„Es kann nicht alles in einer Gemeinde geben“
Wie viel Wachstum ist sinnvoll? Der Sozialgeograf Andreas Koch von der Universität Salzburg spricht sich für mehr Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden aus.
SN: Wie wichtig ist Bevölkerungswachstum für die Gemeinden?
Andreas Koch: Das Thema Wachstum ist zwiespältig. Gemeinden sind von den Ertragsanteilen aus dem Bund abhängig, die sich auch über die Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner errechnen. In den meisten Gemeindekassen machen diese Erträge 40 Prozent der Gesamteinnahmen aus. Der Wettbewerb, der dadurch entsteht, ist jedoch schädlich, denn nicht alle Gemeinden können diesen Wachstumsdruck bewältigen.
SN: Wachstum hat nicht nur Vorteile, viele Gemeinden stehen vor Herausforderungen.
Richtig, mit steigenden Bevölkerungszahlen muss auch die Infrastruktur – öffentlicher Verkehr, Kinderbetreuung, Pflege, Wasserversorgung – nachgerüstet werden. Dazu braucht es auch Flächen für Wohnraum, der gerade in Regionen wie im Flachgau rar ist. Und es ergibt Sinn, dass einige Gemeinden mehr wachsen als andere.
SN: Welche betrifft das in Salzburg?
Es ist sinnvoll, dass etwa entlang der Lokalbahn im Flachgau oder Tennengau nachverdichtet wird, also dort, wo die Infrastruktur gegeben ist. Jede Gemeinde hat die rechtliche Hoheit über die Bebauung, aber es wäre zielführend, dass hier im Rahmen der Regionalplanung noch mehr zusammengearbeitet wird. Es braucht ein Konzept, das über die Gemeindegrenzen hinausreicht und rechtlich bindend ist. Die Regionalverbände sind bemüht, aber vielerorts wird zu wenig mit den Nachbargemeinden gesprochen.
SN: Was könnte interkommunal besser geregelt werden?
In manchen Gemeinden stehen Wohnungen leer, während im Nachbarort große Wohnanlagen entstehen. Das ergibt keinen Sinn, auch im Sinne der Nachhaltigkeit. Man sollte sich als Region die Fragen stellen: Wie stark und wie schnell soll welche Gemeinde wachsen? Welche Art von Einwohner wollen wir anziehen? Wie können die Menschen nahräumlich wohnen, arbeiten und leben? Und man soll auch nicht blauäugig sein. Es kann nicht alles in einer Gemeinde geben, gerade viele Junge sind mobil und es zieht sie in Städte.
SN: Manche wachstumsstarke Gemeinden legen sich Grenzen wie 1 oder 1,5 Prozent Wachstum pro Jahr auf. Wie sinnvoll ist das?
Laut Prognosen soll die Bevölkerung im Land noch bis 2030 wachsen, dann geht die Entwicklung zurück oder pendelt sich ein. Insofern ergibt es keinen Sinn, jetzt 1 Prozent Wachstum anzustreben, es braucht langfristige Pläne. Außerdem gibt es Entwicklungen, die man schwer beeinflussen kann. Zum einen wird die Bevölkerung immer älter, auch Migration und Fluchtbewegungen können zwischenzeitlich für mehr prozentuelles Wachstum sorgen. Dann stellen sich neue Fragen: Wie können diese integriert werden, gibt es genügend Arbeits- und Kinderbetreuungsplätze? Und hat man überhaupt das Personal, um auf diese Bedürfnisse einzugehen?