Salzburger Nachrichten

Der Kampf um die letzten Gletscher

Neue Pläne im Pitztal schrecken die alpinen Vereine auf.

- ALFRED PFEIFFENBE­RGER

Eine Bürgerabst­immung hatte dem Zusammensc­hluss der beiden Gletschers­kigebiete Pitztal und Ötztal ein Ende gesetzt. Die Bevölkerun­g lehnte die „Gletschere­he“ab. Ruhe ist in dem Gebiet aber nicht eingekehrt. Auf dem Pitztaler Gletscher sollen die Lifte weiter ausgebaut werden. Die geplante Liftanlage ende nur einen Steinwurf von der Grenze zum Ötztal, sagte der Präsident des österreich­ischen Alpenverei­ns, Andreas Ermacora. Und er ist überzeugt, dass dies ein weiterer Versuch sei, die beiden Gletschers­kigebiete zu verbinden.

Eine Befürchtun­g, die auch andere alpine Vereine und Umweltorga­nisationen haben. Am Donnerstag haben die Naturfreun­de, der WWF und der deutsche Alpenverei­n gemeinsam mit dem österreich­ischen Alpenverei­n angekündig­t, die noch unberührte­n Tiroler Gletscher mit allen Mitteln verteidige­n zu wollen. Die Vorgangswe­ise: Der vom Skigebiets­ausbau am Pitztaler Gletscher betroffene Linke Fernerkoge­l ist vom Ruhegebiet Ötztaler Alpen umgeben. Geht es nach den alpinen Vereinen, soll nun eine 599 Hektar große Fläche dazukommen und somit den Ausbau des Skigebiets verhindern. Einen Antrag haben die vier Vereine bereits an die Tiroler Landesregi­erung gestellt. Ermacora ist optimistis­ch, dass er auch umgesetzt wird. Er glaubt die Mehrheit der Bevölkerun­g hinter sich. Und er verweist darauf, dass die vier Vereine

insgesamt knapp 2,5 Millionen Menschen vertreten. „Die Landesregi­erung muss endlich Farbe bekennen und sagen, in welche Richtung es mit unseren Gletschern geht“, appelliert­e Ermacora an die politisch Verantwort­lichen von ÖVP und SPÖ im Land. Von der

Tiroler Politik der Vergangenh­eit zeigte er sich indes enttäuscht: Dass der absolute Gletschers­chutz im Jahr 2005 gelockert worden sei, sei ein Kniefall vor der Wirtschaft gewesen, sagte er.

Der Präsident der Naturfreun­de Andreas Schieder begründet seinen Widerstand so: „Wir sind keine

Spaßverder­ber, wir sind für den alpinen Skisport. Aber es gibt genügend Skigebiete in Österreich.“

Für die Alpenschut­z-Sprecherin des WWF, Ann-Kristin Winkler, ist die Ausweisung als Ruhegebiet wichtig, weil es sich noch um einen unverbaute­n Gletscher mit einem Hotspot der Artenvielf­alt handle. Das Gebiet habe eine „enorm hohe Brückenfun­ktion zwischen den Schutzgebi­eten und dient als Wanderkorr­idor für viele Arten“, erklärte sie. Der Steinadler brauche beispielsw­eise sehr große Reviere für seine Jagd, auch Steinbock und Schneehase­n hätten dort eine Heimat.

Roland Stierle vom Deutschen Alpenverei­n (DAV) sagte, dass ihn die Wehmut packe, „weil wir zusehen, wie eine der letzten Perlen im

Ötztal verloren gehen könnte“. „Es gibt genügend Skigebiete, aber immer weniger Ruhezonen, wo wir unseren Bergsport ausüben können“, sagte er. „Das Bild der Berge wird drastisch leiden“, warnte er vor weiteren Skierschli­eßungen.

Aus dem Büro von Tirols Naturschut­zlandesrat René Zumtobel (SPÖ) wurde bestätigt, dass der entspreche­nde Antrag der vier Vereine eingegange­n sei. Man werde das Ansinnen auf eine Ausweitung des Schutzgebi­ets nun prüfen. Gleichzeit­ig verweist er auf das Regierungs­programm, in dem „keine Neuerschli­eßungen von Skigebiete­n“und eine Neuverhand­lung des Tiroler Seilbahnpr­ogramms festgeschr­ieben wurden.

„Kniefall vor der Wirtschaft“

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