Lust auf Kind und Karriere
Wie die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf für Eltern gelingen kann.
Werde ich ein guter Vater sein? An dieser Frage arbeitet sich der Salzburger Filmemacher Marko Doringer in seinem neuesten Streifen „Mein Wenn und Aber“ab. Wird Berufliches und Privates überhaupt noch unter einen Hut zu bringen sein? Anlass für seine Auseinandersetzung mit dem Thema ist Tochter Elsa, die während der Dreharbeiten zur Welt kommt. Bei Doringer und seiner Lebenspartnerin müssen die Prioritäten neu verhandelt werden.
Ändern, was wir selbst ändern können
Das Tauziehen zwischen Privatem und Beruflichem ist alles andere als leicht. Lisi Molzbichler weiß das aus erster Hand. Sie ist selbst Mutter und hat nach der Geburt des dritten Kindes sogar den Schritt in die berufliche Selbstständigkeit gewagt. Heute berät sie mit BalanceUP Eltern, gibt Tipps, wie Business und Familie besser in Einklang zu bringen sind. „Es ist so ähnlich wie beim Burn-out. Erst wenn wir mitten im Problem stecken, machen wir uns Gedanken. Ich will dazu animieren, sich schon vorher um die Vereinbarkeit zu kümmern.“Dass es viel am System zu verbessern gäbe, davon ist die Salzburgerin, die in Wien lebt, überzeugt. Doch am unmittelbarsten haben Eltern Einfluss auf die Dinge, die sie selbst bewegen können. Der eigene Anspruch sei da oft der wirksamste Hebel. „Wie sieht mein Idealbild von Vereinbarkeit aus?“, fragt Molzbichler in ihren Coachings und: „Was kann eigentlich weg?“Die eigenen Erwartungen auf den Prüfstand zu stellen, sich aufs Wesentliche zu reduzieren nehme schon den ersten Druck raus. Oftmals seien wir gefangen in Glaubenssätzen wie etwa: „Die Rolle als Mama muss ich allein erfüllen.“Wer hier ansetzt, dessen Sichtweise weitet sich. Hilfsangebote, die vielleicht immer schon da waren, werden plötzlich wahrgenommen. In ihrem sechswöchigen Online-Coaching „No Bad Mom“teilt Molzbichler ihre Erfahrung aus sieben Jahren Vereinbarkeit und setzt vor allem auf die Kraft der Kleingruppe: „Die Teilnehmerinnen sehen, dass sie nicht allein sind und voneinander profitieren.“Obwohl Molzbichler
aktuell fast nur mit Frauen arbeitet, betont sie, dass sich ihr Angebot selbstverständlich auch an Männer richte, Vereinbarkeit betreffe immer beide Elternteile.
Teilzeit muss keine Falle sein
Gerade nach der Rückkehr aus der Karenz können Teilzeit und weniger Verantwortung zu Karrierefallen werden, gerade für Frauen. Dass das nicht immer so sein muss, erzählt die Salzburgerin Alexandra Kral. Sie entschied sich nach dem Wiedereinstieg sogar für einen Job mit mehr Verantwortung – und füllt diesen mit weniger als den üblichen Vollzeitstunden aus. Kral leitet das Dialogcenter von global office und führt 95 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Mein Team ist nicht nur in Salzburg, sondern in ganz Österreich verteilt. Somit arbeiten wir ohnehin meistens virtuell miteinander. Diese Art des Arbeitens und die Vertrauenskultur geben mir die nötige Flexibilität, selbst zu bestimmen, wann und von wo aus ich arbeite“, sagt Kral.
Kanban für daheim
Als Tipp für die vielen anstehenden Pflichten, die dann zu Hause noch warten, empfiehlt Elterncoach Lisi Molzbichler zum Beispiel Kanban, ein Werkzeug aus dem agilen Management. Damit können Aufgaben innerhalb der Familie auf einem großen Blatt Papier mit drei Spalten sichtbar gemacht werden: Jede anstehende Aufgabe klebt zunächst auf einem Post-it in der ganz linken Spalte „To-do“, zum Beispiel „Wäsche waschen“oder „Mit dem Hund rausgehen“. Jeder in der Familie schnappt sich selbstständig das, was er oder sie erledigen kann, und befördert das Post-it in die mittlere Spalte „In Arbeit“oder gleich nach ganz rechts und markiert die Aufgabe somit als erledigt.
„Auf diese Art kommen wir weg vom Gefühl, anderen ständig etwas auftragen und alles allein denken zu müssen. Das geht auch mit Kindern, wenn sie schon lesen können. Kinder finden das sogar amüsant und freuen sich über die Verantwortung. Es ist ein bisschen wie mit einem CEO, auch der hat Abteilungsleiter und jeder ist für eine bestimmte Aufgabe zuständig“, erläutert Molzbichler.
Am Herzen liegt der Unternehmerin vor allem die jüngere Generation. Ihr gelte es zu zeigen, dass Vereinbarkeit möglich sei. Molzbichler wünscht sich, dass vor allem junge Frauen wieder Lust auf Kinder bekommen. „Vereinbarkeit kann funktionieren, wenn man sich aktiv mit dem Thema beschäftigt“, so ihre Devise.
Man muss sich fragen: „Was kann eigentlich weg?“
Lisi Molzbichler, Geschäftsführerin BalanceUP