Beuschel, Blunzn, Hirn mit Ei
Was wird in einem typischen Wirtshaus in Niederösterreich aufgetischt? Die SN gingen im Weinviertel auf kulinarische Faktensuche.
In Niederösterreich soll eine angekündigte Wirtshausprämie für all jene Gaststätten kommen, die ein „traditionelles und regionales Speisenangebot“haben. Harald Pollak, Haubenkoch und Chef des Retzbacherhofs in Unterretzbach, versucht sich diesen Begrifflichkeiten anzunähern: „Die Frage ist, was ist die Region? Hört sie zwei Ortschaften weiter auf oder meine ich damit ganz Österreich? Das definiert jeder anders.“
Pollak ist im nördlichen Weinviertel daheim. „Die Küche hier ist durchaus auch eine fleischlose. Hier gibt es Hülsenfrüchte, ich bin mit Linsen und Bohnen aufgewachsen. Im Retzer Land ist der Einfluss aus Böhmen mit seinen typischen Mehlspeisen groß.“Man unterscheide zwischen Alltags- und Feiertagsküche: Schweinsbraten am Wochenende stehe hoch im Kurs. Innereien ebenfalls. Für Pollak ist die Weinviertler Kulinarik „sehr schmackhaft, vielschichtig und bodenständig. Wir haben kaum Rindviecher, dafür ist das Schwein präsent.“Und die Saisonen versucht er hochzuhalten. Was gerade nicht wächst, gibt es nicht. Im Winter halt eher Eingelegtes. Vieles komme aus dem Boden. Bestes Beispiel: der Kürbis, längst ein Markenzeichen des Weinviertels. Kraut auch.
Im Retzbacherhof werden Klassiker kredenzt: Rinds- oder Bärlauchsuppe, Grammelknödel, Hirn mit Ei, Wiener Schnitzel vom Schwein, Backhendl, Cordon bleu, Rindsroulade, Kalbsnieren, Tagesfisch aus dem Nachbarteich. Typisch für das Weinviertel sind Gerichte aus saisonalen Produkten wie Marille, Spargel und Kürbis. Nicht zu vergessen: die Blunzn. Auch sehr beliebt: Hase, Reh, Fasan. Und Beuschel.
Was die angekündigte Wirtshausprämie betrifft, so bleibt Pollak zurückhaltend: „Ich weiß nicht, wie das in der Praxis durchführbar ist. Kommt drauf an, wie groß der Anreiz ist.“Er weist darauf hin, dass es in seiner Küche auch Einflüsse gebe, die nichts mit der Region zu tun hätten. Bananen-MascarponeMousse. Oder Matjes mit Roter Rübe, Erdnuss und Wasabi. „Ist das regional?“, fragt Pollak. Zu besonderen Anlässen bietet er im Retzbacherhof auch Steaks aus Argentinien
an. „Wichtig ist, dass der Gast weiß, woher ich meine Produkte habe. Und er erwartet, dass Leberknödel und Frittaten selbst gemacht sind; die Rindsuppe nicht zugekauft ist. Das setze ich voraus. Wir sind Handwerker, darum geht’s.“
Handwerker vom Schlage Pollaks gibt es in Niederösterreich 196. So viele Mitglieder zählt der Verein „NÖ Wirtshauskultur“, den es seit 1994 gibt. Und der Haubenkoch aus Unterretzbach ist ihr Obmann. „Es ist einfach schön, dieselben Werte und dieselbe Philosophie zu teilen.“Alle Betriebe werden regelmäßig und anonym kontrolliert. Traditionsbewusstsein sei schon wichtig. „Aber wir versuchen immer, den Zeitgeist zu treffen. Gastronomie entwickelt sich ständig weiter.“
Insgesamt sieht die Situation in Niederösterreich jedoch alles andere als rosig aus: Laut Wirtschaftskammer ist die Zahl der Gasthäuser in den vergangenen 20 Jahren um ein Drittel gesunken. Von 2800 im Jahr 2000 blieben 2022 noch 1800 übrig.
Auch in Tirol haben viele Wirte zugesperrt. Deshalb hat man dort 2018 versucht gegenzusteuern. Neben einer Investitionsförderung gibt es eine Wirtshausprämie. Sie beträgt einmalig (bis zu) 20.000 Euro und setzt unter anderem ein traditionelles regionales Speisen- und Getränkeangebot voraus. Auf SNNachfrage hieß es aus der Tiroler Landesregierung: „Zur Beurteilung (...) gibt es keine speziellen Richtlinien.“