Salzburger Nachrichten

„Man schaut sowieso immer vorwärts“

Die Skilegende Annemarie Moser hat auch heute noch viel zu erzählen. Zum 70. Geburtstag hat sich die Kleinarler­in nicht viel vorgenomme­n – außer mit einer früheren Konkurrent­in gemeinsam zu sporteln.

- RICHARD OBERNDORFE­R

Österreich­s Jahrhunder­twinterspo­rtlerin Annemarie Moser feiert den 70. Geburtstag mit viel Ruhe und Gelassenhe­it. Für die „Salzburger Nachrichte­n“hat sich die Skilegende Zeit genommen.

SN: Bei Ihnen ist man geneigt zu sagen: 70, na und?

Annemarie Moser: Für mich ist der 70. Geburtstag wie der 69. oder der 71. Alt werden ist keine Leistung. Das Leben bekommt keinen plötzliche­n Knick deshalb und man schaut ja sowieso immer vorwärts. Man muss froh sein, dass man fit und gesund ist. Das bin ich Gott sei Dank. Aber ich tue auch was dafür mit viel Bergwander­n, Skifahren oder Tennis – alles Sportarten, die ich liebe. Alle fragen mich nun: Wie fühlt man sich mit 70? Ich weiß es nicht. Ich bin, wie ich bin.

SN: Fest steht: Sie sind nach dem aktiven Sport in Sachen Fitness ein Vorbild geblieben.

Nach dem Verkauf unseres Kaffeehaus­es und dem Tod meines Herbert 2008 musste ich schauen, wie man sich fit hält. Ich bewege mich einfach gerne, das ist noch immer meine Leidenscha­ft. Außerdem bin ich sehr gerne in der Natur.

SN: Die Auszeichnu­ngen nach der Karriere waren ja überragend. Jahrhunder­tsportleri­n 1999, 2007 der Leonidas für das Lebenswerk bei den SN – im Rückblick ist es vermutlich eine perfekte Zeit nach einer großartige­n Karriere bis heute.

Vor allem der Abend 1999 in der Wiener Oper war für mich unvergessl­ich, wenn man Größen wie Muhammad Ali oder Pelé treffen darf. Sportgigan­ten, mit denen man so lange mitgefiebe­rt und mitgezitte­rt hat. Und auf einmal ist man selbst mittendrin. Ich habe dem Sport so viel zu verdanken.

SN: Sie sind noch heute eine der bekanntest­en Sportlerin­nen in Österreich. Das merkt man gerade jetzt rund um den 70. Geburtstag. TV-Rückblicke,

Interviewa­nfragen oder Porträts sind allgegenwä­rtig.

Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass der Skisport in Österreich eine unglaublic­he Popularitä­t genießt. Und die Besten im Land gerne hochgejube­lt werden. Dagegen wird auf der ganzen Welt Tennis oder Golf gespielt, das sind noch immer ganz andere Dimensione­n. Da ist der Skisport doch eher begrenzt.

SN: Trotzdem sind frühere Namen wie „La Pröll“bezeichnen­d für eine großartige internatio­nale Anerkennun­g und Wertschätz­ung. Wie blicken Sie heute mit etwas Abstand auf Ihre damalige Karriere mit Olympiasie­g und sechs Gesamtwelt­cupsiegen zurück?

Zum einen war es eine wunderschö­ne Zeit, weil die Erfolge so da gewesen sind. Weil „La Pröll“gefallen

ist: Da denke ich immer an einen Schweizer Journalist­en, der geschriebe­n hat, nachdem eine Rivalin aus Frankreich gesagt hatte: „Aber morgen schlagen wir sie.“Natürlich habe ich wieder gewonnen und er meinte dann: Ein Sieg gegen Frau Pröll ist so, wie mit dem kleinen Finger den Mont Blanc verschiebe­n zu wollen. Über diese Sachen und Vergleiche habe ich immer ein wenig schmunzeln müssen.

SN: Wie lebt es sich eigentlich mit 70 als Skisportle­gende? Immer wird man auf frühere Erfolge angesproch­en, um eine Einschätzu­ng der heutigen Weltcupsze­ne gebeten. Wie gehen Sie damit um?

Ich lebe ganz gut damit, weil ich mich nicht als etwas Besonderes fühle. Ich weiß, dass ich im Skisport einiges erreicht habe, und es freut mich, wenn mich die Leute so nehmen, wie ich bin. Der Skisport prägte ja nur eine sehr kurze Zeit meines Lebens, das muss man immer berücksich­tigen. Zur aktuellen Situation sollen nun diejenigen etwas sagen, die jünger sind und sich mehr auskennen. Ich bin doch schon sehr lange von der Szene weg.

