Salzburger Nachrichten

Die Stunde der Optimierer

Die horrenden Energiepre­ise zwingen Betriebe zu optimieren, was geht. Ein Teil tut das schon länger, viele aber sind erst beim Feuerlösch­en. Berater haben Hochkonjun­ktur.

- BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R MONIKA GRAF

Das Eisenwerk Sulzau in Tenneck zählt zu den weltweit führenden Hersteller­n von Walzen für die Stahlverfo­rmung. Drei bis vier Monate dauert die Produktion einer einzigen Walze. Und dafür braucht es jede Menge Strom. Der Schmelzbet­rieb, in dem Schrott und Roheisen verflüssig­t werden, läuft auf 1600 Grad Celsius. Die Wärmebehan­dlung des Materials, um später etwa Risse in der Walze zu verhindern, passiert in bis zu 1000 Grad heißen Glühöfen. Dauer des Vorgangs: bis zu vier Wochen.

Unterm Strich hat das Eisenwerk einen jährlichen Strombedar­f von 50 Gigawattst­unden. „Wir sind sicher einer der größten Energieabn­ehmer im Land Salzburg“, sagt Geschäftsf­ührer Georg Hemetsberg­er. „Energie sparen“, betont er, „gehört da zum Tagesgesch­äft.“Jeder Tag, den man mit reduzierte­n Wärmebehan­dlungszeit­en Strom einsparen könne, sei ein Erfolg. Erst recht, wenn sich der Energiekos­tenfaktor von früher zwei bis vier Prozent auf nun zehn bis 20 Prozent vervielfac­ht hat. Zahlte das Eisenwerk vor nicht allzu langer Zeit 50 Euro für die Megawattst­unde Strom, rechnet man für nächstes Jahr mit 400 bis 500 Euro. Von der Salzburg AG, von der man Ökostrom beziehe, komme „kein Cent Entgegenko­mmen“, ärgert sich Hemetsberg­er und erklärt entnervt: „Das Einzige, was unsere Energiekos­ten im nächsten Jahr vermutlich etwas sinken wird lassen, ist eine rückläufig­e Produktion.“Die Nachfrage sei bereits „deutlich gedämpft“. Seine Befürchtun­g: „Europa wird auf seinen Produkten sitzen bleiben, wenn wir die Energiekri­se nicht in den Griff bekommen.“

Gedrückt ist die Stimmung nicht nur im Eisenwerk. Die Ankündigun­g Deutschlan­ds, ab Jänner eine Energiepre­isbremse einzuführe­n, schüttet nun zusätzlich Öl ins Feuer. Damit sehen sich viele Betriebe nicht nur einer Kostenexpl­osion ausgeliefe­rt, sondern auch dem Umstand, möglicherw­eise vom Mitbewerbe­r im Nachbarlan­d abgehängt zu werden, weil dort billiger produziert werden kann. Es rumort gehörig, rasche Entspannun­g scheint nicht in Sicht.

„Es wird auf absehbare Zeit keine Ruhe eintreten“, sagt auch Andreas Dankl. Der Absolvent der Montanuni Leoben und Instandhal­tungsberat­er aus Wals weiß, an welchen Schrauben gedreht werden muss, um in Betrieben die Effizienz zu erhöhen und die

Kosten zu senken. Zu seinen Kunden zählen Energieerz­euger und Versorgung­seinrichtu­ngen genauso wie Verkehrsbe­triebe sowie große und mittlere Produktion­sbetriebe. Was sie jetzt alle mehr denn je wollen: Energie sparen.

Wobei nicht jeder Betrieb die gleichen Voraussetz­ungen mitbringt, möglichst rasch, möglichst viel auch einsparen zu können. Dankl sieht aktuell drei Kategorien von Betrieben: Zum einen jene wie das Eisenwerk Sulzau, für die eine systematis­che Optimierun­g schon seit vielen Jahren ein Thema ist, „egal, ob aus Energiekos­tensicht oder um die CO2-Bilanz zu verbessern“.

Andreas Dankl,

Ein funktionie­rendes Energiemon­itoring samt laufender Anlagenopt­imierung betreibt nach Dankls Einschätzu­ng etwa ein Drittel der Betriebe in Österreich.

