Kommen billige E-Autos?
Bislang ist die E-Mobilität ein Nischenprogramm für Gutverdiener. Nun senken Hersteller wie Tesla und VW erstmals die Einstiegspreise.
„Elektroautos immer teurer“– so lautete noch Ende August 2022 eine Headline an dieser Stelle. Tatsächlich ließen unterbrochene Lieferketten und gestiegene Rohstoffkosten nur einen Schluss zu: Die Preise von Elektroautos werden auf absehbare Sicht wohl noch stärker steigen als jene der konventionellen Verbrennermodelle. Um 14,5 Prozent waren die 15 beliebtesten Stromermodelle binnen eines Jahres teurer geworden, hatte eine Studie des Center of Automotive Research (CAR) ergeben. Zum Vergleich: Bei Benzinern und Dieseln hatte der Preisanstieg im selben Zeitraum „nur“12,5 Prozent betragen.
Heute, rund ein halbes Jahr später, scheint das Pendel erstmals in die andere Richtung auszuschlagen. Zwar hat sich an den makroökonomischen Umständen, in denen die global vernetzte Automobilindustrie agiert, wenig verändert. Die für die Antriebswende dringend benötigten Materialien wie Lithium, Kobalt oder Nickel sind teuer wie eh und je. Und auch die internationalen Lieferketten erscheinen heute ebenso fragil wie noch im Jahr 2022.
Umso bemerkenswerter ist deshalb, dass immer mehr Anbieter von Elektroautos in jüngster Vergangenheit die Preise ihrer Einstiegsmodelle senken. Den Anfang machte der US-Hersteller Tesla, dessen günstigstes Fahrzeug, das Model 3, seit Jahresbeginn bereits ab 44.990 Euro zu haben ist – um satte 12.400 Euro weniger als bisher. Für das Kompakt-SUV Model Y muss man seither in der Basisversion nur 46.990 Euro bezahlen, das sind 10.400 Euro weniger als noch im Vorjahr. Die Erklärung für diese Maßnahmen: Im turbulenten Jahr 2022 mit Unterbrechungen in der Lieferkette sei es zu einer „Normalisierung eines Teils der Kosteninflation“gekommen, so die Stellungnahme von Tesla. Diese Entwicklung wolle man nun in Form von niedrigeren Preisen an die Kunden weitergeben. Wer bereits eines der Modelle in den letzten Wochen bestellt hat, muss nur den nun angepassten, niedrigeren Preis zahlen.
Angesichts dieser Preissenkung sieht sich auch Teslas Hauptkonkurrent in Europa, der Volkswagen-Konzern, gezwungen, die Preise zu senken. Geht es nach Marken-Vertriebschefin Imelda Labbé, so soll das aktuelle Elektro-Einstiegsmodell ID.3 in Deutschland künftig unter 40.000 Euro kosten. Für Österreich wurden derartige Maßnahmen bis dato noch nicht angekündigt. Es spricht jedoch einiges dafür, dass der Kauf neuer Elektroautos auch hierzulande eher günstiger als noch teurer wird.
Obwohl Preisnachlässe bei Neuwagen in jüngster Vergangenheit eher die Ausnahme bilden, zeichnet sich doch ein internationaler Trend ab. Zuletzt reduzierte Ford in den USA den Preis für den bislang einzigen Stromer Mustang Mach-E um 5900 Dollar. Besonders brutal geht es am heiß umkämpften chinesischen Markt zu, wo zunächst Tesla und in weiterer Folge auch die Konkurrenz von Nissan, Toyota, aber auch BMW und VW die Preise für vollelektrische Modelle senkten.
Geht es nach Stefan Bratzel, dem Direktor des Center of Automotive Management im deutschen Bergisch Gladbach, so war es eindeutig Tesla, das diesen Trend auslöste. Allein im Jahr 2022 habe der US-Hersteller seinen bisherigen Auslieferungsrekord um rund 40 Prozent gesteigert. Mit einem Gesamtabsatz von zuletzt 1,3 Millionen Elektrofahrzeugen bestimme Tesla derzeit den globalen Markt und könne es sich demzufolge leisten, den Preis zu bestimmen.
Noch wichtiger als plakative Absatzzahlen in Millionenhöhe sei allerdings der durchschnittliche Gewinn pro Fahrzeug. Und der lag 2022 bei Tesla bei durchschnittlich 14.380 Euro. Die dabei erwirtschaftete Marge fällt mit aktuell 17,2 Prozent mehr als doppelt so hoch aus als beim europäischen Branchenprimus aus Wolfsburg. Während sich Tesla die aktuellen Megarabatte also schlichtweg leisten könne, seien diese für die unmittelbaren Konkurrenten mittelfristig eher eine wirtschaftliche Bedrohung. Nicht ohne Grund denkt man in Wolfsburg offen darüber nach, bestehende Modelle mit kleineren Akkupacks auszurüsten – und damit den Zeitraum bis zur Markteinführung des Kleinwagens ID.2all zu überbrücken.
Darüber hinaus mehren sich die Expertenmeinungen, die für Ende des Jahres 2023 bereits die nächste große Preissenkung in Aussicht stellen. Der Hintergrund: Aktuell sind die Auftragsbücher der Hersteller aufgrund der Aufholeffekte nach der Coronapandemie brechend voll. Aufgrund des anhaltenden Rohstoff- und Teilemangels können viele der bereits bestellten Fahrzeuge aber erst nach längerer Wartezeit ausgeliefert werden. Sobald diese Auftragsbestände abgebaut sind, könnte die Angst vor einer möglicherweise bevorstehenden Wirtschaftsflaute auch im Fahrzeughandel voll durchschlagen. Darüber hinaus geht es gegen Jahresende auch darum, die strengen EU-Vorgaben für den CO2-Flottenverbrauch zu erfüllen. Und sollte es dabei eng zugehen, ist eher mit beträchtlichen Preissenkungen bei E-Autos zu rechnen, als dass die Hersteller Strafgelder in Milliardenhöhe an die EU zahlen.
Wenngleich vor allem deutsche Premiumhersteller zuletzt eher mit PS-strotzenden MegaSUV für dynamische Zukunftsmärkte wie Asien, den Nahen Osten oder die USA für Schlagzeilen sorgten, könnte sich die Gewichts- und Leistungsspirale auf absehbare Sicht zumindest in Europa bald umdrehen. Denn mit der geplanten Produktion von gleich vier vollelektrischen Kleinwagenmodellen in der zukünftigen E-Auto-Fabrik in Spanien – verteilt auf die Konzernmarken VW, Audi, Škoda und Cupra – hat Volkswagen im Kampf um das so wichtige Einstiegssegment zumindest langfristig gesehen ganz gute Karten. Vor allem, weil in absehbarer Zeit die beiden jüngst angekündigten Akkugigafabriken auf der Iberischen Halbinsel und in Kanada ihren Teil dazu beitragen werden, die Kosten für die Fahrzeugakkus weiter zu senken.
Wir wollen die Elektromobilität weiter in die Breite tragen.
Imelda Labbé VW-Vorständin für Vertrieb