Wer will noch arbeiten?
Ich kenne die verrückte Welt der Gastronomie nicht bloß als Gast, sondern auch als Köchin. Seit mehr als zwanzig Jahren arbeite ich in Buchingers Gasthaus „Zur Alten Schule“mit. Eigentlich habe ich gedacht, es gibt nichts mehr, das mir im Küchenuniversum noch nicht begegnet ist.
Trotzdem erlebe ich momentan Seltsames: Ich kenne nur fleißige Menschen. Jede und jeder aus der Branche, mit der oder dem ich über den Arbeitskräftemangel rede, beklagt Ähnliches: „Niemand will mehr arbeiten – wohin soll das noch führen?“Selbst, so wird schnell klargemacht, sei man daher überlastet. Weil man viel zu viel arbeite.
Das Phänomen reicht natürlich über die Gastronomie hinaus. Die klassische männliche (leider gibt’s bei vielen Frauen nach wie vor andere Lebensrealitäten) Arbeitnehmerkarriere früher: Man hat sich vorgestellt und bestmöglich präsentiert, um den Job zu bekommen. Das Bewerberfeld war dicht. Es war auch früher nicht unüblich, dass ein Vorstellungsgespräch mit: „Vielen Dank, Sie kommen in die engere Wahl“, geendet hat. Nur: Da hat das der Chef zum Bewerber gesagt. Jetzt ist es angeblich viel häufiger umgekehrt.
Ähnlich hat sich das Arbeitskarussell gedreht, wenn es um die Flexibilität geht. Früher
stand sie auf der Wunschliste der Arbeitgeber ganz weit oben. Jetzt wird sie von den arbeitenden Menschen eingefordert. Auch wenn sie natürlich etwas anderes darunter verstehen, als vierundzwanzig Stunden am Tag abrufbar zu sein.
Es gibt also mehr Arbeit als solche, die sie machen möchten. Manche Leute, gerade auch im Gesundheitsbereich, arbeiten bis zum Umfallen – oder eben bis zur Kündigung. Kleine Selbstständige beuten in erster Linie sich selbst aus. Dass die Familie aushilft, wird immer seltener. – Apropos Gastronomie: Wo sind sie hin, die Heerscharen der (allerdings oft schlecht bezahlten und über Gebühr belasteten) Köchinnen und Servierfachkräfte? Liegen sie – wie ihre Kollegen und Kolleginnen anderer Sparten – auf der „faulen Haut“?
Ein paar von dieser Sorte gibt es überall. Viele aber haben in der Zeit der Pandemie gelernt: Jobs sind unsicher. Das Leben lässt sich auch mit weniger Arbeitsstunden finanzieren. Und: Vielleicht ist Karriere für mein Leben gar nicht so wichtig, wie mir das Eltern, Großeltern und die Vorbeter der Leistungs- und Optimierungsgesellschaft weisgemacht haben.
Dass die meisten Menschen gar nicht mehr arbeiten wollen, dagegen spricht die Statistik: Die Erwerbsquote ist höher denn je in Österreich. Die Arbeitslosenquote ist deutlich gesunken. Nur gehen eben mehr in Pension als ins Erwerbsleben eintreten. Und immer mehr nehmen Teilzeitjobs an.
Bessere Rahmenbedingungen für Menschen mit Kindern und die Achtung vor Menschen, die sich in Österreich eine neue Existenz aufbauen wollen, würden helfen.
Und – ich sehe das gerade auch in der Gastronomie: Viele Menschen wollen einfach … besser arbeiten. Mit der Chance auf flexible, selbst gewählte Arbeitszeiten. Mit ordentlicher Bezahlung. In einem Umfeld, das man mag und in dem man wertgeschätzt wird.
Wie das eben so läuft, in unserer ja noch immer heiligen Marktwirtschaft: Am ehesten finden nun Betriebe Arbeitskräfte, die ihnen entgegenkommen. Und zwar nicht bloß finanziell, sondern auch was den Respekt vor ihrem – hoffentlich nicht in „Work“und „Life“getrennten, sondern als Ganzes begriffenen – Leben angeht.