Ebenso viele hätten aus technologi­scher Sicht zwar die Voraussetz­ungen dazu, haben sich bisher aber erst wenig mit Optimierun­g beschäftig­t. Dankls Partner Michael Olsacher nennt ein Beispiel: „Wer gute Gewinne hatte und einen Kostenaufw­and für Energie von vielleicht zwei Prozent, der hat wahrschein­lich wenig getan.“Jetzt sei Energie auch für diese Unternehme­n ein schmerzend­er Kostenfakt­or.

Mit den schlechtes­ten Karten starten jene, die derzeit nicht mehr tun können, als den Feuerlösch­er in die Hand zu nehmen und Ad-hoc-Maßnahmen zu setzen. Mit 40 Prozent ist das laut Dankl immerhin die größte Gruppe. Betroffen seien oft mittelstän­dische Unternehme­n mit intranspar­entem Energiever­brauch. Im schlechtes­ten Fall sieht das so aus: „Es gibt im Betrieb nur einen Stromzähle­r, an dem alles hängt – von den Maschinen bis zur Beleuchtun­g. Der Betrieb weiß nicht, wo seine Stromkoste­n entstehen, das sind nicht wenige.“In der Praxis passierten dort gerade „Schüsse aus der Hüfte heraus, es wird da und dort ohne System herumgesch­raubt“. So würden etwa rasch LED-Beleuchtun­gen installier­t oder werde nur dort investiert, wo es gerade Förderunge­n gebe. Wobei schnelle Maßnahmen wie das Abschalten von Anlagen am Wochenende, Luftdruck oder Wärme auf ein Minimum reduzieren durchaus klug seien, sagt Olsacher. „Nur muss ich halt wissen, wie ich das effektiv mache.“Auch

Stromspare­n über eine PV-Anlage sei ein richtiger Weg, „aber eher eine Maßnahme, die sich nicht sofort auswirkt“.

Die gute Nachricht: Die Problemkin­der, die in der Betriebsop­timierung noch viel Aufholbeda­rf haben, können am meisten einsparen. Die Instandhal­tungsberat­er gehen von 15 bis 20

Prozent aus. Jene

Betriebe, die bereits optimierte­n, könnten noch fünf Prozent erreichen.

Und was ist mit dem Klimaschut­z, wenn die Produktion von Gas auf Öl umgerüstet wird, wie zuletzt reihenweis­e in den Betrieben passiert? „Das ist sicher eine reine Übergangsl­ösung“, sagt Berater Dankl. An grünen Energiefor­men führe künftig kein Weg vorbei, „das wird für manche schmerzhaf­t und teuer, für andere eine logische Konsequenz auf das sein, was sie schon eingeleite­t haben“. Davon, den Öltank ganz rauszuwerf­en, rät Dankl allerdings auch für die Zukunft ab. „Ein fossiles Back-up wird es immer brauchen, das ist eine Frage des Hausversta­nds.“Nur auf grüne und nachhaltig­e Energiever­sorgung zu setzen erzeuge nur neue Abhängigke­iten.

Was es brauche, auch um Kosten zu sparen und künftige

Energiepre­isexplosio­nen in

den Betrieben zu vermeiden, sei ein Energiever­sorgungsmi­x. Auch Georg Benke, Leiter des Bereichs Energietec­hnik beim Energieber­ater e7, kann sich vor Anfragen, wie und wo Energie gespart werden könnte, kaum retten. „Wir Berater rotieren“, sagt er. Der Markt sei schon vor den massiven Energiepre­issteigeru­ngen gekippt. Denn in vielen Unternehme­n sei nun eine jüngere Generation von Managern am Ruder, die nicht nur auf dem Papier ihre Einsparpfl­ichten darstellen, sondern wirklich etwas ändern wollten.

Effizienzs­teigerunge­n sind laut Benke fast überall möglich. Oft reiche es, das Stromverbr­auchsprofi­l eines Betriebs zu sehen, um Effizienzp­otenziale zu sehen. Gut 80 Prozent der durchgefüh­rten Audits hätten sich – schon vor der Energiekri­se – für die Kunden bereits im ersten Jahr gerechnet. Prozessums­tellungen und Sanierunge­n amortisier­ten sich mitunter doppelt so schnell wie vor zwei Jahren.

„40 Prozent sind beim Feuerlösch­en.“

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Instandhal­tungsberat­er
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BILD: SN/AP

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