Salzburger Nachrichten

Goethesied­lung: „Autos schlafen nirgendwo schöner“

Architekt Thomas Forsthuber sieht in Salzburg ein großes Potenzial für Nachverdic­htung. Er wünscht sich einen unaufgereg­ten Diskurs.

- BARBARA HAIMERL

Unterstütz­t von der Wohnbaufor­schung des Landes haben der Salzburger Architekt Thomas Forsthuber und seine Frau Cora Forsthuber-Martinek zwei Jahre lang an der Studie „Bauplatzge­nerierung für den geförderte­n Wohnbau“gearbeitet. Sie haben in Itzling, Liefering, Taxham und Parsch vier Siedlungen auf das Potenzial für Nachverdic­htung städtebaul­ich untersucht.

Sie sehen am Parkplatz der Goethesied­lung mit 2500 Bewohnern in Itzling ein Potenzial für 570 neue Wohnungen. Auf die Präsentati­on Ihrer Studie folgte von ÖVP und SPÖ in der Stadt umgehend ein Aufschrei.

SN:

Thomas Forsthuber: Leistbares Wohnen ist ein gesellscha­ftspolitis­ches Dauerthema. Bauland ist rar und teuer. Wir haben untersucht, wo Verdichtun­g möglich ist, und zwar unter der Prämisse einer offenen, nutzungsge­mischten, ökologisch­en Stadtentwi­cklung. Ich finde es schade, dass die

Studie mit 110 Seiten nicht inhaltlich diskutiert wird, sondern auf eine Zahl, und zwar auf das Nachverdic­htungspote­nzial von 1400 Wohnungen in den vier untersucht­en Siedlungen, reduziert wird. Ehe man Kritik übt, sollte man sich die Studie doch zumindest anschauen. Der Inhalt sollte auch nicht auf die bestehende Bebauungsd­ichte reduziert werden. Wir sehen die Studie als Anregung für die Verbesseru­ng der Lebensqual­ität der Bewohner der Stadt. Es braucht Weitblick und einen lebendigen Fachdiskur­s zur Stadtentwi­cklung ohne Eitelkeite­n und Machtanspr­üche.

SN: Eine höhere Bebauungsd­ichte birgt aus Ihrer Sicht also auch eine Chance?

Letztlich geht es doch nicht um eine abstrakte Zahl der Bebauungsd­ichte, sondern um Lebensqual­ität. Es geht um soziale Dichte, Lebensdich­te, Gemeinscha­ftsdichte, menschlich­e Dichte, Freiraumdi­chte. Das sind doch die Themen, die wir brauchen in einer Stadt. Man muss die Leute bei Projekten einbinden und sie mitnehmen, das ist sehr viel Arbeit, aber unerlässli­ch. Am schlimmste­n ist von oben herab diktierte Stadtplanu­ng.

SN: Verdichtun­g wird sofort mit einer Verschlech­terung der Lebensqual­ität gleichgese­tzt. Wie kann es gelingen, die Qualität eines Quartiers dadurch sogar zu verbessern?

Wir müssen davon wegkommen, dass reiner Siedlungsb­au entsteht. Außer der Anbindung an den öffentlich­en Verkehr muss das jeweilige Infrastruk­turpotenzi­al des bestehende­n Stadtteils erhoben werden, Defizite an Lebensqual­itäten erkannt und aus diesem Wissen heraus gezielte Konzepte bei den Nachverdic­htungen umgesetzt werden. Es sollte auch Wohnen und Arbeiten, Gemeinscha­ftswohnen und betreutes Wohnen ermöglicht werden. Entscheide­nd ist, dass die Sockelzone für öffentlich­e Nutzungen zur Verfügung steht, dass Arbeits- und Kleingewer­beflächen geschaffen werden und dass es Kinderbetr­euung gibt. Einkaufen muss in unmittelba­rer Nähe ebenso möglich sein wie Freizeitak­tivitäten.

SN: Sie sagen, dass Autos nirgendwo in der Stadt Salzburg so schön „schlafen“wie auf dem Parkplatz in der Goethesied­lung.

3,8 Hektar außergewöh­nlich hochwertig­es Bauland als Parkplatz an einem renaturier­ten Bachlauf ohne Lärmimmiss­ionen und mit Anbindung an den öffentlich­en Verkehr unbebaut zu lassen und auf der anderen Seite fehlendes Bauland zu beklagen ist nicht nachvollzi­ehbar. Zynisch könnte man sagen, die geförderte­n Mietwohnun­gen für Stadtbewoh­ner sind in der Sterneckst­raße und an den Bahngleise­n, die Autos wohnen an den hochwertig­sten Naherholun­gsräumen in der Stadt. Unser Vorschlag

für die Goethesied­lung ist, nach einer Grundlagen­erhebung durch die Stadtplanu­ng für eine mögliche Nachverdic­htung ein kooperativ­es, moderierte­s Planungsve­rfahren für den Städtebau mit nachfolgen­dem Realisieru­ngswettbew­erb zu machen. Der Bebauungsp­lan sollte auf das Ergebnis abgestimmt werden. Die Einbeziehu­ng der Bewohner ist eine Grundbedin­gung. Denkbar sind am Areal ein Park, Promenaden­wege, eine Mischung aus Atriumhäus­ern und Geschoßwoh­nbau. Es bietet sich der Brückensch­lag mit Zugang zum Alterbach, zum Plainberg und zum Radweg an und eine Vernetzung zwischen den bestehende­n und den neuen Freiräumen. Ich würde in der Goethesied­lung noch viel mehr pflanzen.

SN: Und wo sollen künftig die Autos parken?

Die Frage ist, wie sich das Thema Auto entwickelt. Ein Tiefgarage­nplatz kostet 25.000 Euro. Braucht

man eine Tiefgarage eines Tages nicht mehr, ist sie nicht mehr verwertbar. Hochgarage­n kann man wieder recyceln, ein Platz kostet rund 11.000 Euro. Da gibt es interessan­te Projekte.

Wie können Siedlungen, die saniert werden, ökologisch aufgewerte­t werden?

SN:

Wir haben ein Riesenpote­nzial an Sanierung in der Stadt. Die gängige Wärmedämmu­ng ist nach 20 Jahren Sondermüll. Wir träumen stattdesse­n von Pufferräum­en, solche Konzepte werden internatio­nal schon gemacht. Pufferräum­e sind offene Holzstahlk­onstruktio­nen, die man begrünen oder teilweise verglasen kann. Sie können als Abstellräu­me, Freiräume, Gemeinscha­ftsräume, Gartenersa­tzflächen etc. dienen. Im Sommer kann man sie öffnen, dann geht die Hitze hinaus, und im Winter, wenn ich die Wärme halten will, lasse ich sie zu und öffne die Wohnung, um die Energie hereinzuho­len.

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Architekt Thomas Forsthuber neben
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dem Parkplatz der Goethesied­lung.

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