Bringt BIM den „Wumms“?
Die Baubranche steht vor einem großen Digitalisierungsschub. Dieser wird den gesamten Sektor grundlegend umkrempeln und vor allem effizienter machen.
Hört der Österreicher das Wort BIM, denkt er zuerst an eine Straßenbahn. Manche in Salzburg auch an die Berufsinformationsmesse. Doch international steht der Begriff BIM (Building Information Modeling) vor allem für eines: digitales Bauen.
Darunter mag sich der Laie nicht viel vorstellen, doch dahinter verbirgt sich nicht weniger als eine komplette Revolution im Bausektor. Es geht um eine Arbeitsmethode für die vernetzte Planung, den Bau und die Bewirtschaftung von Gebäuden und anderen Bauwerken mithilfe von Software. Damit geht alles schneller, ordentlicher, nachhaltiger und letztlich günstiger.
Der wesentliche Vorteil: Wenn digital gearbeitet wird, müssen alle Beteiligten, die sonst gerne für Chaos auf der Baustelle sorgen, zusammenarbeiten und jeder ist immer auf dem neuesten Stand. Wie bei einem Computerspiel ist ein dreidimensionaler digitaler Plan die Basis für alle Beteiligten. Jeder „Mitspieler“leistet seinen Beitrag, vom Architekten über den Statiker bis zum Installateur und dem Facility Manager. Alle planen online gemeinsam, jeder sieht, wenn es Änderungen gibt, ja jedes einzelne verbaute Teil lässt sich anklicken und man sieht genau, um welches Fenster oder Rohr es sich etwa handelt, wie dick es ist und welche Dämmwerte es hat. Erst diese Datenmasse macht nachhaltiges Bauen möglich.
„Ich vergleiche es gerne mit der Autobranche“, sagt Alfred Waschl von der Plattform Building Smart Austria: „Was in der Immobilienbranche nun beginnt, hat die Autobranche bereits.“Er nennt Formel-1Autos als Beispiel. „Die laufen jetzt schon am Computer“, nur die letzten zwei bis drei Prozent Optimierung kommen später dazu. „Das wird auch bei Immobilien kommen.“Salzburg ist dabei in Österreich durchaus ein Vorreiter. So wird BIM beim neuen Landesdienstleistungszentrum ebenso eingesetzt wie bei der Belvedere-Dependance in der neuen Residenz oder der großen Erweiterung der Festspielhäuser.
„BIM ist quasi wie die Aerodynamik beim Auto inklusive Big Data, Blockchain etc. Und es wird beim Thema Nachhaltigkeit eine große Rolle spielen“, ist Waschl überzeugt. „Auch der Hangar-7 wurde so geplant. Da gibt es rund 4200 verschiedene Scheiben und wir wissen über jedes Glas Bescheid.“
Einer, der BIM schon – von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt – einsetzt, ist Rupert Fritzenwallner, Leiter der Abteilung Bauwesen-Applikationen in der Direktion 6 des österreichischen Bundesheers. Auch er verweist auf den Autovergleich: „Wir wissen vieles von Autos, aber nur wenig von Wohnungen, obwohl wir diese viel länger nutzen. Wir leben in einem digitalen Zeitalter, da kommen wir an dem Thema nicht vorbei, wie wir unser Leben dadurch schöner, bequemer und einfacher gestalten können.“
Wer ein Haus kauft, kann so schon vorher über alle Kosten aus dem Betrieb Bescheid wissen. „Das ist jetzt nicht so einfach, weil es von vielen Menschen, Faktoren oder Gesetzen abhängt. Ich brauche dafür aber relevante Informationen und die selbst herauszufinden ist sehr schwer.“
Da überall kommt BIM ins Spiel. Waschl: „Wenn beispielsweise ein öffentliches Gebäude 60 Mill. Euro kostet, so muss man die Summe mal vier rechnen und hat etwa die
Betriebskosten für 30 bis 40 Jahre.“Doch ein Facility Manager muss eine Gesamtsicht auf das Gebäude haben und etwa Bau- und Wartungsfirmen koordinieren. Überall da hilft das „digitale Gebäude“beim Kostensparen, weil alle Beteiligten involviert werden. „Jeder Professionist machte bisher, was er kann, ohne an andere Beteiligte zu denken. BIM ist das Kernmodell, alle müssen an diesem Modell arbeiten.“Dadurch würden auch die Betriebe gedrängt, die Digitalisierung nicht weiter vor sich herzuschieben. Wien etwa hat per Februar 2023 vorgeschrieben, dass Einreichungen künftig nur mehr per digitalem Modell erfolgen. „Das spart Hunderte von Aktenordnern“, sagt Waschl.
Kann das auch ein „Normalbürger“für sein Einfamilienhaus nutzen? „Das Problem ist, dass manche Facharbeitergruppen noch weit entfernt sind“, sagt der Experte. Derzeit sei der Einsatz von BIM für Investitionen ab 3 Mill. Euro sinnvoll. Und das in erster Linie im Neubau.
Doch auch Bestandsgebäude dürfe man nicht aus dem Fokus verlieren. „80 Prozent der zukünftigen Budgets werden in schon bestehende Gebäude fließen, nur 20 Prozent in neue auf der grünen Wiese.“Hier würde man, etwa bei einem Gewerbeobjekt, als ersten Schritt die Fassade mit einer Drohne vermessen und dokumentieren, die Innenräume würden photometrisch vermessen. Waschl: „Man sollte dann das aufnehmen, was wirklich gebraucht wird, und nicht jede Steckdose vermerken.“Dagegen sei es notwendig, bei der Bestandsaufnahme auch die „Verkehrsdaten“zu erheben. So könne man tagesaktuell etwa auf die Reinigung von Räumen verzichten, wenn sie an diesem Tag nicht genutzt wurden.
Fritzenwallner nennt noch ein Beispiel für den Nutzen von digitalen Modellen von Gebäuden: „Etwa Fehler am Bau. Mithilfe von BIM würde sich das schon vorher am digitalen Modell herausstellen. Ansonsten würde zuerst gebaut und dann erst die Fehler entdeckt.“Das verursacht vermeidbare Kosten. Dank der digitalen Technik könne man nun nicht nur alle Daten eines Gebäudes erfassen, sondern auch Änderungen am Computer durchspielen, inklusive Berechnung entstehender Kosten.