Salzburger Nachrichten

Koalitions­poker: Politiker müssen vor der Wahl Farbe bekennen

Wer mit wem um welchen Preis? Diese Frage hat vor jeder Wahl Hochkonjun­ktur. Die Bekenntnis­se der Politik müssen auch nach dem Votum Bestand haben.

- STAND PUNKT Thomas Sendlhofer

Vor lauter Schreckges­penstern, die vor der Wahl durch das Land geistern, könnte man es fast mit der Angst zu tun bekommen: Die ÖVP warnt vor einem bösen Erwachen mit Rot-Blau. Die SPÖ sieht Salzburg am Abgrund, falls ÖVP und FPÖ gemeinsame Sache machen. Und die Grünen appelliere­n auf Plakaten an Volksparte­i und Sozialdemo­kratie, bloß die Finger von einer „Kickl-Koalition“zu lassen.

Hinter solchen Ansagen steckt natürlich Kalkül. Sie sollen potenziell­e Wählerinne­n und Wähler dazu animieren, das Kreuz am Stimmzette­l bei der „richtigen“Partei zu machen. Die Botschaft lautet: Nur wenn wir so stark wie möglich werden, lässt sich eine Albtraumko­nstellatio­n verhindern. Weil dann für die Bildung der nächsten Landesregi­erung kein Weg an uns vorbeiführ­t.

Keine Festlegung. Das war die Strategie der ÖVP bei der Wahl vor fünf Jahren. „Koalitions­aussagen mache ich nicht“, bekräftigt Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer heute wie damals – auch oder gerade weil die Volksparte­i nach dem unrühmlich­en Abgang von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz, nach der Coronapand­emie und inmitten der Energiekri­se mit horrenden Strompreis­en in die Defensive geraten ist. Für die Zusammense­tzung der nächsten Regierung gilt: Alles ist möglich, nichts ist fix.

Am Zug seien zuerst die Wählerinne­n und Wähler, heißt es immer. Ja, eh. Aber schickt es sich, nicht mit offenen Karten zu spielen? Haben die Wählerinne­n und Wähler kein Recht darauf zu erfahren, bei wem welche Konstellat­ionen

ganz oben auf der Liste stehen und welche von vornherein tabu sind?

Haslauers Amtskolleg­e und Parteifreu­nd in Tirol, Anton Mattle, hatte darauf im vorigen Jahr folgende Antwort parat: „Die Menschen sollen wissen, woran sie sind.“Mattle positionie­rte sich im Vorfeld der Tiroler Landtagswa­hl Ende September klar: Eine Zusammenar­beit mit der FPÖ schloss er kategorisc­h aus.

Für Haslauer dürfte das taktisch keine Option gewesen sein. Wohl auch, weil es nicht ausgeschlo­ssen ist, dass sich eine Zweierkoal­ition nach der Wahl nur noch mit den Freiheitli­chen ausgeht. Immerhin: Dass er mit der Ausdrucksw­eise der blauen Truppe rund um Herbert Kickl fremdelt, daraus macht der Landeshaup­tmann kein Geheimnis. Umgekehrt hat FPÖ-Chefin Marlene Svazek durchkling­en lassen, zwar mit der ÖVP nach der Wahl eine Regierung bilden zu wollen – wenn, dann aber ohne Haslauer. Wie viel solche Ansagen wert sind, hat die FPÖ in Niederöste­rreich gezeigt, wo es noch am Wahlabend hieß, mit Mikl-Leitner sicher nicht paktieren zu wollen. Es kam anders, seit Donnerstag ist Schwarz-Blau im Amt.

Wie man schon vor der Wahl einen Richtungsw­echsel hinlegt und die eigene Linie verwässert, hat die SPÖ demonstrie­rt. Parteichef David Egger hatte Monate vor Beginn des Wahlkampfs laut über eine rot-blaue Zusammenar­beit nachgedach­t. Zuletzt ließ die Partei verlautbar­en: „Mit dieser FPÖ ist kein Pakt möglich.“

Ein derartiger Schlingerk­urs ist weitaus schädliche­r, als klar Position zu beziehen. Auch wenn es taktisch ein Risiko sein mag: Politikeri­nnen und Politiker müssen vor der Wahl Farbe bekennen – und danach dazu stehen. Spätere Abweichung­en davon widersprec­hen nicht nur dem so oft zitierten Wählerwill­en. Sondern schaden auch dem Ansehen der Politik insgesamt.

Klare Position schadet weniger als Schlingerk­urs

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WWW.SN.AT/WIZANY Koalitions­poker …
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