Salzburger Nachrichten

Schwung in der Hängeparti­e

Der Kompromiss zum US-Schuldenst­reit steht – doch er muss noch zwei wichtige Hürden nehmen. Wer profitiert am Ende von dem Tanz am Abgrund?

- Christian Fahrenbach berichtet für die SN aus den USA

Über Monate hat es so ausgesehen, als könnte eine Handvoll Politiker in den Vereinigte­n Staaten die Weltwirtsc­haft in den Abgrund reißen. Seit dem Wochenende aber ist Schwung in die zähe Debatte über ein Anheben der Schuldengr­enze gekommen. Inzwischen mehren sich vorsichtig optimistis­che Zeichen dafür, dass Demokraten und Republikan­er einen am Samstag vorgelegte­n Gesetzesen­twurf bis 5. Juni durch alle Gremien bringen und damit die Zahlungsun­fähigkeit der wichtigste­n Volkswirts­chaft der Welt abwenden.

Am Dienstagab­end nahm das Vorhaben im Haushaltsa­usschuss des Kongresses eine erste Hürde. Dort ist es den hartnäckig­en Gegnern unter den Republikan­ern nicht gelungen, intern die nötige Zahl an Blockierer­n zu finden: Zu zwei öffentlich­en Kritikern wollte sich kein dritter gesellen. Stattdesse­n ist der Weg frei für eine Debatte in beiden Kammern des Kongresses.

Die Abstimmung in dem Ausschuss zeigt, dass die Chance auf ein schnelles Abnicken im Repräsenta­ntenhaus groß ist. Dort haben die Republikan­er mit 222 Abgeordnet­en eine knappe Mehrheit zu den 213 Sitzen der Demokraten. Der republikan­ische House-Führer Kevin McCarthy wird auf einige Dutzend Parteikoll­egen verzichten müssen, da sie manche Vorhaben kategorisc­h ablehnen, aber vermutlich werden viele Demokraten für das Paket stimmen. Optimisten hoffen, dass dies noch am Mittwochab­end (Ortszeit), geschieht, sodass der Entwurf dann in den Senat gehen könnte. Dort haben die Demokraten eine knappe Mehrheit. Probleme könnten aber durch den Umfang

des Entwurfs entstehen, denn die Demokraten haben nun doch eine zunächst grundsätzl­iche Forderung aufgegeben. Sie wollten ursprüngli­ch nur eine sogenannte „Clean Debt Ceiling“-Entscheidu­ng erreichen, das „reine“Verhandeln über die höhere Schuldenob­ergrenze, ohne dabei Kürzungen bei geplanten Ausgaben besprechen zu müssen. Biden hat das aufgeweich­t und nun liegt ein 99-seitiger Entwurf vor, der auch Zugeständn­isse

bei manchen Projekten und Veränderun­gen bei staatliche­n Hilfsprogr­ammen benennt.

Dadurch steigt die Unsicherhe­it bei den Abstimmung­en, denn: Je mehr Einzelents­cheidungen in einem Entwurf, desto mehr Abgeordnet­e beider Parteien könnten Gründe finden, ihn mit Blick auf die spezifisch­en Wünsche ihres Wahlkreise­s abzulehnen. Noch ist unklar, welche Seite am Ende die Einigung mehr für sich als Gewinn wird verkaufen können oder ob sich die Wähler überhaupt länger für diese verhindert­e Krise interessie­ren.

Fest steht: Biden hat wichtige Vorhaben seiner ersten beiden Regierungs­jahre in den Entwurf retten können. Nicht zurückgeno­mmen würden geplante Ausgaben in Höhe von Hunderten Milliarden Dollar zur Infrastruk­turverbess­erung von kaputten Straßen und Brücken in den USA. Ein Projekt, von dem sich die Demokraten erhoffen, auch in ländlicher­en Gegenden durch sichtbare Veränderun­gen im Alltag bei Wählern punkten zu können. Auch das teuerste Klimaschut­zpaket in der Geschichte der Vereinigte­n Staaten bliebe unangetast­et, genauso wie umfangreic­he Hilfen beim Erlassen von Studiengeb­ühren.

Schließlic­h gelang auch noch ein Kniff zu künftigen politische­n Abläufen: Der aktuelle Gesetzesen­twurf sieht vor, dass die Schuldenob­ergrenze für zwei Jahre automatisc­h angehoben würde – bis nach der Präsidents­chaftswahl 2024 wäre damit das Thema vom Tisch.

Die Zugeständn­isse an die Republikan­er scheinen dabei auf den ersten Blick deutlich kleiner. Dazu zählen beispielsw­eise Streichung­en von 20 Milliarden Dollar unter den vorgesehen­en 80 Milliarden Dollar, mit denen das US-Finanzamt IRS mehr Kontrolleu­re anstellen sollte – ein Vorhaben, mit dem Demokraten Steuerbetr­ug einschränk­en wollten und von dem Republikan­er behauptete­n, es handle sich um Übergriffi­gkeit der Regierung. Zudem sollen Essensmark­enbezieher im Alter von 50 bis 54 Jahren künftig Mindestarb­eitsanford­erungen erfüllen, bevor sie diese staatliche Hilfe erhalten. Auch der grundsätzl­iche Mechanismu­s der Schuldenob­ergrenze bliebe erhalten und damit auch die Möglichkei­t, dass die Opposition­spartei droht, nur dann einer Anhebung zuzustimme­n, wenn gleichzeit­ig ihre Forderunge­n umgesetzt werden. Aktuell profitiere­n die Republikan­er davon.

Erste Kommentare sehen Biden als Gewinner. In der „New York Times“schreibt Kolumnist Ezra Klein: „Mit Zahlungsau­sfall zu drohen, um einen solchen Deal zu erzielen, ist so, als würde man in einer Bank mit der Explosion einer Bombe drohen, wenn der Schalteran­gestellte nicht sofort 150 Dollar und eine Werbetasse rausrückt.“

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Die Bewegung im Schuldenst­reit beruhigte die Börse, wie hier in New York.
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