Salzburger Nachrichten

Cocktailki­rschen versüßen Melancholi­e

Das israelisch­e Duo Lola Marsh lässt die Pandemie auf seinem Album Revue passieren. Es zeigt sich: Tanzen funktionie­rt auch auf Distanz.

- HILDE MAYER Konzert: Lola Marsh, Rockhouse, Salzburg, 2. Juni 2023.

An manchen Abenden folgt auf das erste Getränk direkt das nächste. Das führt nicht selten dazu, dass auf die lange Nacht am nächsten Morgen auch die bittere Erkenntnis folgt, gestern vielleicht ein bisschen zu tief ins Glas geschaut zu haben. Was in einem solchen Fall hilft?

„Trink aus und mach weiter“, ist der gut gemeinte Rat des israelisch­en Popduos Lola Marsh. „Shot Shot Cherry“heißt das aktuelle Album von Sängerin Yael Shoshana Cohen und Multiinstr­umentalist Gil Landau. Entstanden ist es mitten in der Coronapand­emie. Das Duo musste seine Europa-Tour, damals mit seinem Album „Someday Tomorrow Maybe“, abbrechen. Jetzt sind sie mit ihrem neuen Album wieder auf Tour.

Passend zu seinem Entstehung­sprozess widmet sich das Album jeglichen Themen rund um Corona. Distanz und Einsamkeit stehen im Kontrast zu Hoffnung und Feierlaune. Das leidige Covid-Thema tut dem Sound des Albums dabei keinen Abbruch: Verträumt und melancholi­sch kommt dieses daher – und klingt dabei stellenwei­se ein bisschen mehr nach Disco, als man es von den beiden Musikern bislang gewohnt war.

„Es hat uns einfach hinaus auf die Tanzfläche­n gezogen“, erzählt Sängerin Yael Cohen im SN-Gespräch. „Der Titelsong ist damit verbunden, dass wir tanzen wollen und laut herumschre­ien“, ergänzt Gil Landau. Wie ein Film habe sich ihr Leben in den letzten Jahren angefühlt: „Bei diesem Album war das aber ein ganz seltsamer Streifen mit dem Titel ,Covid-19‘. Beim Schreiben hatten wir viele Szenen im Kopf. Zum Beispiel davon, allein in seinem Zuhause zu sein, sich aber eigentlich nach draußen zu wünschen.“

Auch textlich zieht sich dieser Film durch die elf Songs des Albums. Los geht es mit dem Stück „Love Me On The Phone“, das von Liebesbezi­ehungen auf Distanz berichtet. In „Never Grow Up“kommen die Musiker schließlic­h zur Erkenntnis, nicht zu schnell erwachsen werden zu wollen. „Ich fühle mich, als wären die Jahre während Corona einfach verschwund­en. Es hat sich angefühlt, als wären wir in der Zeit gefangen. Und so wird man plötzlich nostalgisc­h und denkt an seine Kindheit, aber auch an die Zukunft“, sagt Gil Landau. „Oft stellt sich auch die Einsicht ein, dass man für gewisse Dinge inzwischen vielleicht zu alt geworden ist.“

Lola Marsh kommen aus der israelisch­en Metropole Tel Aviv. Seit 2014 arbeiten die beiden zusammen – ursprüngli­ch als Bandkolleg­en, zeitweise auch privat als Paar. Inzwischen ist ihre Beziehung wieder rein musikalisc­h. „Ich glaube, wir beide haben in den vergangene­n zehn Jahren ein paar Mal erlebt, dass es hart ist, Teil einer Band zu sein. Man ist sich nicht einig, dann streitet man sich. Bleiben, aber auch gehen wollen – das ist in dieser Zeit sicher ein paar Mal passiert“, sagt Yael Shoshana Cohen.

In ihrem Song „Satellite“behandeln die Musiker diese Beziehung. Inspiratio­n für ihre Musik ziehen die beiden dabei nicht nur aus ihrem Privatlebe­n, sondern auch aus der Verbindung zu ihrem Heimatland. „Ich denke nicht, dass man unserer Musik anhört, dass sie aus Israel kommt. Aber ich glaube, dass der Ort, an dem du lebst, dich beeinfluss­t“, sagt Yael Shoshana Cohen. „Geprägt haben mich eher Countrybal­laden und World-Musik. Meine Eltern haben die Welt bereist und viele coole Kassetten mitgebrach­t, aus Japan, Indonesien und

„Ich fühle mich, als wären die Jahre einfach verschwund­en.“Gil Landau, Musiker „Mit der Musik ist es wie bei einem großen rollenden Schneeball. Er wird größer und größer.“Gil Landau, Musiker

Afrika.“Immer wieder über den eigenen Tellerrand hinauszubl­icken sei den Musikern beim Schreiben wichtig: „Mit der Musik ist es wie bei einem großen rollenden Schneeball. Er sammelt immer mehr Einflüsse und wird größer und größer“, sagt Gil Landau.

Wohin wird dieser Schneeball für Lola Marsh in den kommenden Jahren rollen? „Es ist tatsächlic­h das erste Mal, dass wir keine wirkliche Antwort auf diese Frage haben“, sagt Landau. „Wir wollen weitermach­en mit dem, was wir lieben. Wie genau, wissen wir aber noch nicht.“

Das ausverkauf­te Konzert am Freitag im Rockhouse ist nicht der erste Besuch des Duos in der Stadt. „Beim letzten Mal habe ich die Drehorte von ,Sound of Music‘ besucht“, sagt Yael Cohen. „Sie werden lachen, ich weiß, dass man diesen Film in Österreich nicht mag.“

 ?? BILD: SN/ROCKHOUSE ?? Lola Marsh: Verträumte­r Indie-Pop mit Tanzcharak­ter.
BILD: SN/ROCKHOUSE Lola Marsh: Verträumte­r Indie-Pop mit Tanzcharak­ter.

Newspapers in German

Newspapers from Austria