Salzburger Nachrichten

Der Kunde ist kein Datenliefe­rant

Spar-Vorstand Hans Reisch über unnötige Kundenkart­en, zu wenige Kontrollen der AMA und fehlende Innovation­en seitens der Industrie.

- REGINA REITSAMER

Die Inflation liegt bei fast 11 Prozent, Lebensmitt­el sind einer der Preistreib­er. Vergeht den Kunden die Lust am Einkauf?

SN:

Hans Reisch: Überhaupt nicht. Das sieht man auch an unseren Umsatzzahl­en.

SN: Wirtschaft­sforscher sagen, dass manche Branchen die Preise stärker erhöht haben als nötig, darunter auch der Handel.

Wir haben vonseiten unserer Lieferante­n mit sehr hohen Preisforde­rungen zu kämpfen, die wir in dieser Höhe gar nicht den Kunden weitergebe­n können. Das heißt, wir müssen auf Spanne verzichten.

SN: Der Vorsteuerg­ewinn der Spar-Gruppe ist im Vorjahr von 334 auf 264 Mill. Euro gesunken. Ist das also der Grund?

Es ist einer der Gründe. Daneben hatten wir um hundert Prozent höhere Energiekos­ten zu verkraften.

Ihr Vorstandsk­ollege Markus Kaser hat im Vorjahr die gierigen Konzerne in der Industrie kritisiert. Rewe hat große Markenarti­kler wegen zu hoher Preisforde­rungen ausgeliste­t. Das war für Spar kein Thema?

SN:

Nein, aber natürlich verhandeln wir hart mit den Lieferante­n. Wir wissen aber auch, dass die Multis auf uns verzichten könnten.

SN: Billigmark­en boomen angesichts der hohen Preise. Wie stark legte S-Budget zu?

S-Budget ist im Vorjahr um 24 Prozent gewachsen, das setzt sich auch heuer bisher so fort. Zugleich aber hat die obere Range wie Bio und Premium nichts verloren.

SN: Beim Eigenmarke­nanteil liegt Spar damit bereits bei 44 Prozent. Ist das Limit erreicht?

Das hängt unter anderem von den Innovation­en der Industrie ab. Wir schauen uns immer neue Produktgru­ppen an, wenn die Industrie hier nicht mitzieht, müssen wir das eben in Eigenregie machen.

SN: Da klingt Kritik durch. Gibt es in manchen Bereichen zu wenige Innovation­en der Industrie?

Ja, das ist so. Zum Beispiel die laktosefre­ien Produkte. Keine österreich­ische Molkerei hatte solche Produkte. Da haben wir sie eben als Eigenmarke unter Spar free from selber auf den Markt gebracht. Ähnlich lief es bei Veggie.

SN: Deshalb produziert das Spar-Fleischwer­k Tann jetzt vegane Extrawurst und Faschierte­s aus Erbsenprot­ein?

Genau. Das wird sicher ausgeweite­t. Wir werden noch in neue Produktgru­ppen

gehen, wenn es so erfolgreic­h weiterläuf­t. Derzeit sind wir noch in der Forschung und Entwicklun­g.

SN: Spar wird also noch mehr vom Händler zum Hersteller?

Was Tann betrifft sicher. Wir sind aber auch bei unserem Weingut Schloss Fels innovativ unterwegs, etwa mit einem Gin. Wir wollen unsere Produktion­sbetriebe wie auch Regio-Kaffee oder die Interspar-Bäckerei noch besser aufstellen und noch innovative­r werden.

SN: Der Eigenmarke­nanteil wird also noch weiter steigen?

Wenn die Produkte beim Kunden ankommen, ja.

Bei Hühnerflei­sch gab es zuletzt einige Skandale in der Geflügelzu­cht. Sie fordern von der AMA mehr Kontrollen?

SN:

Ja, nachdem auch wir als Handel Mitglied bei der AMA sind, haben wir die AMA aufgeforde­rt, ganz andere Kontrollen einzuführe­n. Solche Sachen dürfen nicht passieren.

SN: Die Bauern argumentie­ren, mehr Tierwohl koste mehr. Gerade Spar würde durch Billigflei­sch aus dem Ausland Marktantei­l gewinnen wollen.

Das stimmt nicht, wir haben zu 100 Prozent österreich­isches Fleisch, außer bei Huhn und Pute. Grund ist, dass es hier die erforderli­chen Mengen nicht gibt. Es sind aber nur fünf Prozent, die wir an ausländisc­hen Produkten im Regal haben.

SN: Zuletzt war vor allem der Butterprei­s heiß umstritten. Auch da setzte S-Budget auf deutsche Butter. Um damit den Preis zu drücken?

Auch das hängt mit den österreich­ischen Lieferante­n zusammen, die uns das Produkt nicht in der Streichfäh­igkeit und Konsistenz liefern konnten, die wir brauchen.

SN: Neben den Energiekos­ten sind für den Handel auch die Lohnkosten durch die letzte KV-Runde deutlich gestiegen. Wird es also noch teurer?

Nein, es wird nicht teurer werden, unser Unternehme­n wird weniger Gewinn machen.

SN: Auf Dauer wird man doch nicht aufs Ergebnis verzichten?

Wir glauben, dass sich etwa die Energiepre­ise wieder in eine andere Richtung entwickeln, das merken wir ja jetzt schon, wenn wir für 2024 bereits Tranchen kaufen. Und wir hoffen natürlich, dass der Ukraine-Krieg bald zu Ende ist und sich die Lage stabilisie­rt und die Preise wieder sinken.

SN: Trotz gestiegene­r Gehälter findet der Handel schwer Mitarbeite­r. Wie viele fehlen bei Spar, wie will man die finden?

Im Konzern fehlen 2000 Leute. Wir versuchen noch stärker, in der eigenen Spar-Akademie Fachkräfte auszubilde­n. Gerade sind wir dabei, die Lehre nach der Matura einzuführe­n. Wir haben die ersten 16 Absolvente­n bei dieser auf zwei Jahre verkürzten Lehre. Für Junge ist es attraktiv, dass sie rasch zum Marktleite­r-Stellvertr­eter oder Marktleite­r werden können. Auch die Einstiegsg­ehälter sind entspreche­nd gut.

SN: Die Konkurrenz setzt stark auf Kundenkart­en. Spar nicht?

Nein, das ist kein Thema für uns. Wir wollen jeden Kunden gleich behandeln. Der Kunde ist ein Kunde und kein Datenliefe­rant.

Hans K. Reisch

ist Enkel des SparMitbeg­ründers Hans F. Reisch und gehört damit einer der drei größten Eigentümer­familien (Drexel, Poppmeier, Reisch) des Spar-Konzerns an. Das K. in der Mitte habe er der Familientr­adition entspreche­nd von seinem Taufpaten Klaus. In der HansReihe – auch Vater Hans M. Reisch war lange Spar-Vorstand – ist er vorerst der Letzte. Der gebürtige Kufsteiner ist verheirate­t und hat vier Töchter.

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BILD: SN/SPAR Hans K. Reisch.

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