So nah und doch so fern
Doskozil und Babler wollen beide an die Spitze der SPÖ und sind beide für einen starken Staat. Aber wo unterscheiden sich die Kontrahenten? EU, Migration, Marxismus und Quoten: Die Bruchlinien sind nicht zu übersehen.
WIEN. Auf den letzten Metern zur roten Kampfabstimmung gehen die Wogen erneut hoch. Andreas Babler, der Kandidat des linken SPÖFlügels, nennt in einem Onlineinterview, das 2020 aufgezeichnet wurde und nun wiederaufgetaucht ist, die EU das „aggressivste außenpolitische militärische Bündnis, das es je gegeben“habe. Die Union sei in der Doktrin „schlimmer als die Nato“, sagt er. Der Macher des Videoblogs von damals ist ausgerechnet Rudolf Fußi – SPÖ-naher PRBerater, der sich aktuell für Bablers Konkurrenten Hans Peter Doskozil, den Vertreter des rechten Flügels, starkmacht. Für einen EU-Austritt warb der Traiskirchner Bürgermeister zwar nicht, stellte aber klar, dass er schon in seiner Zeit in der SJ gegen einen Beitritt aufgetreten sei. Auf das Video angesprochen, relativierte Babler: Es brauche eine Reform der EU in Richtung Sozialunion.
Es ist nicht der erste Aufreger, den Babler in diesem parteiinternen Wahlkampf produziert. Erst in der Vorwoche wurde seine Aussage „Ich bin Marxist“zum Thema. Sowohl diesen Satz als auch die frontale Kritik an der EU würde man von Doskozil so nicht hören. Das Burgenland hat extrem von der EU profitiert, Doskozil ist als Landeshauptmann gut vernetzt und bekennt sich klar zur EU. Neben der Frage „Wie hältst du es mit der Europäischen Union?“trennen die beiden auch andere Positionen.
Arbeitsmarkt
Beim Thema Arbeitszeit klaffen die Meinungen zum Beispiel weit auseinander: So steht Doskozil für einen Mindestlohn von 2000 Euro netto für einen Vollzeitjob – etwas, das er im Burgenland für die Landesbediensteten bereits umgesetzt hat. Babler hingegen propagiert – wie es zuletzt auch die Bundespartei unter Pamela Rendi-Wagner getan hatte – die 32-Stunden-Woche bei vollem
Lohnausgleich. „Für mich ist das eine Frage des Respekts gegenüber den arbeitenden Menschen, deren Lebensqualität man verbessern muss“, argumentiert Babler.
Für seinen Konkurrenten ist die 32-Stunden-Woche hingegen eine „utopische“Forderung. Denn was bringe eine Arbeitszeitverkürzung, wenn der Lohn nicht hoch genug sei, dass man davon leben kann?, argumentiert Doskozil. In dieser Sache hat er sich auch schon mit der Gewerkschaft angelegt: Während er den Mindestlohn auch bundesweit am liebsten gesetzlich verankern möchte, will sich die Gewerkschaft ihr Monopol auf die Tarifverhandlungen nicht aus der Hand nehmen lassen. Der burgenländische Landeshauptmann hat bereits eingelenkt: Man müsse den Mindestlohn von 2000 Euro in erster Linie über die Kollektivvertragsverhandlungen erreichen, wiederholt er im internen Wahlkampf gebetsmühlenartig und hat die roten Gewerkschafter damit wieder besänftigt.
Staatsbürgerschaft
Während sich Babler, der in seiner Gemeinde das größte Flüchtlingsquartier des Landes beherbergt, für eine einfachere Einbürgerung vor allem für Menschen, die schon in Österreich geboren sind, ausspricht, ist Doskozil dagegen. Für Babler wäre es hoch an der Zeit, die Hürden für den Erhalt der Staatsbürgerschaft – wie etwa eine bestimmte Einkommenshöhe – zu senken. Mit den jetzigen Voraussetzungen sei es etwa für ausländische Hilfsarbeiter und Reinigungskräfte nicht möglich, Österreicher zu werden und damit auch hier zu wählen, betont er. Um die politische Teilhabe jedenfalls zu ermöglichen, kann sich Babler auch vorstellen, dass Menschen, die hier schon geboren sind, aber noch keinen österreichischen Pass haben, das Wahlrecht erhalten.
