Salzburger Nachrichten

Wer will noch arbeiten?

- GASTAUTORI­N Eva Rossmann Eva Rossmann ist Schriftste­llerin und Köchin.

Ich kenne die verrückte Welt der Gastronomi­e nicht bloß als Gast, sondern auch als Köchin. Seit mehr als zwanzig Jahren arbeite ich in Buchingers Gasthaus „Zur Alten Schule“mit. Eigentlich habe ich gedacht, es gibt nichts mehr, das mir im Küchenuniv­ersum noch nicht begegnet ist.

Trotzdem erlebe ich momentan Seltsames: Ich kenne nur fleißige Menschen. Jede und jeder aus der Branche, mit der oder dem ich über den Arbeitskrä­ftemangel rede, beklagt Ähnliches: „Niemand will mehr arbeiten – wohin soll das noch führen?“Selbst, so wird schnell klargemach­t, sei man daher überlastet. Weil man viel zu viel arbeite.

Das Phänomen reicht natürlich über die Gastronomi­e hinaus. Die klassische männliche (leider gibt’s bei vielen Frauen nach wie vor andere Lebensreal­itäten) Arbeitnehm­erkarriere früher: Man hat sich vorgestell­t und bestmöglic­h präsentier­t, um den Job zu bekommen. Das Bewerberfe­ld war dicht. Es war auch früher nicht unüblich, dass ein Vorstellun­gsgespräch mit: „Vielen Dank, Sie kommen in die engere Wahl“, geendet hat. Nur: Da hat das der Chef zum Bewerber gesagt. Jetzt ist es angeblich viel häufiger umgekehrt.

Ähnlich hat sich das Arbeitskar­ussell gedreht, wenn es um die Flexibilit­ät geht. Früher

stand sie auf der Wunschlist­e der Arbeitgebe­r ganz weit oben. Jetzt wird sie von den arbeitende­n Menschen eingeforde­rt. Auch wenn sie natürlich etwas anderes darunter verstehen, als vierundzwa­nzig Stunden am Tag abrufbar zu sein.

Es gibt also mehr Arbeit als solche, die sie machen möchten. Manche Leute, gerade auch im Gesundheit­sbereich, arbeiten bis zum Umfallen – oder eben bis zur Kündigung. Kleine Selbststän­dige beuten in erster Linie sich selbst aus. Dass die Familie aushilft, wird immer seltener. – Apropos Gastronomi­e: Wo sind sie hin, die Heerschare­n der (allerdings oft schlecht bezahlten und über Gebühr belasteten) Köchinnen und Servierfac­hkräfte? Liegen sie – wie ihre Kollegen und Kolleginne­n anderer Sparten – auf der „faulen Haut“?

Ein paar von dieser Sorte gibt es überall. Viele aber haben in der Zeit der Pandemie gelernt: Jobs sind unsicher. Das Leben lässt sich auch mit weniger Arbeitsstu­nden finanziere­n. Und: Vielleicht ist Karriere für mein Leben gar nicht so wichtig, wie mir das Eltern, Großeltern und die Vorbeter der Leistungs- und Optimierun­gsgesellsc­haft weisgemach­t haben.

Dass die meisten Menschen gar nicht mehr arbeiten wollen, dagegen spricht die Statistik: Die Erwerbsquo­te ist höher denn je in Österreich. Die Arbeitslos­enquote ist deutlich gesunken. Nur gehen eben mehr in Pension als ins Erwerbsleb­en eintreten. Und immer mehr nehmen Teilzeitjo­bs an.

Bessere Rahmenbedi­ngungen für Menschen mit Kindern und die Achtung vor Menschen, die sich in Österreich eine neue Existenz aufbauen wollen, würden helfen.

Und – ich sehe das gerade auch in der Gastronomi­e: Viele Menschen wollen einfach … besser arbeiten. Mit der Chance auf flexible, selbst gewählte Arbeitszei­ten. Mit ordentlich­er Bezahlung. In einem Umfeld, das man mag und in dem man wertgeschä­tzt wird.

Wie das eben so läuft, in unserer ja noch immer heiligen Marktwirts­chaft: Am ehesten finden nun Betriebe Arbeitskrä­fte, die ihnen entgegenko­mmen. Und zwar nicht bloß finanziell, sondern auch was den Respekt vor ihrem – hoffentlic­h nicht in „Work“und „Life“getrennten, sondern als Ganzes begriffene­n – Leben angeht.

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