Salzburger Nachrichten

Das Werk des Brillat-Savarin

Die Enthüllung der „Geheimtink­tur“. Die Kochkunst wurde Jahrtausen­de von den Mächtigen wie eine Geheimwiss­enschaft behandelt. Vor 200 Jahren brachte ein Richter Licht in die Sache.

- PETER GNAIGER

Nach der Etablierun­g der Restaurant­s im ausgehende­n 18. Jahrhunder­t veränderte sich die Kochkunst radikal. War diese bis dahin noch den Mächtigen in ihren Schlössern und sakralen Palästen vorbehalte­n, kam dieses Wissen im Zuge der Aufklärung nun in „abgespeckt­er“Form den einfachen Leute zugute. Die Zeiten, als außergewöh­nlich gutes Essen ein taugliches Mittel zur Abgrenzung der Oberschich­t von ihren Untertanen war, neigten sich dem Ende zu.

Eine Verbreitun­g dieses Wissens war bis zur Französisc­hen Revolution nicht gewünscht. Obwohl es immer wieder Gelehrte gab, die „Küchengehe­imnisse“der Oberschich­t öffentlich machten. Ein besonders interessan­ter Vertreter war diesbezügl­ich der Humanist und Präfekt der Vatikanisc­hen Bibliothek Bartolomeo Platina (1421–1481). Dieser veröffentl­ichte 1474 in Venedig das Kochbuch „De honesta voluptate et valetudine“(dt. „Von der anständige­n Wolllüstig­keit“), das als erstes Kochbuch der Renaissanc­e gilt, was den Kirchenfür­sten offenbar sauer aufgestoße­n sein soll. Ebenso wie die Behauptung in seiner von Papst Sixtus VI. in Auftrag gegebenen Papst-Chronik aus dem Jahr 1479: dass nämlich Papst Johannes VIII. in Wahrheit eine Frau namens Johanna gewesen sei.

Ein weiterer Verfechter der modernen Kochkunst für jedermann war der Richter Jean-Anthelme Brillat-Savarin (1744–1826). Er soll 25 Jahre lang an seinem Lebenswerk „Physiologi­e du Goût“(dt.: „Physiologi­e des Geschmacks“) geschriebe­n haben.

Darin beschreibt er die Zubereitun­g exquisiter Speisen, aber auch Theorien, wie Tafelfreud­en zu einer Lehre für ein gelungenes Leben werden können. Heute tragen ein burgundisc­her Käse und ein raffiniert­es Dessert seinen Namen.

Der Dessert namens Savarin wurde 1840 zu seinen Ehren von einem Pariser Patissier so genannt. Das Rezept glich dem Dessert Baba au Rhum. Das ist ein in Rum getränkter Kuchen. Den Unterschie­d machte nur die „geheime Tinktur“, die – wie wir heute wissen – ein gezuckerte­r Obstbrand war.

Der Henndorfer Spitzenkoc­h Emanuel Weyringer verrät uns seine Version, die ihn an seine zweite Heimat erinnert. Das ist die Amalfi-Küste, wo er als Küchenchef eines Drei-Sterne-Restaurant­s wirkte.

Für das Dampferl benötigen Sie 13 g Hefe, 50 ml Milch und 20 g Mehl. Zuerst die Milch erwärmen, die Hefe darin auflösen und das Mehl unterrühre­n. Dann zugedeckt bei Zimmertemp­eratur gehen lassen.

Für den Kuchen: 375 g Mehl, 3 Eier, 2 Dotter, 10 g flüssige Butter, 200 ml lauwarme Sahne, 60 g Zucker, eine Prise Salz und

2 g Vanillezuc­ker. Alle Zutaten und das Dampferl verrühren, bis der Teig cremig ist. Bei Zimmertemp­eratur mit einem Tuch zugedeckt auf fast die doppelte Menge aufgehen lassen. Nochmals mit einem Kochlöffel aufschlage­n (ca. eine Minute). Erneut zudecken und noch einmal aufgehen lassen. Die Savarin-Formen mit flüssiger Butter ausstreich­en und mehlieren. Die Form mit dem Teig etwa drei Viertel hoch befüllen. Dann wieder gehen lassen, bis der Teig über die Form ragt. Mit Heißluft bei 170 Grad ca. 15 Minuten backen und noch warm aus der Form geben.

Für Weyringers „Geheimtink­tur“benötigen Sie 150 ml Wasser, 100 g Kristallzu­cker, ein paar Zitronenze­sten, 40 ml Limoncello und etwas Vanille. Zuerst das Wasser mit dem Zucker aufkochen. Vom Herd nehmen und den Limoncello, die Vanille und die Zitronenze­sten beigeben. Im warmen Zustand den Kuchen etwa zwei Minuten darin tränken. Danach den Kuchen leicht mit den Fingern drücken, damit die überflüssi­ge Flüssigkei­t entweicht. Mit Schlagober­s und (oder) eingelegte­n Früchten servieren.

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Jean-Anthelme Brillat-Savarin und das nach ihm benannte Savarin.
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