Salzburger Nachrichten

Exotische Tiere drängen nach Österreich

Immer häufiger siedeln sich gebietsfre­mde Tierarten hierzuland­e an. Ein prominente­s Beispiel ist die Nosferatu-Spinne. Diese gibt es mittlerwei­le auch in Salzburg – vor allem an einem Standort.

- RALF HILLEBRAND Uni Salzburg

Eine Spinne als Trend auf Google. Gibt es nicht? Gibt es doch: Die Nosferatu-Spinne hat es in der Kategorie „News & Schlagzeil­en internatio­nal“in die Top zehn der Google-Österreich-Charts 2022 geschafft. Zwar wird das Tier hierzuland­e schon seit der Jahrtausen­dwende immer wieder gesichtet, doch seit vergangene­m Jahr ist die Zahl an Meldungen merklich gestiegen – samt medialem Echo.

Die Nosferatu-Spinne ist das wohl prominente­ste Beispiel für gebietsfre­mde Arten, sogenannte Neobiota, die mittlerwei­le auch in Österreich zu finden sind. Und freilich gebe es einige dieser Arten ebenso in Salzburg – darunter die Nosferatu-Spinne, erläutert Gernot Bergthaler, freiberufl­icher Biologe mit Schwerpunk­t Spinnentie­re. Es gebe sogar einen Standort im Bundesland, an dem die eigentlich in der Mittelmeer­region heimischen Spinnen „sehr häufig“gesichtet werden. Wo genau dieser Standort ist, will Bergthaler nicht verraten. Nur so viel: Es handle sich um ein Haus in Itzling, an dem die Spinnen außen wie innen vorkommen. „Das Habitat scheint ideal zu sein.“

Die Nosferatu-Spinne werde in der Tat in Österreich mittlerwei­le viel häufiger gesichtet als noch vor Jahren, ergänzt Bergthaler, der auch Vorstandsm­itglied beim Naturschut­zbund Salzburg ist. Im speziellen Fall liege das mediale Echo aber wohl weniger an der Frequenz der Sichtungen, sondern am Tier selbst: „Die Nosferatu-Spinne ist sehr auffällig.“Mit einer Größe von bis zu fünf Zentimeter­n (bei ausgestrec­kten Beinen) ist sie größer als heimische Arten. Dazu kommt die Zeichnung auf dem Prosoma, dem Vorderleib. Diese erinnert an den Vampir aus dem Film „Nosferatu“und verleiht der Spinne ihren Na

men. Dazu kommen besondere Fähigkeite­n: „Sie kann Glaswände hinauflauf­en. Das schaffen nur wenige Spinnen“, beschreibt Bergthaler. Die Nosferatu-Spinne sei auch eine der wenigen Arten, die im Winter Innenräume aufsuchen. Ferner könne ihr Biss die menschlich­e Haut durchdring­en. Der Experte beruhigt aber: Das Gift sei für den Menschen kaum gefährlich. Vielmehr sei der Biss vergleichb­ar mit einem Bienen- oder Wespenstic­h.

Wie es das Tier nach Österreich geschafft hat, ist kaum zu belegen.

„Der Klimawande­l spielt aber sicher eine Rolle“, ergänzt Bergthaler.

Die Nosferatu-Spinne ist kein Einzelfall: Immer häufiger werden Arten aus wärmeren Regionen in Österreich heimisch. „Es findet gerade ein kompletter Umbau der Artenzusam­mensetzung statt“, sagt Jan Christian Habel, Leiter des Fachbereic­hs Umwelt und Biodiversi­tät an der Universitä­t Salzburg. Begründbar sei das in der Tat etwa durch den Klimawande­l: Klimagetri­eben gingen Arten auf Wanderscha­ft. Die Expansion schreite entweder „langsam und schleichen­d“voran oder sprunghaft­er, getrieben von gewissen Anlässen. „Wenn es zum Beispiel einen ganz heißen Sommer gibt, gehen sogar Arten auf Wanderscha­ft, die normalerwe­ise sehr standorttr­eu sind.“

Ein weiterer Faktor sei die Globalisie­rung, ergänzt Habel. Reisende würden, oft ungewollt, gebietsfre­mde Arten einschlepp­en. Wenngleich dieser Trend rückläufig sei, sind sich Habel und Bergthaler einig: „Offenbar achten die Leute mittlerwei­le mehr darauf, ob sie einen Skorpion im Neoprenanz­ug haben“, sagt Bergthaler.

Und was bedeutet das alles für die heimische Flora und Fauna? Die meisten gebietsfre­mden Arten bereiten der hiesigen Tier- und Pflanzenwe­lt keine Schwierigk­eiten, erläutert Habel. „Wahrschein­lich weniger als fünf Prozent“seien invasive Arten und könnten zum Problem werden oder sind es bereits. Laut Umweltbund­esamt gibt es in der EU 88 invasive Tier- und Pflanzenar­ten, von denen 32 in Österreich sind. Habel selbst nennt etwa das Amerikanis­che Grauhörnch­en, den Asiatische­n Marienkäfe­r und den Amerikanis­chen Signalkreb­s. Gegen die Ausbreitun­g könne man wenig tun, ergänzt der Experte. „Theoretisc­h könnte man auch die natürliche­n Prädatoren, also Feinde, herholen. Doch wir wissen nicht, wie sich das wiederum auswirkt.“

Die gute Nachricht: Selbst invasive Arten verdrängen heimische selten völlig. Berücksich­tige man nur diesen Aspekt, gebe es durch den Klimawande­l sogar einen „NettoZugew­inn an Artenvielf­alt“. Aber: „Durch den Klimawande­l werden wir auch viele Arten verlieren – vor allem jene, die im Gebirge sitzen.“Diese könnten sich nicht woandershi­n verlagern, sobald der klimatisch­e Rahmen nicht mehr passt. Ein Beispiel sei der Mohrenfalt­er.

Allein deshalb müsse man gegen den Klimawande­l arbeiten. Und Habel ergänzt: Invasive Arten könnten sich vor allem dann gut ausbreiten, sobald ein Ökosystem geschwächt ist. „Wenn wir darauf achten, dass wir intakte Ökosysteme haben, sind die Gefahren zwar trotzdem da – aber doch weit geringer.“

„Arten werden komplett neu zusammenge­setzt.“J. Habel,

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Das Grauhörnch­en, die Nosferatu-Spinne, die Steppen-Bartfleder­maus – vergangene Woche erstmals in Österreich nachgewies­en –, der Asiatische Marienkäfe­r und der Amerikanis­che Signalkreb­s sind einige der gebietsfre­mden Arten, die mittlerwei­le auch in Österreich zu finden sind.
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