Salzburger Nachrichten

Das politische Konzert war auch schon einmal besser

Die Qualität der Politik ist im Keller. Was ist nur aus SPÖ und ÖVP geworden?

- Alexander Purger

Sitzt man in einem schlecht gespielten Konzert oder einer mangelhaft­en Opernauffü­hrung, muss man sich nicht ärgern. Man sollte trotzdem aufmerksam zuhören, denn aus einer schlechten Aufführung lernt man am besten, was eine gute Aufführung ausmacht und wie schwer sie zu bewerkstel­ligen ist. Ein gutes Konzert kann am meisten schätzen, wer manchmal auch schlechte hört.

Genauso ist es in der Politik. Mit der Qualität der heimischen Politik geht es scheinbar unaufhalts­am bergab, daran gibt es leider nichts zu deuteln. An der geringen Qualität der aktuellen politische­n Darbietung­en lässt sich aber immerhin ermessen, um wie vieles höher die Qualität zu anderen Zeiten war.

Man nehme nur die SPÖ und vergleiche ihre Integratio­nskraft in den Kreisky-Jahren und heute. Da besteht ein (wenn man das im Zusammenha­ng mit einer laizistisc­hen Partei sagen darf) himmelhohe­r Unterschie­d. Damals schaffte es die Sozialdemo­kratie problemlos, Studenten und Pensionist­en, Künstler und Bauarbeite­r hinter sich zu vereinigen. Heute kann sie nicht einmal mehr für Friede und Freundscha­ft zwischen den eigenen Genossen in Wien und Eisenstadt sorgen.

Auch die Integratio­nskraft der zweiten traditione­llen Volksparte­i in Österreich, der ÖVP, ist stark geschrumpf­t. Da braucht man sich nur ihren Niedergang in der Wählerguns­t ansehen. Einst vertraten SPÖ und ÖVP zusammen 95 Prozent der Wähler, heute sind es laut aktuellen Umfragen gerade noch 45 Prozent. Der

Rest ist zu anderen Parteien mit speziellen Angeboten abgewander­t. Die Zeit der großen, integrativ­en Volksparte­ien ist vorbei.

Das drückt insofern auf die Qualität der Politik, als die Zerklüftun­g der Parteienla­ndschaft zu einer Radikalisi­erung der politische­n Auseinande­rsetzung geführt hat. Klar: Je mehr Mitbewerbe­r es gibt, desto deutlicher muss man sich als Partei nach allen Seiten abgrenzen, desto lauter muss der eigene Standpunkt vertreten werden. Das macht die Kompromiss­findung heute so schwierig und hat dazu geführt, dass große Reformproj­ekte (etwa eine Pensions- oder Bundesstaa­tsreform oder gar eine Neudefinit­ion der österreich­ischen Sicherheit­spolitik) mangels Aussicht auf Konsens erst gar nicht mehr versucht werden. Lieber lässt man die Dinge treiben.

Stattdesse­n verheddert sich die SPÖ in ein heilloses Statuten-Wirrwarr, um irgendwie ihre Führungskr­ise in den Griff zu bekommen. Und stattdesse­n zimmert die ÖVP in Niederöste­rreich eine Koalition, in der sich die Partner derart ablehnen, dass sie sich nicht einmal gegenseiti­g in die Regierungs­ämter wählen.

Schlecht, ganz schlecht. Wann wird man wieder ein gutes politische­s Konzert hören?

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