Der frühere Polizist Doskozil hingegen will nicht an den aktuell geltenden Regeln rütteln. „Dagegen verwehre ich mich“, sagte er bei seinem Auftakt zum parteiinternen Wahlkampf in Wiener Neustadt. Hier nimmt Doskozil auch eine Gegenposition zur Wiener und zur Bundes-SPÖ ein, die ebenfalls eine einfachere und schnellere Einbürgerung fordern.
Asyl und Migration
Auch wenn das die Punkte sind, bei denen die Kandidaten in der Außenwirkung am weitesten auseinanderdriften, sprechen sich in der Praxis natürlich beide für rechtsstaatlich korrekte Asylverfahren und die geltenden Gesetze aus. Im Detail gehen die Meinungen – vor allem, was die illegale Migration angeht – aber doch auseinander: Doskozil steht für einen restriktiven Kurs, will Asyl-Aufnahmezentren an den EU-Außengrenzen. Das steht auch so im Positionspapier, das er gemeinsam mit dem Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser 2018 für die SPÖ ausgearbeitet hat. Babler ist in diesen Fragen wesentlich liberaler. „Kein Mensch ist illegal“, lautet sein Standardsatz. Er stand seinem Kontrahenten auch diametral entgegen, als es darum ging, Kinder aus dem griechischen Lager Moria aufzunehmen: Babler und die Bundes-SPÖ waren dafür, Doskozil – mit ähnlichen Argumenten wie die ÖVP – dagegen. Der burgenländische Landeshauptmann hatte sich einst auch für eine Präventivhaft für Asylbewerber ausgesprochen, ebenfalls im Gleichschritt mit der ÖVP.
Vermögenssteuern
Zwar machen sich beide Bewerber um den SPÖ-Vorsitz für eine stärkere Besteuerung von Vermögen stark, Hans Peter Doskozil allerdings weniger explizit. Andreas Babler macht Vermögenssteuern sogar zur Bedingung für künftige Koalitionen; über eine solche soll künftig übrigens die Parteibasis abstimmen, das wollen beide. Babler kann sich sogar eine Vermögensobergrenze vorstellen – wobei er noch nicht genauer definiert hat, wie hoch diese Grenze liegen könnte. Das passt wiederum in das Bild, das der Bürgermeister von Traiskirchen von sich selbst zeichnet: Der Marxismus, sagt er, sei eine „gute Brille“, um auf die Welt zu schauen. Er steht wirtschaftlich deutlich weiter links als Doskozil. Ein Dorn im Auge ist dem Babler-Lager insofern auch das Mietkaufmodell Doskozils beim Wohnbau im Burgenland.
Frauenpolitik
Laut dem Programm von Babler müssen „staatliche Stellen überprüfen, ob Männer und Frauen in einem Betrieb ungleich bezahlt werden. Frauen schlechter zu bezahlen, muss für Unternehmen teure Konsequenzen haben“, heißt es in dem Papier. Der burgenländische Landeshauptmann sieht das anders: „Ich würde lieber auf Qualifikation setzen, anstatt Frauen in ein Quoten-Korsett zu zwängen“, heißt es in seiner Antwort im „frauenpolitischen Fragebogen zur Mitgliederbefragung“auf die Quotenfrage. Babler gibt sich auch beim Thema Schwangerschaftsabbruch kompromisslos. Er fordert „die Möglichkeit des kostenlosen Schwangerschaftsabbruchs in allen öffentlichen Spitälern“. Im Burgenland ist das in keinem öffentlichen Spital möglich, wiewohl die burgenländische SPÖ „voll und ganz“hinter der Fristenlösung steht, wie es heißt.
FPÖ und Ampel
Die entschiedene Ablehnung einer Koalition mit den Freiheitlichen gehört in der SPÖ zum kleinen Wahlkampf-Einmaleins. Wobei Doskozil, der im Burgenland schon mit der FPÖ regiert hat, zunächst nur eine Zusammenarbeit mit der „KicklFPÖ“ausgeschlossen hatte und erst nach Kritik die Blauen generell derzeit als nicht koalitionsfähig bezeichnete. Babler hingegen schließt auch eine Zusammenarbeit mit der ÖVP aus. Sowohl er als auch Doskozil hätten am liebsten eine Ampelkoalition – also ein Zusammengehen mit Grünen und Neos.