Tourismus sucht Wege aus der Personalnot
Die Wintersaison neigt sich dem Ende zu, die Lücke im Personal bleibt. Möglichkeiten, das zu ändern, gäbe es viele.
Der Salzburger Pongau ist ein Beispiel dafür, wie sehr eine Region vom Tourismus abhängig sein kann und von ihm lebt. „Von zehn Arbeitsplätzen hängen sieben an der Branche“, erklärt Thomas Burgstaller von der AMS-Bezirksstelle in Bischofshofen. Von insgesamt 40.000 Beschäftigten arbeiten 8000 direkt im Tourismus. Dabei gestaltet sich die Suche nach Personal für die Schlüsselbranche immer schwieriger. Hätten in vergangenen Krisen Produktionsbetriebe Personal freigesetzt, das der Tourismus aufgefangen habe, suchten nun alle nach Arbeitskräften, so der AMSChef. „So hatten wir das noch nie.“
An die 700 Stellen im Tourismus konnten in der heurigen Wintersaison nicht besetzt werden. Übers ganze Jahr hinweg verzeichnet das AMS im Pongau mittlerweile durchgehend 1000 offene Stellen in der Branche. Dazu komme eine hohe Dynamik bei den Arbeitskräften, erklärt Burgstaller. „Wir haben hier 9000 Bewegungen im Jahr.“An die 2000 Personen wechselten innerhalb der Branche den Arbeitgeber, 4000 gingen zwischendurch in die Arbeitslosigkeit. 200 Arbeitslose verzeichnete man zuletzt selbst in der Hochsaison. Hauptgründe dafür: fehlende Kinderbetreuung oder eingeschränkte Mobilität.
Der Branchensprecher in der Wirtschaftskammer Österreich, Robert Seeber, spricht von 30.000 Arbeitsplätzen, die österreichweit in den Tourismusbetrieben nicht besetzt werden können. Dabei beschäftigt man mehr Personal als vor der Coronakrise. Im Februar zählte man zuletzt rund 234.000 Arbeitskräfte, ein Plus von 7,5 Prozent.
Schwer in ein Bild zu fassen sind die Angaben zur Teilzeit in der Branche. Laut Tourismusstaatssekretariat liegt die Teilzeitquote bei den Angestellten in Beherbergung und Gastronomie bei 21,5 Prozent, Branchensprecher Seeber geht insgesamt von 45 Prozent aus. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten sei weiblich, „es braucht mehr Vollzeit“,
betont er. AMS-Chef Burgstaller sieht in seiner Region keinen generellen Trend zur Teilzeit. „Die Suchenden wollen durch die Bank Vollzeitstellen.“Dringend gebraucht würde für im Tourismus Beschäftigte auch Kinderbetreuung am Wochenende.
Für den Wifo-Experten Oliver Fritz zeichnet sich der touristische Arbeitsmarkt durch drei Besonderheiten aus: Saisonalität, hohe Fluktuation und besonders viele junge Arbeitskräfte. Der Tourismus habe einen überdurchschnittlich hohen Personalanteil an 20- bis 40-Jährigen, bei der Beschäftigung ab 50 zeigten sich dagegen erhebliche Probleme, „ab 55 gehen die Zahlen überhaupt in den Keller“, so Fritz. Gleichzeitig habe man in der Coronapandemie ein Jahr in der Lehrlingsausbildung verloren.
Die demografische Entwicklung ist für ihn deshalb einer der wichtigsten Gründe für den Arbeitskräftemangel, wobei, so Fritz, es keine allgemein gültige Definition dafür gebe, „häufig ist es eine Einschätzung aus Unternehmensbefragungen“. Zu unterscheiden gelte es jedenfalls zwischen einem Fachkräftemangel, weil es zu wenig passende Arbeitskräfte gibt, und einem Stellenbesetzungsproblem, weil es weniger Bewerbungen gibt und die Suche nach Personal daher länger dauert.
Um das inländische Arbeitskräftepotenzial gesamtwirtschaftlich zu heben, sieht der Ökonom drei Möglichkeiten: Etwa 360.000 Beschäftigte mehr könnten bei den älteren Arbeitskräften mobilisiert werden, weitere 84.000 in der stillen Reserve der Nicht-Erwerbspersonen. Und durch weniger Teilzeitbeschäftigung könnte man an die 234.000 Arbeitskräfte gewinnen.
Für letztere Möglichkeit sieht auch Fritz „Kinderbetreuung als die absolut notwendige Bedingung“.
Mehr Arbeitskräfte könnte man freilich auch aus dem Ausland holen. Wobei die Quote in den Tourismusbetrieben bereits hoch ist. Im Pongau liegt in der Wintersaison der Anteil der ausländischen Beschäftigten bei mittlerweile 63 Prozent. Und das Saisonnierskontingent für Arbeitskräfte aus Drittstaaten wurde zuletzt auf österreichweit 3000 Plätze kräftig ausgeweitet. Im Vergleich zur Vergangenheit ist das eine Verdreifachung – und ist scheinbar noch nicht genug. Das AMS im Pongau konnte heuer 600 Ansuchen genehmigen, „100 musste ich ablehnen“, erklärt Burgstaller.
Bleibt der Branche noch, innovativer in der Ausbildung zu werden. In Salzburg etwa zeigt die zweijährige Tourismusakademie erste Erfolge. In der verkürzten Erwachsenenlehre werden Hilfskräfte zu Fachkräften wie Kellnern und Köchen höherqualifiziert. Für den nächsten Turnus gebe es bereits 34 Anmeldungen. „Wir sind voll“, so der Salzburger Branchensprecher Albert
Ebner. Er setzt auch auf Rückkehrer in die Branche, „wir müssen auch die abholen, die wiederkommen“. Tourismusarbeit werde spannender, alle Betriebe stellten sich auf neue Wege und Arbeitszeiten ein.
Im Pongauer Urlaubsort Großarl mit zwei Fünf- und 19 Viersternehotels setzt man mit einer eigenen Lehrlingsakademie auf Fortbildung und auch mehr Gehalt. Die aktuell neun Mitgliedsbetriebe zahlen im ersten Lehrjahr 110 Euro netto über kollektiv, bis zum vierten Lehrjahr sind es 170 Euro netto mehr. 22 Lehrlinge bildet derzeit allein das Fünfsternehaus Edelweiss aus, acht neue habe man in der Pipeline, sagt Chefin Karin Hettegger.
Begehrt ist Nachwuchs auch in den Reisebüros. In der Pandemie ist die Mitarbeiterzahl von 10.000 auf 8000 gesunken, „brauchen würden wir 9000“, sagt Branchensprecher Gregor Kadanka, das Geschäft boome wieder. Positiv stimmt der Andrang an den Berufsschulen, „wir hatten im Jänner im Vergleich zu 2020 um 55 Prozent mehr Schüler“, so Kadanka. Mit der FH Wien arbeite man nun an einem Bachelor.