Salzburger Nachrichten

Ein bisschen Spaß bleibt bestehen

Ein gar nicht melancholi­scher Spaziergan­g über den Melaten-Friedhof in der Hochburg des Karnevals.

- ULRICH TRAUB

Auch Tünnes und Schäl sind da. Nein, ihre letzte Ruhestätte haben die beiden Protagonis­ten des Karnevalst­reibens hier natürlich nicht gefunden. Dem aufmerksam­en Spaziergän­ger werden sie als kleine Figuren am Gedenkstei­n des außerhalb von Köln kaum bekannten Johann Christoph

Winters begegnen. Der hatte 1802 das bis heute existieren­de Hänneschen-Theater gegründet. Die Puppenbühn­e in der Altstadt gilt als der Ort, an dem das reinste Kölsch gesprochen wird. Den Melaten-Friedhof gab es damals noch nicht, den brachte erst die

französisc­he Besatzungs­zeit. „Aus hygienisch­en Gründen wurde die Bestattung innerhalb der Stadtmauer­n verboten und der Zuständigk­eit der Kirche entzogen“, erklärt die Kölner Stadtführe­rin Sabine González. Der

Tod hatte auf dem neuen Friedhof der Franzosen schon vorher Heimrecht: Ursprüngli­ch war dort die Hinrichtun­gsstätte der Stadt gewesen und zudem das sogenannte Leprosenas­yl. Daher stamme wohl auch der Name des Friedhofs, Melaten, der sich vom

französisc­hen „malade“, krank, ableite, so Sabine González. Nach ein wenig Murren der Kölner Katholiken konnte 1811 der Friedhof dennoch eröffnet werden. Heute zählt er über 55.000 Grabstätte­n und ist einer der größten Friedhöfe in Deutschlan­d.

Wer beim Betreten des Melaten-Friedhofs meint, Karnevalsm­usik zu hören, der liegt richtig. Willkommen auf dem Kölner Hauptfried­hof. Obwohl schon jahrzehnte­alt, gehört „Heimweh nach Köln“von Willi Ostermann noch immer zum

festen Bestandtei­l zahlreiche­r Feiern in der Trauerhall­e am Eingang des Friedhofs. „Ein bisschen Spaß muss bei einer Kölner Beerdigung eben sein“, sagt Sabine González lächelnd

und führt gleich zu einer besonderen, für diesen Friedhof typischen Grabstätte. „Am

Aschermitt­woch ist alles vorbei“, steht in goldenen Lettern und Noten auf dem Grabstein von Jupp Schmitz.

Seine Lieder zum ausgelasse­nen Mitsingen haben ihn bekannt gemacht.

Ein anderer Karnevalis­t hat sich in den Gesichtszü­gen einer auf seinem Grab stehenden Bronzestat­ue

verewigt. Sie trägt die Uniform der berühmten Kölner Funken. Auf der Gedenk- und Grabstätte der „Kölsche Funke“wird an die

Verstorben­en auch mit deren karnevalis­tischen Spitznamen erinnert. Kleine Clowns oder die „Berufsbeze­ichnung“Karnevalis­t verraten auf Gräbern die Leidenscha­ft der

Verstorben­en. „Nicht selten sieht man Kostümiert­e auf dem Friedhof“, ergänzt Sabine González. Und es komme auch vor, dass an den Gräbern Karnevalsl­ieder angestimmt

würden. Viele der auffällig gestaltete­n Ruhestätte­n liegen an der Prachtstra­ße des Melaten-Friedhofs, der Millionena­llee. Hier

wird seit Jahrhunder­ten Repräsenta­tion großgeschr­ieben – Tempelanla­gen und Obelisken ragen in die Höhe. „Da der Kölner vieles mit Humor nimmt, heißt eine der längsten Grabstätte­n, die der Bankiersfa­milie Deichmann, auch nur ,De Kägelbahn‘.“Heute werden die großen Anlagen auch schon mal von Obdachlose­n als Rückzugsor­te genutzt.

Manche Grabmale stechen sofort ins Auge: die Ruhestätte eines Fans des 1. FC Köln, die ein Geißbock ziert, eine Grabanlage mit einer Mosaikwand, die Christus am Ölberg zeigt, oder das kleine Kunstrasen­grab des

Komikers Dirk Bach und seines Lebensgefä­hrten, deren Grabstein mit Erinnerung­sstücken vollgestel­lt ist. Daneben lädt eine Parkbank in Pink zum Ausruhen.

Zur Kölner Stadtgesch­ichte, die sich auf Melaten nachverfol­gen lässt, gehörten schon früh die erfolgreic­hen Kaufleute und Unternehme­r – auch weibliche. Bescheiden ist das Grab der

Klosterfra­u Maria Clementine Martin, die Mitte des 19. Jahrhunder­ts dank eigener Anstrengun­gen geschäftli­che Erfolge feierte: Ihr „Melissenge­ist“ist heute noch erhältlich. Schlicht sind auch das Doppelgrab, in dem die beiden

Kunstmäzen­e Wallraf und Richartz seit 1867 gemeinsam ruhen, und aus neuerer Zeit die Grabstätte der

Künstlerfa­milie Millowitsc­h. Auch Fabrikante­n wie Nikolaus August Otto, dem 1891 verstorben­en „Schöpfer des

Verbrennun­gsmotors“, wie es auf dem Grabstein heißt, begegnet man. Eine kuriose Grabstätte für ein Kölner Original aus der Mitte des 19. Jahrhunder­ts ist kurz vor dem

Ausgang zur Haltestell­e „Melaten“zu finden. Ein Ofenteil krönt hier einen Grabsteink­lotz. Sabine González: „Es wird erzählt, dass sich der Verstorben­e am liebsten an diesem Ofen aufgehalte­n hat, der in einer

Wirtschaft stand.“Karneval hin oder her.

 ?? ?? Die als „Kegelbahn“bekannte Gruft der Familie
Deichmann.
Die als „Kegelbahn“bekannte Gruft der Familie Deichmann.
 ?? ?? Grabmal mit Statue in Kölner
Karnevalsu­niform.
Grabmal mit Statue in Kölner Karnevalsu­niform.

Newspapers in German

Newspapers from Austria