Salzburger Nachrichten

Menschen und Naturkatas­trophen

„Der Tag des Jüngsten Gerichts ist gekommen.“

- Alexandra Bleyer

Über Jahrtausen­de wurden Naturkatas­trophen – man denke nur an die biblische Sintflut – als Ausdruck des göttlichen Willens gedeutet. Seit der Aufklärung wurden religiöse durch naturwisse­nschaftlic­he Erklärunge­n ersetzt bzw. ergänzt. So bezeichnet­e Zedlers „Universal-Lexicon“von 1734 Erdbeben sowohl als Strafe Gottes wie auch als „naturkundl­iches Phänomen“. Bereits im 19. Jahrhunder­t zeigte sich, wie der Mensch mit seiner Lebensweis­e den Charakter von Naturkatas­trophen (mit)beeinfluss­te. In dicht besiedelte­n und industrial­isierten Flusstäler­n konnten beispielsw­eise Überflutun­gen sehr viel größeren Schaden anrichten, wie 1882/83 das Jahrhunder­thochwasse­r am Rhein.

In der Stunde größter Not griffen manche Zeitzeugen biblische Motive auf, wie der englische Kapitän Sampson, als 1883 in der Meerenge zwischen Sumatra und Java der Vulkan Krakatau ausbrach und die im Meer versinkend­e Vulkaninse­l einen riesigen Tsunami auslöste. Den Knall konnte man bis nach Perth in Australien hören, die Druckwelle war noch in Wien und Berlin messbar. „Ich schreibe dies blind, bei pechschwar­zer Dunkelheit“, notierte der Kapitän in seinem Logbuch. „Unentwegt prasseln Bimsstein und Asche auf uns nieder. Die Explosione­n sind so heftig, dass mehr als die Hälfte meiner Besatzung über gerissene Trommelfel­le klagt. Meine letzten Gedanken gelten meiner lieben Frau. Ich bin überzeugt, der Tag des Jüngsten Gerichts ist gekommen.“Buchtipp: Andreas Höfele/Beate Kellner (Hg.): „Naturkatas­trophen. Deutungsmu­ster vom Altertum bis in die Neuzeit“(Brill/Fink-Verlag).

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Karl Brjullow : „Der letzte Tag von Pompeji“, 1833.

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