Salzburger Nachrichten

„Ich sehe eine Rezession mit Inflation kommen“

Peter Brabeck-Letmathe stand 20 Jahre an der Spitze des Weltkonzer­ns Nestlé. Jetzt sieht er das Zeitalter der Deglobalis­ierung gekommen.

- MONIKA GRAF

Peter Brabeck-Letmathe ist mit 78 Jahren aktiv wie andere mit 50 nicht. Fünf Jahre nach seinem Ausscheide­n als Verwaltung­sratspräsi­dent von Nestlé ist er in viele Projekte involviert. Derzeit promotet er seine Autobiogra­fie „Aufstiege“, die soeben auf Deutsch erschienen ist. Hinsichtli­ch der weiteren politische­n Entwicklun­gen ist er nicht sehr optimistis­ch.

SN: Sie waren lange Chef eines der größten Lebensmitt­elkonzerne der Welt. Wie sehen Sie die derzeitige Preisentwi­cklung? Hätten Sie je damit gerechnet?

Peter Brabeck-Letmathe: Wir hatten 20 Jahre, in denen es fast keine Inflation gab und Geld kostenlos zur Verfügung stand. Eine geschichtl­ich einmalige Zeit. Das waren die Folgen der Globalisie­rung, die zu einer weltweiten wirtschaft­lichen Effizienzs­teigerung und zu immer niedrigere­n Preisen geführt haben. Wenn wir diese Strömung umkehren, sind auch die Effekte umgekehrt. Unsere Wirtschaft resiliente­r machen zu wollen, wie es so schön heißt, bedeutet in Wirklichke­it, wir wollen deglobalis­ieren. Und das heißt weniger Effizienz als früher, die Preise gehen in die Höhe – also Inflation und das Geld wird teurer. Da sind wir jetzt. Dazu kommt ein Punkt, den die Politiker gern vergessen lassen wollen: Dass sich in der Zeit, in der das Geld nichts wert war, die Staaten stark verschulde­t haben und Geld wie mit der Gießkanne verteilt wurde. Wir haben alle gewusst, dass diese unglaublic­hen

Geldmengen eines Tages zu hoher Inflation führen werden. Jetzt zu sagen, wir haben diese Inflation, weil es Krieg in der Ukraine gibt, ist absolut lächerlich. Der Grund sind die Deglobalis­ierung und die Inflations­politik in der Vergangenh­eit.

SN: Aus hoher Inflation rauszukomm­en ist schwierig. Was sollte passieren?

Ich gehe einen Schritt weiter. Das sind Grundström­ungen. Die ändern sich nicht von einem Tag auf den anderen. Für mich sind die nächsten zehn, zwanzig Jahre die Zeit der Deglobalis­ierung, mit den Folgen, die ich schon beschriebe­n habe.

SN: Was erwarten Sie? Soziale Unruhen?

Inflation wird hauptsächl­ich von der unteren Einkommens­schicht bezahlt und das wird wieder zu einer Spannung führen, die den Populisten den Weg bereitet. Das wissen wir geschichtl­ich und das ist wahrschein­lich politisch die größte Gefahr.

SN: Werden die Preise wieder runtergehe­n?

Das sehe ich nicht. Wenn wir die Produkte von Ländern, die effiziente­r produziere­n, nicht wollen und uns nicht Zugang zu den Rohstoffen verschaffe­n, die wir bräuchten, um effizient hier in Europa zu produziere­n, dann sehe ich nicht, wie die Preise zurückgehe­n sollten. Dazu kommt, dass durch die Inflation der Großteil der Bevölkerun­g weniger und nicht mehr ausgeben kann. Es wird also keinen Nachfrages­chub geben, der effiziente­re Produktion erlaubt. Das wird ein Teufelskre­is.

Ich sehe eher einer Inflation.

Wasser ist ein zunehmend knappes Gut. Sie kennen das Thema gut. Jetzt will auch Red Bull in den Bereich. Kommt das große Geschäft mit Wasser?

SN:

eine Rezession mit

Wenn das Geschäft so groß wäre, dann hätte wahrschein­lich Nestlé nicht das Wassergesc­häft in den USA verkauft. Ich sehe auch nicht, dass Red Bull irgendwann Margen mit Wasser wie mit Red Bull verdienen kann. Die Margen bei Wasser sind gering, steigen aber, sobald man dem Wasser etwas hinzufügt.

SN: Verstehen Sie die Ängste um Wasser und Wassernot?

Dass wir als Menschheit Wassernot haben und weiterhin produziere­n, ist ein anderes Problem. Als ich noch für Nestlé verantwort­lich war, hatte unser Wassergesc­häft 0,0009 Prozent Anteil am globalen Wasserabfl­uss. Natürlich war in der Öffentlich­keit das Image, wir verbrauche­n das Wasser der Welt. Auch wenn Sie das ganze Bottled-Water-Geschäft verbieten, ist das keine Lösung. Die Lösung liegt in der Wassereffi­zienz der Landwirtsc­haft, der Industrie und der Haushalte, die zehn Prozent verbrauche­n. Hätten wir die Wassereffi­zienz Israels oder Singapurs, gäbe es kein Problem. Die Lösungen bestehen, nur fehlt der politische Wille, sie umzusetzen.

SN: Sie sind heute mehr Schweizer als Österreich­er und leben dort. Was denken Sie über das Ende der Credit Suisse?

Das ist ein riesiger Schock für alle, weil es eine 167-jährige Institutio­n ist, die eigentlich verantwort­lich war für den Aufbau der Schweizer Wirtschaft auch internatio­nal. Die mittelstän­dische Wirtschaft hängt stark von der Credit Suisse ab. Der Anfang vom Ende war, als sie ihr Bewusstsei­n, eine Schweizer Infrastruk­turbank zu sein, verloren hat. Plötzlich war sie die große internatio­nale Bank, die ein rein kapitalist­i

sches Institut wurde, das sich mehr an angelsächs­ischen Wertvorste­llungen – das heißt Geld – orientiert hat. Ein Unternehme­n, das nur Geld als Daseinszwe­ck hat, hat keine langfristi­ge Überlebens­chance.

SN: Schafft die UBS diese Übernahme?

Ich will das nicht kritisiere­n, aber ich finde es schade, dass man keine andere Lösung gefunden hat, die die Credit Suisse als Schweizer Bank bestehen lassen konnte. Es wäre für den Schweizer Finanzplat­z und die Industrie gut, wenn wir eine zweite Bank hätten und nicht nur eine, die jetzt zwei Mal so groß ist wie die gesamte Wirtschaft der Schweiz. Das ist ein Monster. Das ist extrem gefährlich.

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BILD: SN/WILLIAM GAMMUTO (VEVEY) Peter Brabeck-Letmathe

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