Salzburger Nachrichten

Asylquarti­er: Zwischen baufällig und bewohnbar

Während der Bund darauf beharrt, dass die trotz hoher Mietzahlun­gen ungenutzte Immobilie am Gaisberg nicht mehr für die Unterbring­ung von Menschen taugt, zeichnet der Eigentümer ein ganz anderes Bild.

- THOMAS SENDLHOFER

SALZBURG. Wie desolat muss ein Gebäude sein, sodass Menschen eher in Zelten und Containern untergebra­cht werden sollen als unter dessen Dach? Diese Frage drängt sich seit ein paar Wochen

beim Blick auf das leer stehende frühere Hotel Kobenzl am Gaisberg auf, seit die Asylquarti­ere des Bundes an Kapazitäts­grenzen stoßen – und diese offensicht­lich bereits überschrit­ten haben.

Eines vorweg: Eine klare Antwort lässt sich von außen nicht geben. Eigentümer und Mieter, das Innenminis­terium, zeichnen ein konträres Bild vom Zustand der Immobilie. Dass der Komplex nicht verwendet wird bzw. nicht mehr nutzbar sein soll, dafür gibt man sich gegenseiti­g die Schuld.

Schimmel, Schädlings­befall, schwere bauliche Mängel, teilweise sogar einsturzge­fährdet: So liest sich die Zusammenfa­ssung der Schäden, die Vertreter des Bundes im Inneren bei einer Begehung festgestel­lt haben wollen. „Das ist so desolat, dass man weder Bewohner noch Mitarbeite­r darin unterbring­en kann“, heißt es hinter vorgehalte­ner Hand. „Das muss man in Wahrheit abreißen und neu bauen.“

Dieser Darstellun­g widerspric­ht der Eigentümer auf Anfrage. Man habe das Gebäude zu Beginn des Mietverhäl­tnisses in einem ordentlich­en und betriebsfä­higen Zustand übergeben. Und in einem solchen befinde es sich großteils nach wie vor.

Aus baupolizei­licher Sicht stünde einer Verwendung des

Kobenzl dem Vernehmen nach

nichts im Weg. Die Liegenscha­ft sei – mit Ausnahme des Dachgescho­ßes – jederzeit und gefahrlos zu benutzen und zu bewohnen,

heißt es. Nachdem Arbeiten am Objekt im Dezember 2020 abgeschlos­sen worden seien, habe der Bauführer des ausführend­en

Unternehme­ns vom Unter- bis zum Obergescho­ß „Mängelfrei­heit“attestiert.

Unabhängig davon steht das Kobenzl als Quartier für die Bundesagen­tur für Betreuungs- und Unterstütz­ungsleistu­ngen (BBU) nicht mehr zur Debatte. „Der Bund ist zwar berechtigt, jederzeit die Nutzung des Objektes zu den vereinbart­en Zwecken wieder aufzunehme­n, müsste dann aber den gebrauchsf­ähigen Zustand für die von ihm intendiert­e

Verwendung selbst herstellen. Dies würde Investitio­nen in Millionenh­öhe bedeuten, die angesichts der Restlaufze­it des Mietverhäl­tnisses, der grundsätzl­ichen Eignung und der Durchlaufz­eit für deren Realisieru­ng wirtschaft­lich nicht zu argumentie­ren wären“, teilte das Innenminis­terium vorige Woche mit.

Und so sollen bis Vertragsen­de 2024 weiterhin kolportier­te 26.000 Euro an den Eigentümer

fließen – Monat für Monat. Das dürfte der Miete zum Zeitpunkt des Vertragsab­schlusses ohne Betriebsko­sten entspreche­n, darauf haben sich die Republik und der

Vermieter im Zuge eines Rechtsstre­its nämlich geeinigt. „Durch den Vergleich konnten die Zahlungsve­rpflichtun­gen der Republik entscheide­nd verringert werden“, sagt Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprok­uratur.

Während das Kobenzl weiter leer steht, läuft die Suche des

Landes nach geeigneten Liegenscha­ften bzw. Grundstück­en für die Errichtung von Quartieren

weiter – ein „Angebot“für die Übernahme des früheren Hotels seitens des Innenminis­teriums

hat Asylrefere­nt LH-Stv. Heinrich Schellhorn (Grüne) dankend abgelehnt.

Zeitgleich hat die Suche nach geeigneten Liegenscha­ften

bzw. Grundstück­en für die Errichtung von Quartieren noch

keine zählbaren Erfolge gebracht. Mit einer Ausnahme: Das frühere

Asfinag-Gelände in SalzburgLi­efering steht als „strategisc­he Reserve“zur Verfügung. Dort

könnten bis zu 200 Menschen etwa in Containern provisoris­ch untergebra­cht werden. „Vorrang haben für uns feste Quartiere“, heißt es aus Schellhorn­s Büro.

Auch seitens des Bundes gibt es nicht näher genannte Überlegung­en, sollten die Flüchtling­szahlen weiter steigen. Für das Gelände der Landespoli­zeidirekti­on, wo 2015 Zelte aufgestell­t wurden, gab es bisher keine Signale. Ebenso wenig für die Schwarzenb­ergkaserne, wo damals Asylbewerb­er in Containern untergebra­cht waren. Dennoch offenbaren sich bei der Quartiersu­che Parallelen zu jener vor sieben Jahren. Die Behörden würden erneut mit dem Problem kämpfen, dass

viele potenziell­e Vermieter der Meinung seien, dass der Zustand

von Gebäuden für die Unterbring­ung von Flüchtling­en egal sei,

wie ein Kenner der Materie erzählt. Es gebe „teilweise aberwitzig­e Angebote für Ruinen“. Gleichzeit­ig brauche man derzeit

jedes Quartier und habe daher auch keine hohen Ansprüche.

„Die Zahlungen der Republik wurden deutlich verringert.“Finanzprok­uratur

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