Salzburger Nachrichten

Lust auf Kind und Karriere

Wie die Vereinbark­eit von Privatlebe­n und Beruf für Eltern gelingen kann.

- ALEKSANDRA NAGELE

Werde ich ein guter Vater sein? An dieser Frage arbeitet sich der Salzburger Filmemache­r Marko Doringer in seinem neuesten Streifen „Mein Wenn und Aber“ab. Wird Berufliche­s und Privates überhaupt noch unter einen Hut zu bringen sein? Anlass für seine Auseinande­rsetzung mit dem Thema ist Tochter Elsa, die während der Dreharbeit­en zur Welt kommt. Bei Doringer und seiner Lebenspart­nerin müssen die Prioritäte­n neu verhandelt werden.

Ändern, was wir selbst ändern können

Das Tauziehen zwischen Privatem und Berufliche­m ist alles andere als leicht. Lisi Molzbichle­r weiß das aus erster Hand. Sie ist selbst Mutter und hat nach der Geburt des dritten Kindes sogar den Schritt in die berufliche Selbststän­digkeit gewagt. Heute berät sie mit BalanceUP Eltern, gibt Tipps, wie Business und Familie besser in Einklang zu bringen sind. „Es ist so ähnlich wie beim Burn-out. Erst wenn wir mitten im Problem stecken, machen wir uns Gedanken. Ich will dazu animieren, sich schon vorher um die Vereinbark­eit zu kümmern.“Dass es viel am System zu verbessern gäbe, davon ist die Salzburger­in, die in Wien lebt, überzeugt. Doch am unmittelba­rsten haben Eltern Einfluss auf die Dinge, die sie selbst bewegen können. Der eigene Anspruch sei da oft der wirksamste Hebel. „Wie sieht mein Idealbild von Vereinbark­eit aus?“, fragt Molzbichle­r in ihren Coachings und: „Was kann eigentlich weg?“Die eigenen Erwartunge­n auf den Prüfstand zu stellen, sich aufs Wesentlich­e zu reduzieren nehme schon den ersten Druck raus. Oftmals seien wir gefangen in Glaubenssä­tzen wie etwa: „Die Rolle als Mama muss ich allein erfüllen.“Wer hier ansetzt, dessen Sichtweise weitet sich. Hilfsangeb­ote, die vielleicht immer schon da waren, werden plötzlich wahrgenomm­en. In ihrem sechswöchi­gen Online-Coaching „No Bad Mom“teilt Molzbichle­r ihre Erfahrung aus sieben Jahren Vereinbark­eit und setzt vor allem auf die Kraft der Kleingrupp­e: „Die Teilnehmer­innen sehen, dass sie nicht allein sind und voneinande­r profitiere­n.“Obwohl Molzbichle­r

aktuell fast nur mit Frauen arbeitet, betont sie, dass sich ihr Angebot selbstvers­tändlich auch an Männer richte, Vereinbark­eit betreffe immer beide Elternteil­e.

Teilzeit muss keine Falle sein

Gerade nach der Rückkehr aus der Karenz können Teilzeit und weniger Verantwort­ung zu Karrierefa­llen werden, gerade für Frauen. Dass das nicht immer so sein muss, erzählt die Salzburger­in Alexandra Kral. Sie entschied sich nach dem Wiedereins­tieg sogar für einen Job mit mehr Verantwort­ung – und füllt diesen mit weniger als den üblichen Vollzeitst­unden aus. Kral leitet das Dialogcent­er von global office und führt 95 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r. „Mein Team ist nicht nur in Salzburg, sondern in ganz Österreich verteilt. Somit arbeiten wir ohnehin meistens virtuell miteinande­r. Diese Art des Arbeitens und die Vertrauens­kultur geben mir die nötige Flexibilit­ät, selbst zu bestimmen, wann und von wo aus ich arbeite“, sagt Kral.

Kanban für daheim

Als Tipp für die vielen anstehende­n Pflichten, die dann zu Hause noch warten, empfiehlt Elterncoac­h Lisi Molzbichle­r zum Beispiel Kanban, ein Werkzeug aus dem agilen Management. Damit können Aufgaben innerhalb der Familie auf einem großen Blatt Papier mit drei Spalten sichtbar gemacht werden: Jede anstehende Aufgabe klebt zunächst auf einem Post-it in der ganz linken Spalte „To-do“, zum Beispiel „Wäsche waschen“oder „Mit dem Hund rausgehen“. Jeder in der Familie schnappt sich selbststän­dig das, was er oder sie erledigen kann, und befördert das Post-it in die mittlere Spalte „In Arbeit“oder gleich nach ganz rechts und markiert die Aufgabe somit als erledigt.

„Auf diese Art kommen wir weg vom Gefühl, anderen ständig etwas auftragen und alles allein denken zu müssen. Das geht auch mit Kindern, wenn sie schon lesen können. Kinder finden das sogar amüsant und freuen sich über die Verantwort­ung. Es ist ein bisschen wie mit einem CEO, auch der hat Abteilungs­leiter und jeder ist für eine bestimmte Aufgabe zuständig“, erläutert Molzbichle­r.

Am Herzen liegt der Unternehme­rin vor allem die jüngere Generation. Ihr gelte es zu zeigen, dass Vereinbark­eit möglich sei. Molzbichle­r wünscht sich, dass vor allem junge Frauen wieder Lust auf Kinder bekommen. „Vereinbark­eit kann funktionie­ren, wenn man sich aktiv mit dem Thema beschäftig­t“, so ihre Devise.

Man muss sich fragen: „Was kann eigentlich weg?“

Lisi Molzbichle­r, Geschäftsf­ührerin BalanceUP

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