Die Sommerzeit steht vor der Tür
In der Nacht auf Sonntag werden die Uhren um zwei Uhr früh eine Stunde vorgestellt. Dass damit Energie gespart werden kann, ist umstritten.
Die Zeit steht still, verrinnt – oder wird einem gar gestohlen. Letzteres ist in der Nacht auf Sonntag buchstäblich der Fall, wenn mit Beginn der Sommerzeit die Uhren um eine Stunde vorgestellt werden. Das kann Auswirkungen auf unsere körperliche Verfassung haben. Umfragen zeigen, dass jede vierte Person bereits Probleme damit hatte – zumeist Müdigkeit und Abgeschlagenheit, gefolgt von Schlafstörungen und Konzentrationsschwierigkeiten.
Für den Philosophen Leo Hemetsberger löst die Umstellung auf die Sommerzeit bei Menschen zumindest eine „Irritation“, mitunter auch eine „leichte Erschütterung“aus. Menschen reagierten sensibel auf Zeitveränderungen. Dazu ist es gut, einen Blick auf die drei Formen von Zeit zu werfen: Da ist zum einen die äußere Zeiteinteilung, etwa durch Messinstrumente, ob Sandoder Atomuhr oder auch einen Kalender. Dazu kommt zweitens die innere Zeit, das subjektive Zeitempfinden. „Zeit ist etwas, das in Bewegung ist, ein Fluss von Ereignissen, der stattfindet“, sagt Hemetsberger. So kann es sich in die Länge ziehen, wenn man beim Arzt zehn Minuten warten muss, während der dreißigminütige Termin zu schnell vorbei ist. „Wir legen zudem Hoffnungen und Befürchtungen in zukünftige Zeiten und verändern Bewertungen von Vergangenem. In der Fantasie kennt Zeit keine Grenzen.“
Die dritte Form ist die „menschliche Zeit“, worauf Hemetsberger hinweist. Das kann die Geschichte der eigenen Familie sein, mit Fixpunkten, die stattgefunden haben – wenn etwa ein Kind geboren wird. „Wir sind in viele soziale Zusammenhänge eingebettet. Der Mensch vertraut auf ein bestimmtes Maß an sozialer Kontinuität.“Dazu gehört beispielsweise, wie lange Geschäfte geöffnet haben oder dass jemand zu einer ausgemachten Zeit anruft.
„Die willkürliche Zeitverschiebung geht den Menschen auf die Nerven, weil sie aus ihren Gewohnheiten gerissen werden“, sagt Philosoph Hemetsberger. Zudem sei erwiesen, dass die ursprüngliche Annahme, damit Energie zu sparen, nicht zutrifft. „Und ich sage es boshaft: Wenn wir weiter so lange brauchen, diesen Unsinn abzuschaffen, dann fragen sich die Menschen zu Recht, wie lange wir brauchen, um das dringend notwendige Ziel der Klimawende zu schaffen.“
Es gibt kaum Belege, dass durch die Umstellung auf Sommerzeit Energiekosten eingespart würden. Wien Energie verweist darauf, dass nur etwa zwei Prozent der Gesamtenergie in Haushalten für Licht aufgewendet werden. Der Großteil davon fließt nach Angaben des deutschen Umweltbundesamts (UBA) ins Heizen. Das heißt, dass zwar an hellen Sommerabenden weniger oft das Licht aufgedreht wird, dafür durch das frühe Aufstehen in den kühleren Morgenstunden im Frühling und im Herbst aber mehr geheizt wird. Eine neue Studie aus der Schweiz zeigt allerdings, dass die Sommerzeit Strom sparen würde. Laut der Eidgenössischen Materialprüfungsund Forschungsanstalt liegt der Grund bei Klimaanlagen. Durch die Zeitumstellung würden Angestellte das Büro eine Stunde früher verlassen. Da der größte Teil der Kühlleistung am späteren Nachmittag anfalle, könne Energie gespart werden – im Schnitt 3 Prozent.
Fakt ist, dass auch weiterhin kein Ende der Uhrenumstellung in Sicht ist. Viele Uhren machen den „Zeitsprung“automatisch – aber nicht alle. Daher wird der Salzburger Turmuhrmacher Michael Neureiter die Uhren in der Universitätsaula und im Turmhaus von Schloss Kleßheim händisch umstellen. „Ich brauche die Werke nur eine Stunde vorlaufen lassen. Dazu genügen ein Besuch beim Werk und ein Vorstellen von Hand“, erklärt Neureiter.