Exotische Tiere drängen nach Österreich
Immer häufiger siedeln sich gebietsfremde Tierarten hierzulande an. Ein prominentes Beispiel ist die Nosferatu-Spinne. Diese gibt es mittlerweile auch in Salzburg – vor allem an einem Standort.
Eine Spinne als Trend auf Google. Gibt es nicht? Gibt es doch: Die Nosferatu-Spinne hat es in der Kategorie „News & Schlagzeilen international“in die Top zehn der Google-Österreich-Charts 2022 geschafft. Zwar wird das Tier hierzulande schon seit der Jahrtausendwende immer wieder gesichtet, doch seit vergangenem Jahr ist die Zahl an Meldungen merklich gestiegen – samt medialem Echo.
Die Nosferatu-Spinne ist das wohl prominenteste Beispiel für gebietsfremde Arten, sogenannte Neobiota, die mittlerweile auch in Österreich zu finden sind. Und freilich gebe es einige dieser Arten ebenso in Salzburg – darunter die Nosferatu-Spinne, erläutert Gernot Bergthaler, freiberuflicher Biologe mit Schwerpunkt Spinnentiere. Es gebe sogar einen Standort im Bundesland, an dem die eigentlich in der Mittelmeerregion heimischen Spinnen „sehr häufig“gesichtet werden. Wo genau dieser Standort ist, will Bergthaler nicht verraten. Nur so viel: Es handle sich um ein Haus in Itzling, an dem die Spinnen außen wie innen vorkommen. „Das Habitat scheint ideal zu sein.“
Die Nosferatu-Spinne werde in der Tat in Österreich mittlerweile viel häufiger gesichtet als noch vor Jahren, ergänzt Bergthaler, der auch Vorstandsmitglied beim Naturschutzbund Salzburg ist. Im speziellen Fall liege das mediale Echo aber wohl weniger an der Frequenz der Sichtungen, sondern am Tier selbst: „Die Nosferatu-Spinne ist sehr auffällig.“Mit einer Größe von bis zu fünf Zentimetern (bei ausgestreckten Beinen) ist sie größer als heimische Arten. Dazu kommt die Zeichnung auf dem Prosoma, dem Vorderleib. Diese erinnert an den Vampir aus dem Film „Nosferatu“und verleiht der Spinne ihren Na
men. Dazu kommen besondere Fähigkeiten: „Sie kann Glaswände hinauflaufen. Das schaffen nur wenige Spinnen“, beschreibt Bergthaler. Die Nosferatu-Spinne sei auch eine der wenigen Arten, die im Winter Innenräume aufsuchen. Ferner könne ihr Biss die menschliche Haut durchdringen. Der Experte beruhigt aber: Das Gift sei für den Menschen kaum gefährlich. Vielmehr sei der Biss vergleichbar mit einem Bienen- oder Wespenstich.
Wie es das Tier nach Österreich geschafft hat, ist kaum zu belegen.
„Der Klimawandel spielt aber sicher eine Rolle“, ergänzt Bergthaler.
Die Nosferatu-Spinne ist kein Einzelfall: Immer häufiger werden Arten aus wärmeren Regionen in Österreich heimisch. „Es findet gerade ein kompletter Umbau der Artenzusammensetzung statt“, sagt Jan Christian Habel, Leiter des Fachbereichs Umwelt und Biodiversität an der Universität Salzburg. Begründbar sei das in der Tat etwa durch den Klimawandel: Klimagetrieben gingen Arten auf Wanderschaft. Die Expansion schreite entweder „langsam und schleichend“voran oder sprunghafter, getrieben von gewissen Anlässen. „Wenn es zum Beispiel einen ganz heißen Sommer gibt, gehen sogar Arten auf Wanderschaft, die normalerweise sehr standorttreu sind.“
Ein weiterer Faktor sei die Globalisierung, ergänzt Habel. Reisende würden, oft ungewollt, gebietsfremde Arten einschleppen. Wenngleich dieser Trend rückläufig sei, sind sich Habel und Bergthaler einig: „Offenbar achten die Leute mittlerweile mehr darauf, ob sie einen Skorpion im Neoprenanzug haben“, sagt Bergthaler.
Und was bedeutet das alles für die heimische Flora und Fauna? Die meisten gebietsfremden Arten bereiten der hiesigen Tier- und Pflanzenwelt keine Schwierigkeiten, erläutert Habel. „Wahrscheinlich weniger als fünf Prozent“seien invasive Arten und könnten zum Problem werden oder sind es bereits. Laut Umweltbundesamt gibt es in der EU 88 invasive Tier- und Pflanzenarten, von denen 32 in Österreich sind. Habel selbst nennt etwa das Amerikanische Grauhörnchen, den Asiatischen Marienkäfer und den Amerikanischen Signalkrebs. Gegen die Ausbreitung könne man wenig tun, ergänzt der Experte. „Theoretisch könnte man auch die natürlichen Prädatoren, also Feinde, herholen. Doch wir wissen nicht, wie sich das wiederum auswirkt.“
Die gute Nachricht: Selbst invasive Arten verdrängen heimische selten völlig. Berücksichtige man nur diesen Aspekt, gebe es durch den Klimawandel sogar einen „NettoZugewinn an Artenvielfalt“. Aber: „Durch den Klimawandel werden wir auch viele Arten verlieren – vor allem jene, die im Gebirge sitzen.“Diese könnten sich nicht woandershin verlagern, sobald der klimatische Rahmen nicht mehr passt. Ein Beispiel sei der Mohrenfalter.
Allein deshalb müsse man gegen den Klimawandel arbeiten. Und Habel ergänzt: Invasive Arten könnten sich vor allem dann gut ausbreiten, sobald ein Ökosystem geschwächt ist. „Wenn wir darauf achten, dass wir intakte Ökosysteme haben, sind die Gefahren zwar trotzdem da – aber doch weit geringer.“
„Arten werden komplett neu zusammengesetzt.“J. Habel,