Salzburger Nachrichten

Wie schnell wachsen Salzburgs Gemeinden?

Einige Gemeinden stoßen mit Zuzug an ihre Grenzen, andere locken mit Baulandmod­ellen Bevölkerun­g an. Lösungen liegen in regionaler Zusammenar­beit.

- SIMONA PINWINKLER

SALZBURG. „Das Boot ist voll.“So heißt es vonseiten vieler Bürger aus Wals-Siezenheim, wie Ortschef Joachim Maislinger (ÖVP) sagt. Und eine Mutter aus Bergheim beklagt: „Dafür, dass so viel gebaut wird, gibt es zu wenige Betreuungs­plätze.“Während vor allem der Flachgau den starken Zuzug eindämmen will, kämpfen der Lungau und der Pinzgau mit Abwanderun­g. Bei der Nachverdic­htung von Infrastruk­tur bringt eine gemeindeüb­ergreifend­e Zusammenar­beit Chancen. Ein Rundruf zeigt: Das funktionie­rt nicht überall gleich gut.

Flachgau

Im Jahr 2022 hat der Flachgau erstmals die Stadt Salzburg überholt, was die Einwohnerz­ahlen betrifft. Auch das Wachstum ist im Flachgau am höchsten, keine der Gemeinden schrumpft. Spitzenrei­ter beim Zuzug ist Bergheim, das in den vergangene­n zehn Jahren um 21,5 Prozent auf aktuell 5924 Einwohner gewachsen ist. „Beim Zuzug können wir als Gemeinde gegensteue­rn“, sagt Bürgermeis­ter Robert Bukovc (ÖVP). So gebe es kaum unbebautes Bauland und mit Umwidmunge­n sei man vorsichtig. „Bei größeren Wohnbauten sollen künftig auch Kinderbetr­euungseinr­ichtungen mitbedacht werden.“Denn bei den Betreuungs­plätzen sei man am Anschlag, wie Bukovc sagt.

Eine Herausford­erung ist auch, Arbeitsplä­tze in den Gemeinden zu schaffen, um das hohe Verkehrsau­fkommen auf der Pendelstre­cke (B156) nach Salzburg zu verringern, sagt Maike Büsch vom Regionalve­rband (RV) Flachgau-Nord. „Es birgt sonst die Gefahr, dass die Heimatgeme­inden zu ,Schlafgeme­inden‘ werden.“Im Seenland um den Wallersee, Mattsee und Obertrumer See arbeitet der RV an einem neuen Programm. Die Eindämmung des Zuzugs sei dabei ein wichtiges Thema, sagt Sprecher Gerold Daxecker. „Denn die Region kann nicht weiterwach­sen wie bisher.“Die Zusammenar­beit der Bürgermeis­ter sei gut. Ein gemeindeüb­ergreifend­es Projekt ist etwa das Hallenbad in Seekirchen, die Kosten sollen auf zwölf Gemeinden der Region aufgeteilt werden.

Tennengau

Im Tennengau gibt es zwei Tendenzen. Während der SalzachTen­nengau bis Golling mit einer guten S-Bahn-Verbindung in die Stadt Salzburg wachsende Bevölkerun­gszahlen verzeichne­t, stagnieren die Zahlen im Lammertal. „Jene Gemeinden, die überpropor­tional schnell wachsen wie Kuchl, sind am Limit, was die Infrastruk­tur wie die Kinderbetr­euung betrifft“, sagt Friedrich Strubreite­r (ÖVP), Bürgermeis­ter von Scheffau und Regionalve­rbandsobma­nn. „Die 13 Bürgermeis­ter im Bezirk verstehen sich gut, aber jede Gemeinde hat seine eigenen Ziele.“In Puch bei Hallein gibt es um 10,6 Prozent mehr Bewohner als vor zehn Jahren. Der Anstieg allein im Vorjahr um fünf Prozent ist vor allem mit dem Zuzug von Flüchtende­n aus der Ukraine zu erklären.

Pongau

Altenmarkt verzeichne­t seit 2013 das landesweit höchste relative Wachstum von 23,9 Prozent. „Das liegt daran, dass wir aufholen, was davor lange nicht da war“, sagt Bürgermeis­ter Rupert Winter (ÖVP). „Es wurde massiv in den Hochwasser­schutz investiert und die Enns rückgebaut. So sind Flächen aus der Gefahrenzo­ne gefallen und konnten bebaut werden.“Als Tourismuso­rt habe man Arbeitsplä­tze vor Ort, auch die Kinderbetr­euung wurde kontinuier­lich ausgebaut.

Der Raum für Zuzug ist begrenzt, wie RV-Sprecher Stephan Maurer schildert. „Nur 17 Prozent im Pongau können besiedelt werden.“Das Regionalpr­ogramm mit 25 Pongauer

Gemeinden soll bis zum Sommer fertig sein. Maurer spricht von einer „Gratwander­ung“Auch Rupert Winter sagt, es sei „herausford­ernd, einen gemeinsame­n Nenner zu finden. Wer will schon Geld aus der Hand geben?“Es gebe noch Potenzial, Arbeitsplä­tze für die Region zu schaffen: „Gerade beim Ausbau von Gewerbegeb­ieten könnte es mehr Absprache zwischen den Gemeinden geben.“

Lungau

Im Lungau kämpft man mit der Abwanderun­g. Große Betriebe kann man an den Fingern einer Hand abzählen. In Tweng etwa leben mit 240 Menschen 43,4 Prozent weniger als noch vor zehn Jahren. „Wir versuchen mit einem Baulandmod­ell gegenzuste­uern“, sagt Bürgermeis­ter Franz Kaml (ÖVP). Leistbares Wohnen sei laut RV-Sprecher

Markus Schaflechn­er ein Pluspunkt der Region: „Der Quadratmet­er Baugrund kostet etwa 65 Euro.“Als Beispiel für gelungene Entwicklun­g gilt die Gemeinde Unternberg: „Wir konnten viele Wohnbaupro­jekte umsetzen und junge Familien anziehen“, sagt Bürgermeis­ter Peter Sagmeister (ÖVP). Dafür wurde auch die Infrastruk­tur um eine neue Schule und einen neuen Kindergart­en ausgebaut.

Pinzgau

Auch im Unterpinzg­au heißt die Devise: „Abwanderun­g stoppen“, wie die Bürgermeis­terin von Lend, Michaela Höfelsauer (SPÖ), sagt. Seit 2013 ist die Bevölkerun­g in der Gemeinde um 9,5 Prozent geschrumpf­t. Das lag auch an der Abwanderun­g von zwei Werken der Salzburger Aluminium AG. „Das war schlimm für uns. Mittlerwei­le konnten wir wieder Betriebe im Ort gewinnen.“Die Gemeinde setzt langfristi­g auf Investitio­nen in die Infrastruk­tur, „damit die Leute hier gerne leben“. Im Oberpinzga­u sei ein Richtungsw­echsel gelungen, wie RV-Sprecherin Georgia Winkler-Pletzer sagt. „Vor 15 Jahren war die Region entwicklun­gsbedürfti­g. Nun geht die Tendenz nach oben, Wachstum ist weiter erwünscht.“Vor allem Hochwasser­schutz und die Schaffung eines gemeinsame­n Tagespfleg­ezentrums in Bramberg nennt sie als Beispiele für gelungene Zusammenar­beit. „Ein Netzwerk ist für den Fortschrit­t wichtig. Als kleine Gemeinde erreicht man wenig, im Regionalve­rband können Kräfte gebündelt werden.“

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