Koalitionspoker: Politiker müssen vor der Wahl Farbe bekennen
Wer mit wem um welchen Preis? Diese Frage hat vor jeder Wahl Hochkonjunktur. Die Bekenntnisse der Politik müssen auch nach dem Votum Bestand haben.
Vor lauter Schreckgespenstern, die vor der Wahl durch das Land geistern, könnte man es fast mit der Angst zu tun bekommen: Die ÖVP warnt vor einem bösen Erwachen mit Rot-Blau. Die SPÖ sieht Salzburg am Abgrund, falls ÖVP und FPÖ gemeinsame Sache machen. Und die Grünen appellieren auf Plakaten an Volkspartei und Sozialdemokratie, bloß die Finger von einer „Kickl-Koalition“zu lassen.
Hinter solchen Ansagen steckt natürlich Kalkül. Sie sollen potenzielle Wählerinnen und Wähler dazu animieren, das Kreuz am Stimmzettel bei der „richtigen“Partei zu machen. Die Botschaft lautet: Nur wenn wir so stark wie möglich werden, lässt sich eine Albtraumkonstellation verhindern. Weil dann für die Bildung der nächsten Landesregierung kein Weg an uns vorbeiführt.
Keine Festlegung. Das war die Strategie der ÖVP bei der Wahl vor fünf Jahren. „Koalitionsaussagen mache ich nicht“, bekräftigt Landeshauptmann Wilfried Haslauer heute wie damals – auch oder gerade weil die Volkspartei nach dem unrühmlichen Abgang von Bundeskanzler Sebastian Kurz, nach der Coronapandemie und inmitten der Energiekrise mit horrenden Strompreisen in die Defensive geraten ist. Für die Zusammensetzung der nächsten Regierung gilt: Alles ist möglich, nichts ist fix.
Am Zug seien zuerst die Wählerinnen und Wähler, heißt es immer. Ja, eh. Aber schickt es sich, nicht mit offenen Karten zu spielen? Haben die Wählerinnen und Wähler kein Recht darauf zu erfahren, bei wem welche Konstellationen
ganz oben auf der Liste stehen und welche von vornherein tabu sind?
Haslauers Amtskollege und Parteifreund in Tirol, Anton Mattle, hatte darauf im vorigen Jahr folgende Antwort parat: „Die Menschen sollen wissen, woran sie sind.“Mattle positionierte sich im Vorfeld der Tiroler Landtagswahl Ende September klar: Eine Zusammenarbeit mit der FPÖ schloss er kategorisch aus.
Für Haslauer dürfte das taktisch keine Option gewesen sein. Wohl auch, weil es nicht ausgeschlossen ist, dass sich eine Zweierkoalition nach der Wahl nur noch mit den Freiheitlichen ausgeht. Immerhin: Dass er mit der Ausdrucksweise der blauen Truppe rund um Herbert Kickl fremdelt, daraus macht der Landeshauptmann kein Geheimnis. Umgekehrt hat FPÖ-Chefin Marlene Svazek durchklingen lassen, zwar mit der ÖVP nach der Wahl eine Regierung bilden zu wollen – wenn, dann aber ohne Haslauer. Wie viel solche Ansagen wert sind, hat die FPÖ in Niederösterreich gezeigt, wo es noch am Wahlabend hieß, mit Mikl-Leitner sicher nicht paktieren zu wollen. Es kam anders, seit Donnerstag ist Schwarz-Blau im Amt.
Wie man schon vor der Wahl einen Richtungswechsel hinlegt und die eigene Linie verwässert, hat die SPÖ demonstriert. Parteichef David Egger hatte Monate vor Beginn des Wahlkampfs laut über eine rot-blaue Zusammenarbeit nachgedacht. Zuletzt ließ die Partei verlautbaren: „Mit dieser FPÖ ist kein Pakt möglich.“
Ein derartiger Schlingerkurs ist weitaus schädlicher, als klar Position zu beziehen. Auch wenn es taktisch ein Risiko sein mag: Politikerinnen und Politiker müssen vor der Wahl Farbe bekennen – und danach dazu stehen. Spätere Abweichungen davon widersprechen nicht nur dem so oft zitierten Wählerwillen. Sondern schaden auch dem Ansehen der Politik insgesamt.
Klare Position schadet weniger als Schlingerkurs