Sex, Lügen und Eheprobleme
In der Schweizer Erfolgskomödie „Die Nachbarn von oben“spielt Maximilian Simonischek die Rolle eines „sexpositiven“Großmauls.
Anna und Thomas (gespielt von Ursina Lardi und Roeland Wiesnekker) sind seit zwanzig Jahren verheiratet. Anfangs war es große Leidenschaft – mittlerweile gehen sie einander vor allem leidenschaftlich auf die Nerven. Heute laufen sie dabei wieder zur Höchstform auf: Thomas, von Beruf Musiklehrer an einem Konservatorium, wollte eigentlich einen ruhigen Abend verbringen, doch Anna, eine Kinderbuchautorin, hat, wie schon der Filmtitel verrät, „die Nachbarn von oben“zu einem kleinen Kennenlernumtrunk eingeladen.
Längst überfällig, meint Anna, denn Lisa und Salvi (Sarah Spale und Maximilian Simonischek) sind schon vor einiger Zeit eingezogen – bisher aber hauptsächlich durch ihre ständigen lauten Sexgeräusche aufgefallen und dadurch, dass sie immer so übertrieben fröhlich grüßen. Beides provoziert enorm: Sex haben Anna und Thomas schon lange nicht mehr wirklich, und mit der Fröhlichkeit ist es auch nicht weit her.
Trotzdem ist es Zeit, die beiden endlich auch einmal persönlich kennenzulernen, das gehört sich eben so unter zivilisierten Menschen. Als die vier dann gemeinsam in der Küche stehen, bei Häppchen („Häppli“auf Schwyzerdütsch) und Champagner, bleibt die Stimmung verkrampft, der Small Talk holpert etwas mühselig, auch wenn sich alle noch so um lockere Unverbindlichkeit bemühen. Vor allem Thomas fühlt sich merklich unwohl, und lässt das auch alle spüren – was Lisa, immerhin Soziologin und Autorin mehrerer Partnerschaftsratgeber, nicht unkommentiert lässt. Schon bald kommt das Gespräch auf das laute Liebesleben der neuen Nachbarn, die sich auch prompt als extrem „sexpositiv“outen. Recht hemmungsfrei erzählt der Feuerwehrmann Salvi von regelmäßigen Swinger-Dates, und eigentlich wäre man heute Abend eh hauptsächlich aus einem Grunde hier: Wie wär’s mit einem gepflegten Partnertausch? Am liebsten gleich, Salvi hat eh Kondome dabei!
Das Thema, die Peinlichkeit und einige Gläser Wein zerstören endgültig Thomas’ brüchige Contenance, er wird ausfällig – zielsicher trifft er Annas wunde Punkte, keiner kennt sie schließlich so gut wie er. Doch sie will diesmal den Frust nicht runterschlucken. Ebenso gekonnt schlägt sie zurück: Direkt in die Weichteile, mitten in Thomas’ schlimmste Unsicherheiten …
Zwei Paare, ein Abend, bröckelnde Fassaden: Die kammerspielhafte Aufstellung dieser bittersüßen Beziehungskomödie ist nichts Neues und bringt, trotz des exotischen Idioms, auch keine überraschenden Erkenntnisse. Doch die teilweise hinterfotzig bösen Dialoge im Drehbuch von Schauspieler und Autor Alexander Seibt machen „Die Nachbarn von oben“zum soliden Kinovergnügen,
bei dem längerfristig in Paarbeziehungen Gebundenen des Öfteren das Lachen im Hals steckenbleiben wird. Zu vertraut sind die Manöver, mit denen einander Anna und Thomas attackieren, gefangen im dicken Nebel des vorwurfsvollen „Warum machst du mich nicht mehr glücklich?“, festgefahren in der ewig unerfüllten Erwartungshaltung, dass sich der andere endlich wieder so viel Mühe um einen macht wie früher, immer bereit für die nächste Enttäuschung, wenn die eigenen Zeichen der Liebe nicht sofort erkannt und gefeiert werden. Und auch wenn der Schluss, so viel sei verraten, durchaus versöhnlich ist – wie in der Politik kann auch in der Liebe echte Veränderung nur durch Revolution erreicht werden.
Es ist übrigens ein berührender Zufall, dass dieser Film mit Max Simonischek in einer Hauptrolle ausgerechnet in dieser Woche startet: Der älteste Sohn des am Montag verstorbenen österreichischen Schauspielers Peter Simonischek kann hier sein großes Talent gut ausspielen. Es ist eine Freude, zuzusehen, wie er den feschen, sinnlichsouveränen Salvi, der sich dennoch intellektuell immer unterlegen fühlt, treffsicher anlegt – auch deswegen, weil der 40-Jährige seinem Vater fast wie aus dem Gesicht geschnitten ist.
Vertraute Manöver und nötige Revolutionen
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