Einschüchterungsversuch oder ernste Bedrohung?
Der russische Präsident kündigt an, Atomwaffen in Belarus zu stationieren. Er will damit auch die Unterstützung für die Ukraine im Krieg mit Russland brechen.
Zurückgelehnt im Sessel kündigt Kremlchef Wladimir Putin in ruhigem Ton im russischen Staatsfernsehen die Stationierung taktischer Atomwaffen in Belarus an. Die Nachricht aus Moskau macht am Samstagabend blitzschnell die Runde. Erstmals rückt Putin nun die nuklearen Geschosse näher an die EU und Nato heran.
Es ist eine neue konkrete Atomdrohung, nachdem der russische Präsident bereits die strategischen Nuklearwaffen im Zuge seines Krieges in der Ukraine in erhöhte Bereitschaft versetzt hat – zur Abschreckung der Nato. Putin will sich Gehör verschaffen und zeigen, dass er nicht blufft, sondern handelt.
Schon jetzt würden sich in Belarus zehn Kampfflugzeuge befinden, die mit atomaren Sprengköpfen bewaffnet werden können. Am 3. April beginne dann die Ausbildung belarussischer Piloten an diesem Gerät, am 1. Juli wird ein Speziallager für die Aufbewahrung der atomaren Waffen fertiggestellt.
Putin machte keine genauen Angaben, wann und wie viele taktische Atomsprengköpfe tatsächlich in Belarus stationiert werden. Aber er betonte, Russland tue dasselbe wie die USA, die ebenfalls in mehreren verbündeten europäischen Ländern taktische Atomraketen in Stellung gebracht hätten.
Und der Kremlchef fügte hinzu, dass Russland damit nicht gegen seine internationalen Verpflichtungen zur Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen verstoße. Die Begründung: Russland gebe die Kontrolle der Waffen nicht aus der Hand, sondern halte sie dort vor. Die USA handelten auch so. „Wir machen nur das, was sie schon seit Jahrzehnten machen“, sagte er mit Blick auf US-Atomwaffen in Europa.
Die Nato sowie Politik und Experten im Westen tun den Schritt am Sonntag aber überwiegend als bloßen Einschüchterungsversuch ab. Putins Ziel sei es vor allem, die militärische Unterstützung des Westens für die Ukraine zu brechen, heißt es einhellig. Die Ukraine attestierte Putin auch Angst: Der Kremlchef reagiere so, weil er fürchte, seinen im Februar 2022 begonnenen Angriffskrieg zu verlieren.
Beeindrucken lassen wollen sich weder der Westen noch die Ukraine von Putins Muskelspielen. Auch die Experten des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) sehen keine wachsende Gefahr eines möglichen
Atomkrieges. Das Risiko bleibe „extrem niedrig“. Schon bisher könne Russland mit seinen Atomwaffen jeden Punkt der Erde erreichen, dafür brauche es seinen Verbündeten Belarus nicht, so die ISW-Analyse.
In der Tat haben Russlands taktische Atomwaffen in Belarus nur beschränkten Einfluss auf die strategische Lage in Osteuropa. Schon jetzt stehen in der Region Kaliningrad, an der polnischen Grenze, Iskander-M-Raketen.
Experten gehen davon aus, dass es dort auch Lager taktischer Atomsprengköpfe gibt. Und konventionelle Raketen, mit denen Russland regelmäßig Ziele in der gesamten Ukraine angreift, werden aus Sicherheitsgründen oft aus dem russischen Hinterland oder gar vom Kaspischen Meer abgeschossen. Das könnte im Eskalationsfall auch für taktische Atomsprengköpfe gelten.
Der Moskauer Militärexperte Viktor Litowkin sieht daher keine Änderung in der Bedrohung für den Westen. Stattdessen würde Moskau eine Botschaft an die Verbündeten der Ukraine schicken. Putin wolle die Unterstützung für die Ukraine im Krieg mit Russland brechen. Putins ehemaliger Redenschreiber, der Politologe Abbas Galljamow, wertet die atomare Drohung des Präsidenten als eine „panische Reaktion“. Offenbar habe der Kremlchef keine Strategie mehr, meint der Politologe. „Deshalb wankt er hin und her.“
Experte wertet Schritt als „panische Reaktion“