhältnis) von Meta liegt unter zehn. Mit solch mickrigen Bewertungen müssen sich sonst nur „fade“Klassiker aus der Old Economy begnügen.
Gründe für den beispiellosen Absturz gibt es mehrere. Meta und seine Social-Media-Kanäle Facebook und Instagram kämpfen erstens seit Monaten gegen noch nie da gewesene Umsatzrückgänge.
Der chinesische Konkurrent TikTok setzt ihnen gehörig zu, saugt Nutzerinnen und Werbegelder ab. Im abgelaufenen Quartal fielen die Erlöse um vier Prozent auf 27,7 Milliarden Dollar (27,5 Mrd. Euro). Unterm Strich brach der Gewinn um 52 Prozent auf 4,4 Milliarden Dollar ein.
Womit wir bei Ursache zwei wären, den Kosten für Zuckerbergs Vision,
im Netz eine digitale Parallelwelt zu erschaffen. Er nennt das Metaverse.
Allein in drei Monaten fiel dafür ein operativer Verlust von 3,7 Milliarden Dollar an. Seit Jahresbeginn sammelte sich ein Fehlbetrag von 9,4 Milliarden Dollar an. Und Zuckerberg räumte ein, dass die
Verluste 2023 erheblich wachsen würden. So will er eine neue Virtual-Reality-Brille für Nutzer auf den Markt bringen, mit der man stilecht
in diese digitale Parallelwelt abtauchen kann. „Horizon Worlds“heißt sie, und nicht nur die Börsianer haben Zweifel, ob diese Vision attraktiv ist. Man baut sich dort einen eigenen Avatar, läuft – vorerst noch ohne Beine – durch die Gegend, kann Orte entdecken, sich kennenlernen und in Zukunft auch Geld für irgendwas Digitales ausgeben. „Der Spiegel“hat Horizon Worlds
jüngst getestet. Das Gefühl, dass man nicht mehr im eigenen Zimmer sitze, sondern im digitalen Irgendwo leben, habe sich schnell eingestellt. Aber spannend sei es
kaum gewesen: Nichts, was man gesehen haben müsse, so der Tenor.
Am witzigsten fand der Tester noch
eine Gerichtsverhandlung, bei der er zufällig hineinschneite: Ein UberFahrer hatte eine Kundin betäubt,
um ihr einen Lungenflügel zu klauen. Der Fall war surreal fiktiv, ein
Dutzend Avatare spielten Richter, Geschworene und den Angeklagten. Doch vielerorts herrscht in Horizon
Worlds Leere. Offenbar kommt die
App bislang nur auf 200.000 aktive Nutzer monatlich – weltweit. Der zuständige Manager hat sich laut der Zeitschrift „The Verge“jüngst
beklagt, dass selbst bei Meta zu wenige die Plattform nutzten. Und fragte verärgert: „Wenn wir es nicht
lieben, wie können wir dann erwarten, dass unsere Nutzer es lieben?“