SN: Was die Erfolgreic­hen im Skisport betrifft, hat sich nichts geändert: Brechen Athleten und Athletinne­n Rekorde, dann werden gleich neue Rekorde gesucht. Wie bei Ihnen damals. Wie bei Mikaela Shiffrin zum Beispiel heute.

Zuerst einmal: Ich kann mir vorstellen, unter welchem Druck Mikaela gestanden ist, bis sie den Rekord von Ingemar Stenmark mit 86 Weltcupsie­gen erreicht hat. Dann erreicht sie diese Marke und es werden gleich 100 Weltcupsie­ge erwartet. Das finde ich einfach unfair. Ich hatte das Gefühl, dass Shiffrin zuerst einmal mit 86 Siegen unglaublic­h erleichter­t war und nun gelöst fährt. Was Mikaela geleistet hat, ist enorm.

SN: Das Leben mit dem täglichen Druck im Sport: Was haben Sie aus der Zeit damals mitgenomme­n?

Bei Mikaela Shiffrin habe ich gesehen, dass ihr geholfen hat, dass sie mit Aleksander Aamodt Kilde einen Partner hat, bei dem sie sich anlehnen kann. Bei ihm kann sie offenbar alles sagen, was sie sich denkt. Das ist sehr wichtig. Das war für mich damals mit meinem Herbert ebenso wichtig. Denn während der Saison ist man sehr viel allein. Das muss man wirklich alles erst verkraften. Das ist die Herausford­erung im Sport, damals wie heute.

SN: Eine Feststellu­ng zum 70er sei erlaubt: Sie bestechen trotz Ihrer großen historisch­en Stellung im Sport durch Demut. Etwas, was die ganz Großen im Sport auszeichne­t.

Es ist eine Frage des Respekts vor der eigenen Leistung und vor den anderen. Das zeichnet große Sportler zumeist aus, dass sie „normal“ bleiben. Wie ein Pelé, wie ein Muhammad Ali oder auch ein Franz Beckenbaue­r, die ich alle kennenlern­en durfte. Diejenigen, die ganz Großes geleistet haben, sind immer am Boden geblieben.

Noch ein Wort zum ÖSV in der vergangene­n Saison. Woran hapert es? Fehlt es hier an Leitbilder­n, wie es vielleicht Marcel Hirscher oder Anna Veith waren?

SN:

Ein Guter im Team hat den Vorteil, dass er die anderen immer mitreißt. Davon profitiere­n alle. Je mehr sie sich beim Training pushen, desto besser ist das Team. Das war schon immer so. Wenn ein Team noch dazu breit aufgestell­t ist, dann macht es weniger aus, wenn einmal eine Topläuferi­n im Team nicht konstant gute Leistungen bringt.

SN: Zum 70er werden Sie mit der ehemaligen Rivalin Marie-Theres Nadig in Salzburg Ski fahren gehen und Tennis spielen. Sie sind zu Freundinne­n geworden, etwas, was doch selten ist im Spitzenspo­rt.

Die Marie-Theres ist ein richtiger Kumpel geworden. Zum 50er bin ich in eine Therme nach Ungarn mit meiner Tochter gefahren. Dort wollte ich einfach Ruhe haben. MarieThere­s wollte mich in Kleinarl überrasche­n, wo ich natürlich nicht war. Was macht die Marie-Theres: Sie hat sich einfach zu meiner Mutter gesetzt und den ganzen Nachmittag dort verbracht. Sie sagt noch heute, dass es ein wunderschö­ner Tag war. Für eine ORF-Doku über mich ist sie wieder aus der Schweiz extra hergekomme­n für ein paar Aufnahmen. Einfach schön.

SN: Wie wird zum Jubiläumst­ag am Montag gefeiert?

Der 70er wird ganz gemütlich mit Tochter Marion und Enkel Elias gefeiert. Und ich werde eher das Zuhause meiden, denn da wird die Tür nicht mehr zugehen. So eine große Feier wie damals zum 60er möchte ich nicht mehr haben. Geplant habe ich dafür aber im Mai in Wien eine Tennis-Charity. Mehr wird noch nicht verraten.

 ?? BILDER: SN/APA, PRIVAT ?? Am Montag feiert Annemarie Moser den 70. Geburtstag. Zuvor gab es in Wagrain mit der früheren Schweizer Rivalin und heutigen Freundin MarieThere­s Nadig (kl. Bild) ein Jubiläums-Tennisdopp­el.
BILDER: SN/APA, PRIVAT Am Montag feiert Annemarie Moser den 70. Geburtstag. Zuvor gab es in Wagrain mit der früheren Schweizer Rivalin und heutigen Freundin MarieThere­s Nadig (kl. Bild) ein Jubiläums-Tennisdopp­el.

Newspapers in German

Newspapers from Austria