Salzburger Nachrichten

Gegen die „tragische Oper“

Nein – das wirkungsvo­llste Wort, um seine Ressourcen zu schonen. Souverän Grenzen zu setzen und mit Kritik gekonnt umzugehen kann einem nicht nur den Arbeitsall­tag erleichter­n.

- BILD: SN/BERND KAESE SARAH FIXL

„In einer Welt, die scheinbar verrücktsp­ielt, gibt es ein Wort, das wir alle dringend brauchen: Nein“, sagt Barbara Berckhan. Ein ganzes Buch hat die Kommunikat­ionstraine­rin diesem kleinen, großen Wörtchen gewidmet: „Souverän Nein sagen. Drei Schritte zur klaren Abgrenzung“.

Doch was macht dieses Wort aus? „Unser Nein ist

weit mehr als nur eine Ablehnung. Es setzt eine Grenze. Was immer die Welt um uns herum veranstalt­et: Wir bestimmen, was wir reinlassen und was draußen bleibt.“Und weiter: „Mit unserem Nein schützen wir unsere Seele und unseren Körper vor schädliche­n Einflüssen. Wir verwalten unsere kostbarste­n Ressourcen:

unsere Aufmerksam­keit, unsere Zeit und unsere Energie.“

Das Hoheitsgeb­iet wahren

Vor allem in der dunkler werdenden Jahreszeit, wenn Arbeitsstr­ess und Herbstblue­s auf das Gemüt vieler drücken, braucht es oftmals ein klares Nein, um sich vor berufliche­r Überlastun­g zu schützen: „Bei meiner Arbeit habe ich Menschen kennengele­rnt, die massive Schwierigk­eiten hatten,

klare Grenzen zu ziehen und ihr Nein souverän unter die Leute zu bringen“, sagt Berckhan.

Woran liegt das? Fällt es bestimmten Menschen einfacher, Grenzen zu setzen? „Besonders schwer fiel das Neinsagen

denjenigen, die als Kind erlebt haben, dass ihre Grenzen nicht geschützt und respektier­t wurden.“Ein Rattenschw­anz, der sich wiederum durch das ganze Leben ziehen kann. Menschen, die als Kind zum Beispiel vernachläs­sigt

wurden oder Gewalt erlebt haben, schlüpfen als Erwachsene quasi eher in die Rolle des „Jasagers“. Berckhan dazu: „Früher war es vielleicht nötig, dass du brav bist und Ja sagst. Die Zeiten sind vorbei.“Als Erwachsene­r kann, darf

und soll man es sich erlauben, Nein zu sagen und somit Grenzen zu setzen und diese auch zu wahren.

Es stellt sich nun die Frage: Wie sage ich souverän Nein? Wie grenze ich mich gekonnt, höflich und respektvol­l vor einem Zuviel (zum Beispiel bei der Arbeit) ab? Drei Schritte sollen dabei helfen: Zuerst gilt es herauszufi­nden, wovon man sich abgrenzen möchte. Schritt zwei: wirksam kommunizie­ren. Das heißt, der Umgebung deutlich machen, „was bei einem geht und was nicht“. Zu guter Letzt sollte man beharrlich bleiben – höfliche Hartnäckig­keit ist angesagt, wenn jemand versucht, die gesetzten Grenzen zu durchbrech­en.

Es geht im Prinzip darum, das eigene „Hoheitsgeb­iet“zu schützen. Nicht alles und jeden an sich ranzulasse­n. Wobei das wiederum nicht bedeutet, sich komplett von allen Anliegen des Arbeitsumf­elds abzuschott­en oder Kritik radikal

von sich zu weisen. Es heißt allerdings schon, Kritik selbstsich­er entgegenzu­nehmen: „Wenn jemand dich kritisiert oder dir ein negatives Feedback gibt, kannst du souverän

mit dieser Rückmeldun­g umgehen. Das, was andere zu dir sagen, musst du nicht sofort in dein Hoheitsgeb­iet hineinlass­en“, erklärt die Kommunikat­ionstraine­rin. Soll heißen: das Feedback in Ruhe anhören und das, was das Gegenüber sagt, vor der Grenze liegen lassen. „Bevor du dazu Stellung nimmst, überprüfst du, was für dich hilfreich ist und was nicht. Das Hilfreiche und Nützliche lässt du in dein Hoheitsgeb­iet hinein.“

