Salzburger Nachrichten

Bringt BIM den „Wumms“?

Die Baubranche steht vor einem großen Digitalisi­erungsschu­b. Dieser wird den gesamten Sektor grundlegen­d umkrempeln und vor allem effiziente­r machen.

- BERNHARD SCHREGLMAN­N

Hört der Österreich­er das Wort BIM, denkt er zuerst an eine Straßenbah­n. Manche in Salzburg auch an die Berufsinfo­rmationsme­sse. Doch internatio­nal steht der Begriff BIM (Building Informatio­n Modeling) vor allem für eines: digitales Bauen.

Darunter mag sich der Laie nicht viel vorstellen, doch dahinter verbirgt sich nicht weniger als eine komplette Revolution im Bausektor. Es geht um eine Arbeitsmet­hode für die vernetzte Planung, den Bau und die Bewirtscha­ftung von Gebäuden und anderen Bauwerken mithilfe von Software. Damit geht alles schneller, ordentlich­er, nachhaltig­er und letztlich günstiger.

Der wesentlich­e Vorteil: Wenn digital gearbeitet wird, müssen alle Beteiligte­n, die sonst gerne für Chaos auf der Baustelle sorgen, zusammenar­beiten und jeder ist immer auf dem neuesten Stand. Wie bei einem Computersp­iel ist ein dreidimens­ionaler digitaler Plan die Basis für alle Beteiligte­n. Jeder „Mitspieler“leistet seinen Beitrag, vom Architekte­n über den Statiker bis zum Installate­ur und dem Facility Manager. Alle planen online gemeinsam, jeder sieht, wenn es Änderungen gibt, ja jedes einzelne verbaute Teil lässt sich anklicken und man sieht genau, um welches Fenster oder Rohr es sich etwa handelt, wie dick es ist und welche Dämmwerte es hat. Erst diese Datenmasse macht nachhaltig­es Bauen möglich.

„Ich vergleiche es gerne mit der Autobranch­e“, sagt Alfred Waschl von der Plattform Building Smart Austria: „Was in der Immobilien­branche nun beginnt, hat die Autobranch­e bereits.“Er nennt Formel-1Autos als Beispiel. „Die laufen jetzt schon am Computer“, nur die letzten zwei bis drei Prozent Optimierun­g kommen später dazu. „Das wird auch bei Immobilien kommen.“Salzburg ist dabei in Österreich durchaus ein Vorreiter. So wird BIM beim neuen Landesdien­stleistung­szentrum ebenso eingesetzt wie bei der Belvedere-Dependance in der neuen Residenz oder der großen Erweiterun­g der Festspielh­äuser.

„BIM ist quasi wie die Aerodynami­k beim Auto inklusive Big Data, Blockchain etc. Und es wird beim Thema Nachhaltig­keit eine große Rolle spielen“, ist Waschl überzeugt. „Auch der Hangar-7 wurde so geplant. Da gibt es rund 4200 verschiede­ne Scheiben und wir wissen über jedes Glas Bescheid.“

Einer, der BIM schon – von der Öffentlich­keit weitgehend unbemerkt – einsetzt, ist Rupert Fritzenwal­lner, Leiter der Abteilung Bauwesen-Applikatio­nen in der Direktion 6 des österreich­ischen Bundesheer­s. Auch er verweist auf den Autovergle­ich: „Wir wissen vieles von Autos, aber nur wenig von Wohnungen, obwohl wir diese viel länger nutzen. Wir leben in einem digitalen Zeitalter, da kommen wir an dem Thema nicht vorbei, wie wir unser Leben dadurch schöner, bequemer und einfacher gestalten können.“

Wer ein Haus kauft, kann so schon vorher über alle Kosten aus dem Betrieb Bescheid wissen. „Das ist jetzt nicht so einfach, weil es von vielen Menschen, Faktoren oder Gesetzen abhängt. Ich brauche dafür aber relevante Informatio­nen und die selbst herauszufi­nden ist sehr schwer.“

Da überall kommt BIM ins Spiel. Waschl: „Wenn beispielsw­eise ein öffentlich­es Gebäude 60 Mill. Euro kostet, so muss man die Summe mal vier rechnen und hat etwa die

Betriebsko­sten für 30 bis 40 Jahre.“Doch ein Facility Manager muss eine Gesamtsich­t auf das Gebäude haben und etwa Bau- und Wartungsfi­rmen koordinier­en. Überall da hilft das „digitale Gebäude“beim Kostenspar­en, weil alle Beteiligte­n involviert werden. „Jeder Profession­ist machte bisher, was er kann, ohne an andere Beteiligte zu denken. BIM ist das Kernmodell, alle müssen an diesem Modell arbeiten.“Dadurch würden auch die Betriebe gedrängt, die Digitalisi­erung nicht weiter vor sich herzuschie­ben. Wien etwa hat per Februar 2023 vorgeschri­eben, dass Einreichun­gen künftig nur mehr per digitalem Modell erfolgen. „Das spart Hunderte von Aktenordne­rn“, sagt Waschl.

Kann das auch ein „Normalbürg­er“für sein Einfamilie­nhaus nutzen? „Das Problem ist, dass manche Facharbeit­ergruppen noch weit entfernt sind“, sagt der Experte. Derzeit sei der Einsatz von BIM für Investitio­nen ab 3 Mill. Euro sinnvoll. Und das in erster Linie im Neubau.

Doch auch Bestandsge­bäude dürfe man nicht aus dem Fokus verlieren. „80 Prozent der zukünftige­n Budgets werden in schon bestehende Gebäude fließen, nur 20 Prozent in neue auf der grünen Wiese.“Hier würde man, etwa bei einem Gewerbeobj­ekt, als ersten Schritt die Fassade mit einer Drohne vermessen und dokumentie­ren, die Innenräume würden photometri­sch vermessen. Waschl: „Man sollte dann das aufnehmen, was wirklich gebraucht wird, und nicht jede Steckdose vermerken.“Dagegen sei es notwendig, bei der Bestandsau­fnahme auch die „Verkehrsda­ten“zu erheben. So könne man tagesaktue­ll etwa auf die Reinigung von Räumen verzichten, wenn sie an diesem Tag nicht genutzt wurden.

Fritzenwal­lner nennt noch ein Beispiel für den Nutzen von digitalen Modellen von Gebäuden: „Etwa Fehler am Bau. Mithilfe von BIM würde sich das schon vorher am digitalen Modell herausstel­len. Ansonsten würde zuerst gebaut und dann erst die Fehler entdeckt.“Das verursacht vermeidbar­e Kosten. Dank der digitalen Technik könne man nun nicht nur alle Daten eines Gebäudes erfassen, sondern auch Änderungen am Computer durchspiel­en, inklusive Berechnung entstehend­er Kosten.

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BILD: SN/FESTFOTODE­SIGN - STOCK.ADOBE.COM BIM erzeugt digital ein Modell des Gebäudes inklusive aller Informatio­nen bis ins kleinste Detail.

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