Der Scherbenhaufen von St. Pölten
Niederösterreich bekommt eine wackelige Regierungskoalition und die Bevölkerung bekommt die Lehre: Politik ist wie Lotto – alles ist möglich.
Es war eine ganze Reihe von Premieren, die am Donnerstag im St. Pöltner Regierungsviertel zu bestaunen war: Noch nie ist ein Landtag in einer derart vergifteten politischen Atmosphäre in eine neue Legislaturperiode gestartet. Noch nie ist eine Landeshauptfrau mit einem derart dürftigen Wahlergebnis – und ohne die Stimmen des eigenen Koalitionspartners – im Amt bestätigt worden. Und noch nie ist eine Landesregierung unter dem Bruch so zentraler Wahlversprechen angetreten.
Die ÖVP hatte sich im Wahlkampf als Garant dafür angepriesen, dass die blauen Radikalinskis in Niederösterreich keinen Fingerbreit mehr Einfluss bekommen. Jetzt hat sie genau diese Radikalinskis in eine Koalition geholt. Die FPÖ hatte im Wahlkampf garantiert, dass sie Johanna Mikl-Leitner niemals zur Landeshauptfrau wählen wird. Nun hat sie durch die Abgabe ungültiger Stimmzettel ihre Wahl ermöglicht.
An diesem Taschenspielertrick, zu dem die Freiheitlichen Zuflucht nehmen mussten, lässt sich ablesen, wie verfahren die politische Situation in Niederösterreich ist. Das Land gleicht nach dieser Regierungsbildung einem Scherbenhaufen. Die Glaubwürdigkeit der Politik liegt ebenso in Trümmern wie das Ansehen
der handelnden Parteien. Dazu zählt auch die SPÖ, die durch ihre Alles-oder-ich-hacke-mir-die-Hand-abStrategie eine Koalition ruhigeren Zuschnitts verunmöglicht hat.
Wie geht es in Niederösterreich nun weiter? Die schwarz-blaue Koalition hat annähernd zwei Drittel der Wähler hinter sich und verfügt auch im Landtag fast über eine Zweidrittelmehrheit. Dennoch wäre es ein Wunder, wenn sie bis 2028 hielte und Nennenswertes zustande brächte. Denn eine Koalition braucht für den Erfolg ein Mindestmaß an Vertrauen. Und das fehlt ÖVP und FPÖ in Niederösterreich völlig.
Aber man sieht – und damit sind wir bei den bundespolitischen Lehren –, dass Koalitionen neuerdings auch ganz ohne Vertrauen und dafür mit zugehaltener Nase geschlossen werden. Man sollte also nicht allzu sehr darauf vertrauen, dass die von verschiedenen Seiten getätigten Schwüre „Niemals mit Kickl!“nach der nächsten Nationalratswahl gehalten werden. Nach dieser Wahl ist alles möglich. So wie in Niederösterreich plötzlich alles möglich war.