Die Stunde der Optimierer
Die horrenden Energiepreise zwingen Betriebe zu optimieren, was geht. Ein Teil tut das schon länger, viele aber sind erst beim Feuerlöschen. Berater haben Hochkonjunktur.
Das Eisenwerk Sulzau in Tenneck zählt zu den weltweit führenden Herstellern von Walzen für die Stahlverformung. Drei bis vier Monate dauert die Produktion einer einzigen Walze. Und dafür braucht es jede Menge Strom. Der Schmelzbetrieb, in dem Schrott und Roheisen verflüssigt werden, läuft auf 1600 Grad Celsius. Die Wärmebehandlung des Materials, um später etwa Risse in der Walze zu verhindern, passiert in bis zu 1000 Grad heißen Glühöfen. Dauer des Vorgangs: bis zu vier Wochen.
Unterm Strich hat das Eisenwerk einen jährlichen Strombedarf von 50 Gigawattstunden. „Wir sind sicher einer der größten Energieabnehmer im Land Salzburg“, sagt Geschäftsführer Georg Hemetsberger. „Energie sparen“, betont er, „gehört da zum Tagesgeschäft.“Jeder Tag, den man mit reduzierten Wärmebehandlungszeiten Strom einsparen könne, sei ein Erfolg. Erst recht, wenn sich der Energiekostenfaktor von früher zwei bis vier Prozent auf nun zehn bis 20 Prozent vervielfacht hat. Zahlte das Eisenwerk vor nicht allzu langer Zeit 50 Euro für die Megawattstunde Strom, rechnet man für nächstes Jahr mit 400 bis 500 Euro. Von der Salzburg AG, von der man Ökostrom beziehe, komme „kein Cent Entgegenkommen“, ärgert sich Hemetsberger und erklärt entnervt: „Das Einzige, was unsere Energiekosten im nächsten Jahr vermutlich etwas sinken wird lassen, ist eine rückläufige Produktion.“Die Nachfrage sei bereits „deutlich gedämpft“. Seine Befürchtung: „Europa wird auf seinen Produkten sitzen bleiben, wenn wir die Energiekrise nicht in den Griff bekommen.“
Gedrückt ist die Stimmung nicht nur im Eisenwerk. Die Ankündigung Deutschlands, ab Jänner eine Energiepreisbremse einzuführen, schüttet nun zusätzlich Öl ins Feuer. Damit sehen sich viele Betriebe nicht nur einer Kostenexplosion ausgeliefert, sondern auch dem Umstand, möglicherweise vom Mitbewerber im Nachbarland abgehängt zu werden, weil dort billiger produziert werden kann. Es rumort gehörig, rasche Entspannung scheint nicht in Sicht.
„Es wird auf absehbare Zeit keine Ruhe eintreten“, sagt auch Andreas Dankl. Der Absolvent der Montanuni Leoben und Instandhaltungsberater aus Wals weiß, an welchen Schrauben gedreht werden muss, um in Betrieben die Effizienz zu erhöhen und die
Kosten zu senken. Zu seinen Kunden zählen Energieerzeuger und Versorgungseinrichtungen genauso wie Verkehrsbetriebe sowie große und mittlere Produktionsbetriebe. Was sie jetzt alle mehr denn je wollen: Energie sparen.
Wobei nicht jeder Betrieb die gleichen Voraussetzungen mitbringt, möglichst rasch, möglichst viel auch einsparen zu können. Dankl sieht aktuell drei Kategorien von Betrieben: Zum einen jene wie das Eisenwerk Sulzau, für die eine systematische Optimierung schon seit vielen Jahren ein Thema ist, „egal, ob aus Energiekostensicht oder um die CO2-Bilanz zu verbessern“.
Andreas Dankl,
Ein funktionierendes Energiemonitoring samt laufender Anlagenoptimierung betreibt nach Dankls Einschätzung etwa ein Drittel der Betriebe in Österreich.
