Der Einmischer
Seine Mutter hielt sich aus der Politik stets heraus. Charles III. legt seine Rolle anders an – und will vor dem Deutschen Bundestag sprechen.
Insgesamt hat Königin Elizabeth II. im Laufe ihrer 70 Jahre andauernden Regentschaft mehr als 1,5 Millionen Kilometer zurückgelegt und 117 Länder bereist. Es ist ein Rekord. König Charles’ III. Auslandsreisemeilenkonto steht bislang noch bei null. Das wird sich allerdings in einigen Tagen ändern. Seine ersten Staatsbesuche sollten Charles und Camilla eigentlich über den Ärmelkanal zunächst nach Frankreich und dann nach Deutschland führen. Eigentlich.
Denn wegen der anhaltenden, teils gewaltsamen Proteste gegen die geplante Pensionsreform musste der Monarch seine Reise nach Paris verschieben. Die Entscheidung hätten die französische und die britische Regierung nach einem Telefonat am Freitagmorgen gemeinsam getroffen. Es solle möglich sein, König Charles III. unter den Bedingungen zu empfangen, die Freundschaftsbeziehungen entsprächen, hieß es vonseiten des Élysée-Palasts.
Der Trip nach Deutschland soll nach Angaben des Bundespräsidialamts in Berlin hingegen wie geplant kommende Woche vom 29. bis zum 31. März stattfinden. Damit ist Deutschland nun das erste Land, das der Monarch gemeinsam mit seiner Frau besucht. Mit Stationen in Berlin und Hamburg steht den beiden Royals ein straffes Programm bevor. So ist unter anderem eine Rede im Bundestag geplant sowie eine Bootsfahrt im Hamburger Hafen. Zentrale Themen sind die gemeinsame Geschichte, Klimaschutz und Nachhaltigkeit.
Dass König Charles III. ausgerechnet nach Deutschland reist, ist eine strategische Entscheidung. „Es offenbart das starke Bemühen von Premierminister Rishi Sunak, bessere Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU aufzubauen, eine Beziehung, die durch den Brexit
stark beschädigt wurde“, erklärte Pauline MacLaran, Royal-Expertin an der Royal-Holloway-Universität, gegenüber den SN. Schließlich spielen die Royals als öffentliche Diplomaten gerade im königshausbegeisterten Deutschland eine große Rolle, aber eben ohne politisch zu sein.
MacLaran betont außerdem, dass Charles III. im Rahmen seines Staatsbesuchs einen anderen Ton anschlagen wird als seine Mutter. „Er wird versuchen, für die Themen zu begeistern, die ihm am Herzen liegen“– insbesondere für den Umweltschutz. Es sei zu erwarten, dass der König seine Interessen dabei deutlich zum Ausdruck bringen werde. „Damit unterscheidet er sich von Elizabeth II., die darauf achtete, niemals ihre eigene Meinung zu offenbaren.“
Charles hatte zusammen mit seiner Frau Deutschland zuletzt im Herbst 2020 besucht. Damals hielt er inmitten der Coronapandemie beim zentralen Gedenken zum Volkstrauertag im Bundestag eine Rede, in der er die tiefe Partnerschaft zwischen Großbritannien und Deutschland beschwor. „Gemeinsam sind wir eine unverzichtbare Kraft für das Gute in der Welt“, sagte der damalige Prinz Charles. Wie damals könnte er auch dieses Mal seine Rede im Bundestag teilweise auf Deutsch halten.
Während Deutschland dem Besuch von König Charles III. mit großer Vorfreude entgegenblickt, müssen sich Länder wie Australien, Kanada und Neuseeland oder auch Nationen in der Karibik noch gedulden. Dem Commonwealth gehören 56 Staaten an, von denen 15 den britischen Monarchen als Staatsoberhaupt haben.
Der australische Journalist Hugh Whitfeld hält es für wichtig, dass Charles und Camilla auch diese Länder bald bereisen.
Nach dem Tod von Queen Elizabeth II. wurden in Down Under die Stimmen lauter, die fordern, dass das Land den britischen König als offizielles Staatsoberhaupt absetzen soll. Kürzlich wurde bekannt, dass künftig weder die Queen noch Charles auf den Fünf-Dollar-Noten zu sehen sein werden. „Ein Besuch in Australien ist somit ein zweischneidiges Schwert“, so Whitfeld. „Aber wenn Charles III. am Commonwealth festhalten will, müssen sie kommen“, ist er überzeugt. „Um zu zeigen, dass sie Wert auf diese Länder legen.“