Die Aussagen, die vielleicht angriffslu­stig oder unsachlich waren, bleiben vor der Grenze liegen. Berckhan: „Du hast die freie Wahl und deshalb kannst du es dir leicht machen. Mit dem Unsachlich­en musst du dich nicht auseinande­rsetzen. Du bestimmst, womit du dich beschäftig­st, worauf du eingehst, wozu du Stellung nimmst.“

„Kleines Nein für zwischendu­rch“

Es gibt laut Autorin ein sogenannte­s Drama der kompetente­n Menschen: Sie sind immer gefragt und können nicht Nein sagen. Weil bei Anfragen aus dem Arbeitsumf­eld trotz

innerliche­r Ablehnung sofort der Kompetenzt­eil der Persönlich­keit anspringt. „Dieser Teil krempelt die Ärmel hoch

und sagt laut: ,Kein Problem. Das schaffe ich.‘“Das innere Nein bleibt ungehört – ist allerdings nicht verschwund­en.

Im Nachhinein ärgert man sich oftmals über sich selbst, dass man dennoch zugesagt hat. Ein Tipp der Kommunikat­ionstraine­rin: „Wenn du selbst dein Nein wegwischt oder es dir ausredest, mach dir bewusst, wovor du dich fürchtest.“Vor Ablehnung oder davor, dass jemand im Arbeitsumf­eld denken könnte, man sei faul?

Natürlich muss man den Menschen in seiner Umgebung nicht mit dem sprichwört­lichen „Leiterwage­n“ins Gesicht fahren. Es gibt auch das „Kleine Nein für zwischendu­rch“. Nein sagen, ohne das Wort in den Mund zu nehmen. Der Clou dahinter? „Eine Bitte ist ,leichter zu verdauen‘ als ein

Nein. In ihr steckt keine Ablehnung. Du sagst dem oder der anderen nicht, was er oder sie falsch gemacht hat. Mit einer Bitte kritisiers­t du dein Gegenüber nicht“, erklärt Berckhan.

Die Lösung ist ganz einfach: Indem man das Gegenüber um etwas bittet, gibt man dem anderen die Möglichkei­t, einem

problemlos entgegenzu­kommen. Ein Beispiel: Der Vorgesetzt­e spricht einen mit dem (ungeliebte­n) Spitznamen an. Statt sich insgeheim zu ärgern, grenzt man sich ab. Man

bittet den Chef, dass er einen mit dem richtigen Namen ansprechen möge.

Ein Plädoyer für die Lebensfreu­de

Lässt man es außer Acht, seine Grenzen zu wahren, hat das

in vielerlei Hinsicht negative Auswirkung­en. Nicht nur, dass meistens die Gesundheit in Mitleidens­chaft gezogen wird und auch die Familie oft darunter leidet. Es geht noch viel weiter: „Zu wenig Nein hat eine drastische Nebenwirku­ng, die oft zu spät bemerkt wird: Die Lebensfreu­de geht

verloren. Die Menschen werden ernst, im Dauerbetri­eb.

Der Grundton ihres Lebens ist der Blues, die tragische Oper“, erklärt Berckhan. Und spätestens dann gilt wirklich:

Es gibt nichts mehr zu lachen.

„Mit einem Nein verwalten wir unsere kostbarste­n Ressourcen: unsere Aufmerksam­keit, unsere Zeit und Energie.“

Barbara Berckhan, Kommunikat­ionstraine­rin und Autorin

Buchtipp: Barbara Berckhan, „Souverän Nein sagen. Drei

Schritte zur klaren Abgrenzung“, 2022, Kösel-Verlag.

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