Ebenso viele hätten aus technologischer Sicht zwar die Voraussetzungen dazu, haben sich bisher aber erst wenig mit Optimierung beschäftigt. Dankls Partner Michael Olsacher nennt ein Beispiel: „Wer gute Gewinne hatte und einen Kostenaufwand für Energie von vielleicht zwei Prozent, der hat wahrscheinlich wenig getan.“Jetzt sei Energie auch für diese Unternehmen ein schmerzender Kostenfaktor.
Mit den schlechtesten Karten starten jene, die derzeit nicht mehr tun können, als den Feuerlöscher in die Hand zu nehmen und Ad-hoc-Maßnahmen zu setzen. Mit 40 Prozent ist das laut Dankl immerhin die größte Gruppe. Betroffen seien oft mittelständische Unternehmen mit intransparentem Energieverbrauch. Im schlechtesten Fall sieht das so aus: „Es gibt im Betrieb nur einen Stromzähler, an dem alles hängt – von den Maschinen bis zur Beleuchtung. Der Betrieb weiß nicht, wo seine Stromkosten entstehen, das sind nicht wenige.“In der Praxis passierten dort gerade „Schüsse aus der Hüfte heraus, es wird da und dort ohne System herumgeschraubt“. So würden etwa rasch LED-Beleuchtungen installiert oder werde nur dort investiert, wo es gerade Förderungen gebe. Wobei schnelle Maßnahmen wie das Abschalten von Anlagen am Wochenende, Luftdruck oder Wärme auf ein Minimum reduzieren durchaus klug seien, sagt Olsacher. „Nur muss ich halt wissen, wie ich das effektiv mache.“Auch
Stromsparen über eine PV-Anlage sei ein richtiger Weg, „aber eher eine Maßnahme, die sich nicht sofort auswirkt“.
Die gute Nachricht: Die Problemkinder, die in der Betriebsoptimierung noch viel Aufholbedarf haben, können am meisten einsparen. Die Instandhaltungsberater gehen von 15 bis 20
Prozent aus. Jene
Betriebe, die bereits optimierten, könnten noch fünf Prozent erreichen.
Und was ist mit dem Klimaschutz, wenn die Produktion von Gas auf Öl umgerüstet wird, wie zuletzt reihenweise in den Betrieben passiert? „Das ist sicher eine reine Übergangslösung“, sagt Berater Dankl. An grünen Energieformen führe künftig kein Weg vorbei, „das wird für manche schmerzhaft und teuer, für andere eine logische Konsequenz auf das sein, was sie schon eingeleitet haben“. Davon, den Öltank ganz rauszuwerfen, rät Dankl allerdings auch für die Zukunft ab. „Ein fossiles Back-up wird es immer brauchen, das ist eine Frage des Hausverstands.“Nur auf grüne und nachhaltige Energieversorgung zu setzen erzeuge nur neue Abhängigkeiten.
Was es brauche, auch um Kosten zu sparen und künftige
Energiepreisexplosionen in
den Betrieben zu vermeiden, sei ein Energieversorgungsmix. Auch Georg Benke, Leiter des Bereichs Energietechnik beim Energieberater e7, kann sich vor Anfragen, wie und wo Energie gespart werden könnte, kaum retten. „Wir Berater rotieren“, sagt er. Der Markt sei schon vor den massiven Energiepreissteigerungen gekippt. Denn in vielen Unternehmen sei nun eine jüngere Generation von Managern am Ruder, die nicht nur auf dem Papier ihre Einsparpflichten darstellen, sondern wirklich etwas ändern wollten.
Effizienzsteigerungen sind laut Benke fast überall möglich. Oft reiche es, das Stromverbrauchsprofil eines Betriebs zu sehen, um Effizienzpotenziale zu sehen. Gut 80 Prozent der durchgeführten Audits hätten sich – schon vor der Energiekrise – für die Kunden bereits im ersten Jahr gerechnet. Prozessumstellungen und Sanierungen amortisierten sich mitunter doppelt so schnell wie vor zwei Jahren.
„40 Prozent sind beim Feuerlöschen.“