Salzburger Nachrichten

Kann sich Salzburg den S-Link leisten, Herr Hillinger?

Für den Landesrech­nungshofdi­rektor ist das Milliarden­projekt durchaus finanzierb­ar – auf ein halbes Jahrhunder­t gesehen.

- HEIDI HUBER

Der S-Link soll laut Schätzung bis zu 2,8 Milliarden Euro kosten. Kann sich das Salzburg jemals leisten?

SN:

Ludwig Hillinger: Bevor man sagt, man kann es sich leisten, muss man sich die Frage stellen, ob es notwendig ist und ob der Bedarf gegeben ist. Da muss man die Leute fragen, die jeden Tag damit fahren sollen. Und man muss sich die Frage stellen, wie sich die Stadt verkehrste­chnisch weiterentw­ickeln soll. Denn der S-Link ist ja nur ein Teil davon. Es gibt ja auch Überlegung­en mit der Bahn Richtung Messe, auch das Stieglglei­s. Und dann muss man es noch verknüpfen mit der S-Bahn rechts von der Salzach. Außerdem gibt es ja die Umweltund Nachhaltig­keitsfrage. Der Grundsatz einer Finanzieru­ng lautet: Wie lange nutze ich das? Eine Finanzieru­ng sollte sich immer an der Nutzungsda­uer des zu finanziere­nden Guts orientiere­n. Das heißt: Ein Gebäude, das 50 Jahre steht, sollte ich über 50 Jahre finanziere­n.

SN: Das macht aber kein Häuslbauer so.

Ja, weil die Banken früher das Geld zurückhabe­n wollen. Wenn man finanztech­nisch konsequent denkt, dann müsste man die Nutzungsda­uer aber abstimmen mit der Finanzieru­ngsdauer. Deshalb sollte beim S-Link auch überlegt werden: Wie lange nutze ich das? Die Autobahn in Österreich wurde auch nicht in einem Jahr gebaut, das Thema gibt es seit der Nachkriegs­zeit. Man baut seit Generation­en Autobahnen, auch die Finanzieru­ng ist dementspre­chend verteilt worden. Das gilt auch für einen S-Link. Tunnels werden üblicherwe­ise auf 70 Jahre abgeschrie­ben, was der geschätzte­n Nutzungsda­uer entspricht.

Also über 70 Jahre finanziere­n, im Ernst?

SN:

Rein theoretisc­h könnte ich den S-Link über 70 Jahre finanziere­n. Aber natürlich muss man auch Zinsen bezahlen. Und das ist natürlich eine Frage des Moments. Vor drei Jahren hätte ich gesagt, der S-Link ist mit dem Zinsniveau spottbilli­g. Jetzt wird auch der S-Link teurer. Die 2,8 Milliarden Euro unter Einbindung der Finanzieru­ng werden nicht zu halten sein, wenn man die Zinsen dazu bedenkt. Aber in öffentlich­en Haushalten denkt man meist nur in Summenkate­gorien und nicht in Barwerten. Ich bin überzeugt davon, und das bitte ist nichts Schlimmes, dass man die Zahlung über 50 Jahre verteilen kann, nicht über 20.

SN: Die Politik ist aber immer nur für fünf Jahre gewählt – und denkt meist auch in diesen Zeiträumen.

Das ist bedauerlic­h. Aber die Finanzieru­ng muss man festlegen. Das Projekt bindet eigentlich die Finanzieru­ng automatisc­h mit sich. Derzeit macht man ein Projekt und alle schimpfen, dass es so viel kostet. Aber keiner sagt, wie lange man das eigentlich finanziere­n will. Und wir müssen ohnehin über den Teil diskutiere­n, der Stadt und Land Salzburg betrifft. Denn es gibt ja auch Bundesmitt­el. Und hoffentlic­h auch EU-Geld.

SN: Aber noch einmal: Kann sich das Salzburg leisten?

Wenn man es vernünftig finanziert, über einen langen Zeitraum, dann ja. Kurzfristi­g geht es nicht. Bei 2,8 Mrd. Euro würde nach aktuellem Zinsmarkt (20Jahre-Euro-Swap-Rate) die jährliche Rate bei 20 Jahren Laufzeit rund 185 Millionen Euro betragen, bei 50 Jahren Laufzeit (orientiert an 30-Jahre-Euro-Swap-Rate) rund 99 Millionen Euro. Angenommen das Land finanziert da

von ein Viertel (die andere Hälfte der Bund, ein Viertel die Stadt), dann wären das entweder 46 Millionen Euro oder 25 Mill. Euro pro Jahr für das Land bzw. auch die Stadt. Und 25 Millionen Euro gibt das Land pro Jahr schnell einmal aus. Auch ohne Pandemie, Teuerung oder Energiemar­kt. Also eine Salzburg AG könnte …

Die öffentlich­e Hand hat auf jeden Fall Zeit. Die stirbt ja nicht. Ludwig Hillinger, Landesrech­nungshof (Bild: SN/LMZ)

SN: Nur über einen Zeitraum von 20 Jahren ist das Projekt nicht zu stemmen?

Nein, das würde die finanziell­e Situation des Landes extrem belasten. Da reden wir über sehr viele Millionen im Jahr. Aber wenn man das Ganze streckt, dann kann man eine vernünftig­e Finanzieru­ng aufbauen und sich das leisten. Aber man muss die Zeit dazu haben. Und: Zeit hat die öffentlich­e Hand auf jeden Fall. Denn die öffentlich­e Hand stirbt nicht und geht nicht in Konkurs. Langfristi­g finanziere­n hieße für mich 50 Jahre. Das ist nichts Unübliches. Der Bund hat Anleihen emittiert mit Laufzeiten von 70 oder sogar 100 Jahren.

SN:

Aber wer kann heute schon eine Entscheidu­ng treffen über die Budgets der nächsten 50 Jahre?

Ja, dessen muss man sich bewusst sein. Eine Entscheidu­ng heute bindet uns auf 50 Jahre, aber eine Nicht-Entscheidu­ng heute bindet uns auch auf 50 Jahre.

Wenn die nächste Generation in 20 Jahren sagt, warum habt ihr das Ding nicht gebohrt, denn in 20 Jahren kostet das Loch vielleicht sechs Milliarden Euro. Das ist eben eine wichtige Maxime: Wo das Wissen aufhört, beginnt die Entscheidu­ng. Wir wissen nicht, wie es in 20 Jahren ausschaut, ob es klug war, dass wir heute so entschiede­n haben, oder ob es ein Blödsinn war. Das ist das Risiko.

Zur Person:

Ludwig F. Hillinger ist seit März 2015 Landesrech­nungshofdi­rektor in Salzburg und in dieser Funktion bis Februar 2027 bestellt. Der gelernte Wirtschaft­sprüfer war zuvor Experte in Banken und dort insbesonde­re als Risikomana­ger tätig.

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BILD: SN/ROBERT RATZER Die unterirdis­che Verlängeru­ng der Lokalbahn sei zu stemmen. „25 Millionen Euro gibt das Land pro Jahr schnell einmal aus.“
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