Proporz gehört abgeschafft
In Niederösterreich haben ÖVP und FPÖ keine Demokratiereform geplant. Dabei wäre eine solche gerade hier wichtig.
Am System wird sich wenig ändern: Das Wort „Demokratie“kommt im Arbeitsübereinkommen, auf das sich ÖVP und FPÖ unter Führung von Johanna Mikl-Leitner und Udo Landbauer für ihre Zusammenarbeit in Niederösterreich verständigt haben, nicht vor. Dabei wäre der Handlungsbedarf groß, wie auch Landbauer vor der Landtagswahl Ende Jänner immer wieder bestätigte. Nach dem Urnengang und mit Blick auf die Regierungsbeteiligung hat er das jedoch vergessen. Jetzt ist er Landeshauptmann-Stellvertreter und hat andere Sorgen: Er hat Macht gewonnen.
Nieder- ist neben Oberösterreich das letzte Bundesland, in dem noch Proporz herrscht. Er steht gelebter Demokratie im Weg. Das „Miteinander“, das Mikl-Leitner immer wieder beschwört, täuscht darüber hinweg.
Die Zusammensetzung der Landesregierung entspricht den Mehrheitsverhältnissen im Landtag. Neben Frauen und Männern von ÖVP und FPÖ gehören ihr daher auch zwei Oppositionsvertreter an, nämlich die Sozialdemokraten Sven Hergovich und Ulrike KönigsbergerLudwig. Das ist absurd: Sie sollten nicht für die Regierung vereinnahmt werden, in der ihnen ohnehin keine nennenswerten Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt werden, sondern kontrollieren und kritisieren, also ganz Opposition sein können.
Zumal ein Teil der übrigen Opposition, der so klein ist, dass er sich nicht in der Landesregierung befindet, massiv geschwächt ist. Damit gemeint sind die Neos: Ihnen gelang 2018 der Einzug in den Landtag. Zuletzt verteidigten sie die drei Mandate, die sie damals erobert hatten. Bei dieser Größe gibt es jedoch keinen Klubstatus und auch keine Möglichkeit, allein Anträge einzubringen. Man könnte den Geist, der dadurch zum Ausdruck kommt, so zusammenfassen: Die Neos dürfen zwar dabei sein, aber nur begrenzt Oppositionsarbeit leisten.
Doch zurück zum Proporz: Er bringt es mit sich, dass Mitglieder der Landesregierung durch den Landtag de facto nicht zur Verantwortung gezogen werden können. So wie für ihre Wahl Stimmen ihrer Parteikollegen genügen, so ist für ihre Abberufung die Zustimmung ihrer Parteikollegen erforderlich. Es ist jedoch unvorstellbar, dass es eine solche geben kann. Es würde voraussetzen, dass ein Landesrat bei den eigenen Leuten in Ungnade fällt und auf diese Weise verstoßen wird. So etwas würde selbst für „Parteifreunde“, die sich feindlich gegenüberstehen, zu weit gehen.
In einigen Ländern, in denen er noch bestand, ist der Proporz längst abgeschafft worden. In Nieder-, aber auch in Oberösterreich wäre es an der Zeit, das ebenfalls zu tun. Allein: Geplant ist es nicht. Die bestehenden Verhältnisse sind für Regierende zu komfortabel.