Chinas langer Arm
Nach Ballons sehen US-Behörden nun in chinesischen Kranen eine Gefahr. Die Mittel der Spionage werden tatsächlich mehr.
Der Spion, der durch dunkle Gassen schleicht, sich Informanten anbiedert oder Gespräche hinter einer Zeitung lauernd mithört, hat nicht ausgedient. Zusätzlich zu den „menschlichen Quellen“setzen Geheimdienste freilich aber längst auf elektronische Quellen. Viel mehr Informationen als früher sind dank des Internets und der sozialen Medien sogar frei zugänglich. Besonders in den USA kamen zuletzt wieder vermehrt illegale Mittel ans Licht. Nach den chinesischen Spionageballons, die im Februar über den USA und Lateinamerika gesichtet wurden, sind nun Hafenkrane eines chinesischen Herstellers im Spionageverdacht des US-Verteidigungsministeriums.
1. Wie und was soll China über die Krane ausspionieren?
Das „Wall Street Journal“berichtet, das US-Verteidigungsministerium sehe in den Kranen, die in den meisten US-Häfen im Einsatz sind, eine Gefahr für die innere Sicherheit. Vor den Augen aller könnte Peking die darauf montierte Technik als Spionagemittel einsetzen und Daten über die Ladungen sammeln – auch über militärische Lieferungen, die verschifft oder entladen werden. So könnten etwa die Herkunft oder der Bestimmungsort der Fracht bestimmt und verfolgt werden, berichtete das „Wall Street Journal“. Die Krane könnten laut dem Bericht auch per Fernzugriff den Warenfluss stören.
2. Warum sind diese Krane überhaupt im Einsatz?
Der chinesische Hersteller ZPMC hat seine Krane seit dem Markteintritt 1992 massiv weiterentwickelt: „Früher haben wir Geräte verkauft, heute verkaufen wir Systeme“, sagte 2017 der damalige Firmenvorsitzende Hailiang Song laut einer Aussendung
von Microsoft, mit dem das Unternehmen unter anderem zusammenarbeitet. Zudem ist ZPMC heute mit einem Marktanteil von über 75 Prozent Marktführer in dem Bereich dieser speziellen Krane, die Container von einem Schiff in den Hafen heben oder umgekehrt. Es ist also für die USA – und andere – schwer, an ZPMC vorbeizukommen. Das Unternehmen ist in Häfen von mehr als 90 Ländern tätig.
3. Ballons, Krane – womit wird noch spioniert?
Grundsätzlich nehmen sowohl die Kreativität als auch die technischen Möglichkeiten zu, Produkte für Spionagezwecke zu missbrauchen, sagt Nicolas Stockhammer, Terrorismusforscher und Geheimdienstexperte von der Donau-Universität Krems. Und nicht nur bei den Kranen führt aufgrund der Marktsituation kaum ein Weg an China vorbei. „In vielen Bereichen, das darf man nicht unterschätzen, gibt es nur eine Produktion in China“, sagt Stockhammer. Betroffen seien tendenziell der Mobilfunk, Drohnen, aber auch optische Überwachungsgeräte wie Kameras.
4. Welche Rolle spielen Apps wie TikTok?
Mehrere westliche Länder hegen schwere Sicherheitsbedenken gegen den Videodienst, der zum chinesischen Konzern ByteDance gehört. Die Sorge ist, dass chinesische Behörden oder Geheimdienste über TikTok Daten über Nutzer sammeln könnten oder Nutzer beeinflussen. Beamte der EU-Kommission und Regierungsmitglieder mehrerer Staaten, darunter die USA und Kanada, dürfen die App daher nicht mehr auf ihren Diensthandys installieren. Der renommierte US-Sicherheitsexperte Bruce Schneier
schrieb in seinem Blog, es bestehe kein Zweifel, dass TikTok und seine Mutterfirma ByteDance zwielichtig seien. „Sie arbeiten, wie die meisten großen Unternehmen in China, im Auftrag der chinesischen Regierung. Sie sammeln extrem viele Informationen über ihre Nutzer.“Für ein Verbot der App, wie es in den USA diskutiert wird, spricht sich der Experte aber nicht aus.
5. Welche Vorkehrungen können Staaten sonst treffen?
Schneier schlägt ein wirksames Datenschutzgesetz vor, mit dem Verbraucherinnen und Verbraucher langfristig geschützt werden „und nicht nur vor der App der Woche“. Die US-Regierung fordert hingegen laut Medienberichten den Ausstieg chinesischer Anteilseigner von TikTok. Im US-Kongress musste am Donnerstag außerdem TikTokChef
Shou Zi Chew Rede und Antwort stehen. Er wurde im Ausschuss für Energie und Handel vorgeladen.
6. Was sagte der TikTok-Chef zu den Vorwürfen?
TikTok-Chef Shou Zi Chew hat bei seinem Auftritt im US-Kongress versucht, Sorgen über chinesische Spionage und Einflussnahme zu zerstreuen. Unter anderem sagte er, dass alle Daten amerikanischer Nutzer auf US-Servern lagerten und der Zugang dazu strikt überwacht werde. Bei der Anhörung gab die Vorsitzende Cathy Rodgers einen scharfen Ton vor. „TikTok überwacht uns alle. Und die Kommunistische Partei Chinas kann es als Werkzeug benutzen, um Amerika als Ganzes zu manipulieren“, sagte die Republikanerin in ihrer Stellungnahme.