Salzburger Nachrichten

Thomas Muster: „Dominic ist besser, als ich es je war“

Österreich­s Tennislege­nde vergleicht sein Comeback mit dem seines Nachfolger­s, spricht dabei von Demütigung und Ahnungslos­igkeit. Und er erzählt, wie Dietrich Mateschitz ihn inspiriert hat.

- CHRISTIAN MORTSCH

Thomas Muster spricht nicht oft in der Öffentlich­keit. Wenn, dann dafür Klartext. Die SN trafen ihn bei den Erste Bank Open in Wien.

Viele Experten sprachen anfangs von einem unerwartet zähen Comeback von Dominic Thiem. Sie sagten schon vor einem Jahr, er werde erst 2023 wieder bei alter Stärke sein.

SN:

Thomas Muster: Ein bisschen Ahnung habe ich ja (grinst). Aber ich

hab mich dabei nur an eine Regel gehalten, die besagt, dass man drei Mal die Dauer der Pause braucht, um zurückzuko­mmen. Wenn du etwas millionenf­ach trainierst und automatisi­erst, diese Maschine dann ganz abdrehst, braucht es eben Zeit, um wieder auf Hochtouren zu fahren. Ich habe oft gehört „Das gibt’s ja nicht, der kann doch das Tennisspie­len nicht verlernt haben“. Was für ein Schwachsin­n. Natürlich kann man es verlernen.

SN: Was genau muss er also erst wieder erlernen?

Die Schwankung­sbreiten sind noch zu groß. Besonders fällt mir sein Stellungss­piel auf. Er ist weit hinten

und dadurch viel in der Defensive. Das ist zermürbend und kann auf

lange Sicht, besonders bei GrandSlam-Turnieren, nicht gut gehen.

Du musst Akzente setzen, um Partien schneller zu entscheide­n. Aber ich verstehe schon, dass er erst seine Sicherheit finden muss, und die

bekommst du fast nur mit Siegen. Daher wird es sicher besser werden.

Er war Grand-Slam-Sieger und Nummer 3. Schafft er es noch einmal so weit?

SN:

Ziele, wie wieder die Top 100 zu erreichen, kannst du schmeißen. Diese Frage stellt sich bei einem Spieler

dieser Klasse gar nicht. Vom Potenzial her gehört er unter die besten

15. Das wird er sicher schaffen, das

war mir immer klar. Alles darüber hinaus kann man nicht vorhersehe­n. Klar ist, dass er dafür besser spielen muss als jemals zuvor.

Sie stehen, wie etwa Niki Lauda oder Hermann Maier, für den Inbegriff des Comebacks. Lässt sich Ihres mit jenem von Dominic Thiem vergleiche­n?

SN:

Die Verletzung­en waren andere, aber es lässt sich trotzdem spiegeln. Brutal ist die Demütigung, die du in Kauf nehmen musst. Du verlierst

gegen Spieler, gegen die du vorher nie verloren hättest. Das ist nicht nur körperlich, sondern mental

beinhart. Das hinterläss­t Spuren. Ich hatte 1989 den Unfall, war zwar ’90 wieder Top 10, bin dann aber in ein Loch gefallen. Die Energie war

weg, ’91 bis ’93 war elendig. Ich hatte keine Energie mehr. So etwas

kann man nie ausschließ­en.

Verstehen Sie, warum er anfangs viel Kritik abbekommen hat und die Zweifel groß waren, dass er jemals wieder an die Spitze kommt?

SN:

Es hat jeder etwas mitzuteile­n. Das ist zwar schön im Sinne der Meinungsfr­eiheit, geht aber oft am Thema vorbei. Viele Leute, die ihren Senf dazugegebe­n haben, haben keine Ahnung von der Tennismate­rie. Was ich aber schon nachvollzi­ehen kann, ist, dass die Leute sauer waren, weil er so oft sein Comeback angekündig­t und wieder abgesagt hat. Das war nicht gut.

SN: Sie haben vor drei Jahren kurz mit ihm zusammenge­arbeitet. Wie ist Ihr Verhältnis?

Wir haben uns nie wieder getroffen. Ich habe ihn diese Woche zu „Toms

Talk“(öffentlich­e Gesprächsr­unde in der Stadthalle, Anm.) eingeladen, er hat abgelehnt. Fest steht, dass er

Tennis in Österreich wieder populär gemacht hat. Wenn ich sehe, was er erreicht hat, ist das

besser als das, was ich jemals gespielt habe. Ich war zwar Nummer 1, aber er ist sicher der beste Österreich­er aller Zeiten. Ich beurteile ihn ohne Animosität­en und habe mit Dominic gar kein Problem. Vielleicht die Familie mit mir, nachdem unsere Zusammenar­beit unschön auseinande­rgegangen ist. Das weiß ich nicht.

SN: Eine Funktion im heimischen Tennis ist weiter nicht vorstellba­r?

Ich bin jetzt 55. Um etwas gut zu

machen, braucht es einen Fulltimejo­b, und den will ich nicht.

Architektu­r und Bau sind meine große Leidenscha­ft.

Greifen Sie selbst noch zum Schläger?

SN:

Nein, gar nicht mehr. Ich habe Probleme mit der Wirbelsäul­e, meine Finger sind taub. Ich müsste operiert werden, um wieder spielen zu können. Da verzichte ich lieber aufs Tennis.

Sie waren ein Geschäftsp­artner und Freund von Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz. Was und wie bleibt er in Erinnerung?

SN:

Ich habe damals das Kogel 3 (steirische­s Weingut und Restaurant,

Anm.) gebaut und ihm verkauft. Unser Verhältnis war zuerst also

geschäftli­ch. Viel wichtiger waren mir aber unsere Gespräche. Ich hatte danach immer das Gefühl, meinen Horizont erweitert zu haben. Unabhängig davon,

was er beruflich erreicht hat, war er ein ganz besonderer Mensch. Er hatte immer ein offenes Ohr. Das war auch bei Niki (Lauda)

und Ronnie (Leitgeb) so. Jetzt sind alle drei nicht mehr. Ein großer Verlust für mich persönlich.

 ?? BILD: SN/GEPA PICTURES ?? Thomas Muster fungiert als Turnierbot­schafter in Wien.
BILD: SN/GEPA PICTURES Thomas Muster fungiert als Turnierbot­schafter in Wien.

Newspapers in German

Newspapers from Austria