Wie grün ist mein Leiberl wirklich?
Modekonzerne flunkern bei ihren Angaben. Denn Nachhaltigkeit verkauft sich besser.
Grüngewaschen.
Kleidung einkaufen scheint vielen als etwas Selbstverständliches, etwas, das nicht hinterfragenswert ist. Warum auch? Es ist alltäglich, Kleidung „verwenden“wir jeden Tag. Ob wir in ein Geschäft gehen oder im Internet mit ein paar
Mausklicks an neue Mode kommen, Kleidung tragen nun einmal alle. Und etwas derart Gängiges hängt doch auch nicht mit Negativem zusammen, oder?
Immer öfter hört man vom Gegenteil. Man liest darüber im Internet oder in Zeitungen. Man sieht es in den Nachrichten oder jemand im eigenen Freundeskreis erzählt darüber. Teils sind es nur Spekulationen, teils fundierte Berichterstattung. 2013 stürzt in Sabhar in Bangladesch ein Gebäude ein, in dem unter anderem viele Textilarbeiterinnen untergebracht waren. Am Vortag wurde das Gebäude von der Polizei gesperrt, weil man Risse entdeckte. Dennoch befanden sich zum Zeitpunkt des Einsturzes mehr als 3000 Textilarbeiterinnen in dem Gebäude.
Mehr als 1100 Menschen starben.
Man liest von Kinderarbeit, oder
von enormen Arbeitszeiten für absurd wenig Geld. Immer mehr Leute im globalen
Westen werden auf diese
Missstände aufmerksam und
kaufen entweder mit schlechtem Gewissen ein, oder halten
Ausschau nach vertretbareren
Angeboten.
Für viele dieser Leute hat sich anscheinend eine Lösung gefunden, denn es wirkt, als ob große Firmen immer mehr auf Umweltschutz achten. So werben viele bekannte Kleidungsmarken mit Qualität und Nachhaltigkeit, anstatt mit günstigerem Preis. Ein Werbespruch der Marke Primark lautet zum Beispiel: „Primark cares. Bei Primark findest DU jetzt immer mehr Mode aus nachhaltiger Baumwolle.“Die Conscious Choice Collection von H&M gibt an, dass 80 Prozent ihrer Kollektion aus recycelten oder nachhaltig gewonnenen Materialien bestehen. Auf der Website von Shein, einer Onlineshopping-Seite für Kleidung, die besonders in der
Kritik stand, findet man zum Beispiel unter dem Begriff Nachhaltigkeit: „Als Unternehmen mit starker sozialer Verantwortlichkeit ist Shein auf dem Weg, nachhaltiger zu werden.“Auf viele
Konsumentinnen und Konsumenten wirkt das ansprechend, sie können ohne schlechtes Gewissen weiter bei diesen Marken einkaufen und sind im Glauben, dass die Firmen einen Unterschied
gemacht haben. In der Realität kann das manchmal leider anders aussehen.
In der ZDF-Doku „Schmutzige Baumwolle“wird beschrieben, dass das Siegel „Better Cotton Initiative“gar nicht so gut sei, wie es auf den ersten Blick scheint. In der Doku wird etwa von Kinderarbeit in den Spinnereien berichtet. Und die Conscious Choice Collection enthalte laut den Recherchen des ZDF in Wahrheit nur 0,2 bis 0,6 Prozent recyceltes Material.
Für solche Marketingstrategien gibt es einen Namen: Greenwashing. Von der Gesellschaft wird immer mehr Umweltschutz gefordert, doch das ist für viele Konzerne teuer. Also täuschen sie Umweltbewusstsein vor oder führen kleine Veränderungen durch und preisen diese an, um mehr Erträge zu machen.
Die österreichische Autorin und Bloggerin Nunu Kaller beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, warum Menschen der Preis so wichtig ist und warum Unternehmen, die in Österreich
produzieren, „nicht binnen eines Wimpernschlags Branchenführer sind“. Für mich steht fest: Zeit und Geld sind oft ein Privileg. Wir sprechen von einem strukturellen Problem und natürlich ist es gut, auf bestimmte Marken zu verzichten, wenn man die Chance dazu hat. Aber von allen Leuten zu erwarten, dass sie sich einen Pullover für 80 Euro eben so mal leisten können, ist wohl eher aus einer wohlhabenderen Perspektive gedacht. Kleidung ist kein neutrales Thema. Es hängt leider mit Ausbeutung zusammen. Alternativen, wie zum Beispiel Kleidungsstücke länger zu tragen, secondhand einzukaufen oder bei Anbietern, die in Zentraleuropa
produzieren, sind bessere Optionen. Trotzdem darf man nicht vergessen: Nur für moralischen Einzelkonsum zu plädieren führt zu nichts und
wiegt am schwersten auf den Schultern von ärmeren Leuten. Das ist der falsche Weg.
Anna Rehrl ist 14 Jahre alt und kommt aus Bergheim.
Sie besucht das WRG Nonntal.