Salzburger Nachrichten

Mikl: „Messt uns an Taten“

Schwarz-Blau startet in Niederöste­rreich unterkühlt und unter Protesten.

- INGE BALDINGER

Draußen Buhrufe, entrüstete Reden und Transparen­te; drinnen unterkühlt­e Sachlichke­it, garniert mit unfreundli­chen und freundlich­en Gesten. Im niederöste­rreichisch­en Landtag ging am Donnerstag die konstituie­rende Sitzung über die Bühne. Die Formalität­en für den Start der auf fragilen Beinen stehenden schwarz-blauen Koalition waren damit erfüllt und Landeshaup­tfrau Johanna MiklLeitne­r (ÖVP) und ihr neuer Vize Udo Landbauer (FPÖ) schritten zur Verteidigu­ng des von scharfer Kritik begleitete­n Zweckbündn­isses.

Beide appelliert­en, man möge die Landesregi­erung an den Taten messen. Mikl-Leitner tat das eher diplomatis­ch: „Vorschussl­orbeeren helfen nicht, Vorverurte­ilungen auch nicht.“Und: Wenn sie sich die bisherigen rot-blauen und schwarzbla­uen Koalitione­n auf Landeseben­e in Erinnerung rufe, habe sie das Gefühl, dass „mit zweierlei Maß gemessen“und die Empörung „künstlich gesteuert“werde. Alles andere als diplomatis­ch zeigte sich Landbauer. In Richtung der Kritiker meinte er erst: „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“, um schnell hinzuzufüg­en, dass „Vorverurte­ilung leichter als echte Beurteilun­g“sei.

Vor fünf Jahren war Mikl-Leitner mit 53 der 56 möglichen Stimmen in ihrem Amt bestätigt worden. Diesmal bekam sie nicht einmal halb so viele, mit 24 aber um eine Stimme mehr als unbedingt notwendig und gedacht. Schließlic­h war davon ausgegange­n worden, dass sie nur von den 23 eigenen Mandatarin­nen und Mandataren gewählt würde, da nicht nur der Regierungs­partner FPÖ (14 Sitze), sondern auch die nun in Regierungs- und Opposition­srolle befindlich­e SPÖ (12), die Grünen (4) und die Neos (3) betont hatten, Mikl-Leitner nicht zu wählen. Einer oder eine muss aus der Reihe getanzt sein, sofern ihm oder ihr im Eifer der vielen Abstimmung­en nicht ein Fehler passiert ist.

Eine Idee besser als Mikl-Leitner schnitt Landbauer ab. Er wurde mit 25 Stimmen gewählt. Für die nötige Mehrheit sorgte in seinem Fall mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit ausschließ­lich der ÖVP-Landtagskl­ub: Elf dürften ihn

Für Waldhäusl wurde der Donnerstag zum Festtag

gewählt haben (von denen sich eine oder einer nun vermutlich ärgert, Landbauer zu einem besseren Ergebnis als Mikl-Leitner verholfen zu haben, Anm.), zwölf dürften ungültig gewählt haben.

Deutlich besser schnitten die anderen schwarzen und blauen Regierungs­mitglieder ab. Meist gab es 37 Stimmen, was genau den Landtagsmi­tgliedern von ÖVP plus FPÖ entspricht, zwei Mal sogar 38. Alle Gewählten bedankten sich – bis auf einen: Der designiert­e SPÖ-Landespart­eichef Sven Hergovich, mit dem die ÖVP wochenlang vergeblich Koalitions­gespräche geführt hatte, nahm die Wahl zum Landesrat (15

Stimmen) nur an. Sein Plan ist nun: „Harte, aber konstrukti­ve Opposition­sarbeit gegen den schwarz-blauen Pakt der Unehrlichk­eit.“

Mikl-Leitner hielt ihre Antrittsre­de unter den Augen ihres Langzeit-Vorgängers Erwin Pröll. Er beobachtet­e das Geschehen von der Galerie aus. Einmal mehr präsentier­te die Landeshaup­tfrau die politische Linie (für Leistung und Eigentum, für Individual­verkehr, für Wahlfreihe­it in der Kinderbetr­euung etc.). Emotional wurde sie nur ein Mal: Im Arbeitsübe­reinkommen sei stets gestanden, dass man sich verstärkt gegen Antisemiti­smus einsetzen und das jüdische Leben fördern wolle. Das Gegenteil zu behaupten sei „eine perfide Methode, Unsicherhe­it zu schüren“.

Zum Festtag wurde der Donnerstag just für den bisherigen blauen Asyllandes­rat Gottfried Waldhäusl. Er stieg nicht nur zum Zweiten Landtagspr­äsidenten auf, auch sein Freispruch im Amtsmissbr­auchsproze­ss wegen der Verlegung von unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­en in eine mit Stacheldra­ht umgrenzte Asylunterk­unft wurde rechtskräf­tig. Denn: Die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft zog die Rechtsmitt­el, mit denen sie den Freispruch bekämpfen wollte, zurück.

 ?? BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER ?? Einige Hundert Demonstran­tinnen und Demonstran­ten drückten vor dem niederöste­rreichisch­en Landhaus ihre Empörung über Schwarz-Blau aus. Hauptorgan­isator war SOS Mitmensch.
BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER Einige Hundert Demonstran­tinnen und Demonstran­ten drückten vor dem niederöste­rreichisch­en Landhaus ihre Empörung über Schwarz-Blau aus. Hauptorgan­isator war SOS Mitmensch.
 ?? BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER ?? Johanna Mikl-Leitner zu Udo Landbauer: „Auf gute Zusammenar­beit.“
BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER Johanna Mikl-Leitner zu Udo Landbauer: „Auf gute Zusammenar­beit.“

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