Hamlet kann eine Frau sein und hört auch Abba-Songs
Ein gefüllter Einkaufswagen, ein weißes Leintuch, das als Kulisse für ein Schattentheater dient, und ein Bühnenmodell, das an die elisabethanischen Theater zu Shakespeares Zeiten erinnert – mehr braucht die südafrikanische Schauspielerin Janna Ramos-Violante nicht, um einen abwechslungsreichen „Hamlet“auf die Bühne zu zaubern. Die englischsprachige Inszenierung von Carl Philip von Maldeghem hatte am Freitag im Probenzentrum des Landestheaters in Salzburg-Aigen Premiere.
Die Handlung des Shakespeare-Klassikers ist bekannt: Claudius, der Bruder des Königs von Dänemark, ermordet den Herrscher, reißt die Krone an sich und heiratet seine Schwägerin Gertrude. Prinz Hamlet strebt danach, seinen Vater zu rächen.
Ramos-Violante schlüpft in der einstündigen Aufführung in alle Rollen und bringt ein dynamisches Best-of der wichtigsten Szenen. Sie überzeugt als melancholischer, über das Leben sinnierender Hamlet ebenso wie als empfindsame Ophelia, die nicht zuletzt auch wegen der unerfüllten Liebe zu Hamlet dem Wahnsinn verfällt. Mit einfachen Mitteln gelingen der Darstellerin einprägsame Momente. Etwa wenn Ophelia bei ihrem Freitod als Puppenfigur in ein Aquarium eintaucht, der Geist von Hamlets Vater als eindrucksvolle Videoinstallation in einem Spiegel erscheint und die Mitglieder der Schauspieltruppe, die Hamlet engagiert, als Schattenfiguren über die Leintuchleinwand tanzen. Der Ansatz der Inszenierung, Shakespeares meistgespieltes Werk mit frischem Anstrich sowie einer Prise
Dynamisches Best-of der wichtigsten Szenen
britischem Humor für das heutige Publikum zu bringen, geht auf. So wirken Hamlets Handytelefonat mit seinem Freund Horatio und der Einbau des ABBA-Hits „Waterloo“(eine Anspielung auf die scheiternde Beziehung von Hamlet und Ophelia) stimmig. Mit „She/Her“, dem Untertitel der Produktion, regt Ramos-Violante zum Hinterfragen der klassischen Auffassung der Geschlechterrollen im Stück an. Letztlich wird deutlich, dass Hamlet auch eine Frau sein könnte und es mehr um psychologische Prozesse als um Stereotype geht. „Hamlet“ist hochaktuell – hier geht es um eine aus den Fugen geratene Zeit. Das Wertesystem einer Gesellschaft bröckelt und wird durch Verbrechen erschüttert. Diesem Aspekt wird in der Inszenierung kaum Rechnung getragen. Dennoch: Gelungener Theaterabend – und viel Applaus.