Putins stärkste Waffe ist unsere Angst
Russland will Atomwaffen in Belarus stationieren. Was zunächst wie eine Schreckensmeldung klingt, ist reinste Propaganda.
Samstagabend, beste Sendezeit. In Europa fiebern die Menschen mit ihren Fußballern mit. Die EM-Qualifikation läuft. In Russland dagegen hat der Präsident das wichtigste TV-Zeitfenster gebucht. Wladimir Putin hält eine Botschaft bereit, die Medien auf der ganzen Welt sofort vermelden: Russland wird taktische Atomwaffen in Belarus stationieren. Es ist die erneute, nochmals zugespitzte Drohung mit dem Einsatz der Bombe.
Erster Adressat ist die Ukraine. Denn von der belarussischen Grenze sind es keine 100 Kilometer bis Kiew. Das verringert die Frühwarnzeit. Aber die Menschen in der Ukraine sagen mit großer Mehrheit, dass sie auch bei einem Nukleareinsatz nicht kapitulieren werden.
Der zweite Adressat sind die Regierungen im Westen. Die Unterstützung für die Ukraine stand dort von Anfang an unter dem Vorbehalt, eine direkte Konfrontation mit Russland ebenso zu vermeiden wie eine atomare Eskalation. Wenn der Kreml nun die Drohungen verstärkt, verändert er die Risikoanalyse in den USA und Europa.
Zuallererst aber schürt Putin die Angst der Menschen. Jener Menschen, die lieber Fußball schauen und feiern möchten, als sich um einen Atomkrieg zu sorgen. Wir Europäer sind der dritte und wichtigste
Adressat des Kremlchefs. Putin zielt auf uns, auf die westlichen Gesellschaften mit ihrer verständlichen und berechtigten Friedenssehnsucht. Er will bei uns Furcht auslösen. Damit der Druck von unten auf die Regierungen wächst, lieber die Ukraine fallen zu lassen, bevor es zum Schlimmsten kommt.
Genau diese Angst ist Putins stärkste Waffe. Denn seine Armee kommt in der Ukraine nicht voran. Hält der Westen an seinen Waffenlieferungen fest, drohen Russland weitere Niederlagen. Zugleich sind sich alle Fachleute einig, dass ein Einsatz von Nuklearwaffen in der Ukraine militärisch nicht den geringsten Sinn ergibt. Was auch sollte eine Atombombe in Bachmut ausrichten oder sonst irgendwo an der Front? Die eigenen Soldaten wären ebenso Ziel wie der Gegner.
Und der Abschuss einer nuklear bestückten Rakete auf Kiew würde Putin endgültig zum internationalen Paria machen. Dann würde sich selbst Chinas Staatschef Xi Jinping von ihm abwenden.
Faktisch ändert also die Stationierung von Atomwaffen in Belarus nichts an der Bedrohungslage. Was sich aber ändert, ist das Bedrohungsgefühl im Westen. Dabei wäre es ein Fehler, der Angst nachzugeben. Denn dann wird Putin immer weitermachen.