Zwei, die gemeinsam hoch hinaufwollen
Marlies und Andi waren erst nur Bergkameraden und haben sich irgendwann ineinander verliebt. Die Berge stehen immer noch im Fokus.
Wohin geht die nächste Reise? „Meistens wissen wir das ja selbst noch nicht“, sagt Marlies Czerny und grinst ihren Freund Andi Lattner von der Seite an. Für unser Interview per Video haben es sich die beiden in der Wohnung von Marlies’ Schwester in der Schweiz gemütlich gemacht. „Da ist das Internet besser“, sagt Andi. Auf dem Parkplatz vor dem Haus steht das Wohnmobil der beiden – ihr Hauptwohnsitz seit 2019. „Wir haben aus unserer Wohnung rausmüssen und wohnen seither auf acht Quadratmetern. Wir sind total glücklich darüber“, erzählt Marlies.
Andi und sie kennen einander vom Sehen seit ihrer Schulzeit. „Wir sind zwei Traunviertler und beide in Steyr in die Schule gegangen“, erzählt der 38-jährige Andi. „Er ist mir aber im Bus nie aufgefallen“, sagt die um zwei Jahre jüngere Marlies und lacht.
Als Ausgleich zu ihren Jobs – Marlies arbeitete als Journalistin, Andi in einer Firma, die Schutzausrüstung für Industriekletterer herstellt – schlossen sich beide 2009 einer bunt zusammengewürfelten jungen Wander- und Klettertruppe an. Fast jeden Freitag marschierten sie dabei von Hinterstoder aus auf das Prielschutzhaus – mit anschließendem Stammtischabend und Übernachtung oben. „Manchmal sind wir am nächsten Tag oben noch klettern gegangen. Das war schon eine coole Zeit“, erzählt Marlies. Sie sind zwei von vielen – „manchmal waren zehn Leute dabei, manchmal waren es auch 40“, so Marlies. Die beiden freundeten sich an, gingen hin und wieder auch nur zu zweit auf den Berg. „Irgendwann hab ich mir dann schon auch mal gedacht, dass sie ja echt ganz cool ist“, erzählt Andi. Also habe er sie nach einer Bergtour auf der Wiese vor der Hütte liegend einfach geküsst. „Und ich dachte: ,Wow, was tut der da?‘“, erzählt Marlies. Bis die beiden dann 2015 wirklich ein Paar wurden, sei es ein längerer Prozess gewesen. „Aber ab da sind wir dann wirklich fast immer gemeinsam losgezogen, auf nahe Berge – und auch zu immer größeren Unternehmungen aufgebrochen“, sagt Andi. Binnen sechs Jahren bestieg Marlies, so schreibt sie auf der gemeinsamen Homepage hochzwei.media, alle 82 Viertausender der Alpen. „Wir verstehen uns in der Seilschaft blind, wir müssen uns nicht absprechen, darum trauen wir uns gemeinsam an viel schwerere Touren heran“, sagt Andi.
Die erste gemeinsame Expedition von inzwischen vielen führte das Paar nach Nepal. Marlies schreibt für Bergmagazine Reportagen, Andi sorgt für Fotos und die grafische Gestaltung. „Immer Urlaub nehmen zu müssen war mühsam. Also haben wir im Job Stunden reduziert und irgendwann gekündigt, um uns ganz selbstständig zu machen.“Bei ihren Reisezielen gehe es nicht immer um das Höher oder Weiter: „Wir begeistern uns genauso für Touren, die direkt vor der Wohnmobiltür starten.“
Als sie 2019 ihre gemeinsame Wohnung in Windischgarsten wegen Eigenbedarfs des Vermieters aufgeben mussten, „standen wir vielleicht zehn Sekunden lang unter Schock, haben uns angeschaut, angegrinst und dann war für uns klar: Wir kaufen uns ein Wohnmobil.“Von den vielen gemeinsamen Nächten in Zelten auf ihren Expeditionen hätten ja beide gewusst, „dass wir es auf ganz engem Raum auch miteinander aushalten“.
Der Umzug ins Wohnmobil konnte ihnen dann auch gar nicht schnell genug gehen: Statt nach drei Monaten zogen die beiden schon nach einem Monat aus der Wohnung aus, stellten bei den Eltern am Dachboden unter, was sie vielleicht doch eines Tages wieder brauchen könnten, reduzierten, wo es ging, verschenkten Kleidung und Möbel und kauften sich einen Van, in dem sie nun leben und arbeiten.
Privatsphäre? „Wenn man die Entscheidung trifft, gemeinsam in einem Wohnmobil zu leben, dann stellt sich die Frage nach einer Privatsphäre nicht“, sagt Andi. „Man muss schon tolerant sein auf so engem Raum“, meint Marlies dazu.
Es sei schon ein großes Glück, dass sich die beiden gefunden hätten, so gut zusammenpassen und miteinander auskommen würden, findet Marlies, auch eine Familie zu gründen sei Thema. „Aber wir machen nicht gern Pläne. Wenn wir bei unseren Expeditionsvorträgen (Anm.: am 13. April auch in Mondsee) gefragt werden, wohin die nächste Reise geht, nervt uns das eher. Wir nehmen uns die Freiheit, wirklich keinen Plan zu haben.“