„Islamisten und Rechtsradikale machen die größten Probleme“
Die Radikalisierung der Gesellschaft nimmt zu. Der Staatsschutz ruft nach mehr rechtlichen Möglichkeiten.
Islamisten, Reichsbürger, Rechtsradikale, Staatsverweigerer. Die Palette der Extremisten ist bunt. Umweltschützer gehörten bisher noch nicht wirklich dazu, sagt Omar Haijawi-Pirchner, der Chef der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN).
Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz (BVT), der Vorgängerorganisation der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), stehen derzeit in Wien vor Gericht. Sie sollen einen syrischen General, der der Folter verdächtigt wird, in Zusammenarbeit mit dem israelischen Geheimdienst Mossad nach Österreich gebracht und ihm im Gegenzug für Informationen Asyl verschafft haben. Eine Geschichte, die in einen JamesBond-Film passen würde. Kann man sich so die Arbeit bei der DSN vorstellen?
SN:
Omar Haijawi-Pirchner: Natürlich nicht. Aber selbstverständlich ist auch unsere Arbeit oft konspirativ. Geheimhaltung gehört zur Kultur unserer Arbeit. Sie ist auch wichtig für die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Grundsätzlich machen wir bei der DSN nichts anderes, als Informationen zu sammeln, diese auszuwerten und daraus dann Schlüsse für die Sicherheit des Landes zu ziehen. Dabei steht Informationssicherheit an oberster Stelle.
Nachdem es zu Hausdurchsuchungen beim BVT gekommen ist, haben ausländische Nachrichtendienste die Zusammenarbeit mit Österreich stark reduziert, weil sie kein Vertrauen mehr hatten, dass ihre Informationen sicher sind. Hat sich daran etwas geändert?
SN:
Der DSN ist es gelungen, das Vertrauen wiederherzustellen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
SN: Die DSN hat das BVT abgelöst, nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollten in die neue Behörde wechseln, zudem wurde der Personalstand deutlich ausgeweitet. Haben
Sie jetzt genug Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ist die DSN,
die den Staat schützen soll, voll funktionsfähig?
Wir sind derzeit voll handlungsfähig, aber natürlich sind auch wir auf der Suche nach Personal. Wir haben dieselben Probleme wie andere Unternehmen auch. Die Arbeit im Nachrichtendienst ist zeitintensiv, kann gefährlich sein, aber ist sehr spannend und einzigartig. Besonders sind wir im Moment auf der Suche nach IT-Spezialisten. Inzwischen können wir auch mit Sonderverträgen arbeiten, das macht uns am Markt konkurrenzfähiger.
SN: Die IT wird für die Arbeit der Nachrichtendienste immer wichtiger. Sie fordern vehement mehr Rechte für die Überwachung im Internet. Warum?
Wir sprechen hier nicht von Überwachung, sondern von nicht ausreichenden rechtlichen Befugnissen. Die Gesetzeslage, mit der die DSN arbeitet, stammt aus dem Jahr 2002, wenn wir zum Beispiel von der Strafprozessordnung sprechen. Seither hat sich die elektronische Kommunikation drastisch verändert. Wir brauchen die Möglichkeiten im Darknet, aber auch in Messengerdiensten, anlassbezogen Extremisten beobachten zu können. Dort kommunizieren etwa islamistische Extremisten oder Rechtsextreme. Man muss sehen, dass die Zeiten, in denen sich etwa Extremisten irgendwo in einem abgelegenen Haus getroffen haben und ein Staatspolizist dies aus der Ferne mit einem Ferngucker beobachtet hat, vorbei sind.
Die Konflikte in der Welt nehmen zu, dazu kommt der
Krieg in der Ukraine, der praktisch vor der Haustür Österreichs
SN: stattfindet. Wie macht sich das in Ihrer Arbeit bemerkbar?
Die Spionagetätigkeit in Österreich nimmt natürlich zu. Gerade auch weil viele russische Diplomaten aus den europäischen Ländern ausgewiesen wurden, kommen jetzt neue Methoden der Spionage zum Einsatz. Spione befinden sich nicht mehr monate- oder jahrelang in einem Land, sondern reisen in kürzester Zeit von Stadt zu Stadt. Wien ist ein Hotspot, nicht nur für die Russische Föderation.
SN: Wien galt schon bisher als eine Stadt, in der es von Spionen wimmelt.
Österreich ist per se für viele Nachrichtendienste interessant. Viele internationale Organisationen, von der UNO bis zur Opec und der Internationalen Atomenergiebehörde, haben hier ihren Sitz. Da gibt es viele Informationen, die für Nachrichtendienste interessant sind.
SN: In Deutschland gab es vor Kurzem Razzien bei der Letzten Generation, jenen Klimaaktivisten, die deshalb bekannt sind, weil sie sich an Straßen festkleben und so den Verkehr behindern. In Deutschland stehen sie im Verdacht, eine kriminelle Vereinigung zu sein. Überwacht die DSN eigentlich den österreichischen Ableger der Letzten Generation?
Bisher hat die Szene keine gewaltsamen Aktionen gegen Personen gestartet. Die Umweltschützerinnen und Umweltschützer – und Umweltschutz ist ja für uns alle wichtig – überwachen wir nicht. Allerdings gibt es einzelne Personen in der Szene, die eine Überschneidung mit dem linksextremen Milieu haben, und die sind für uns durchaus von Interesse.
SN: Es scheint, als ob die Radikalisierung in den vergangenen Jahren in der Gesellschaft deutlich zugenommen hat. Früher gab es Rechtsextreme und Linksextreme, und das war es. Inzwischen gibt es zusätzlich Islamisten, Reichsbürger, Coronaleugner und vieles mehr. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Sehr oft sind es Leute, die mit ihrer Lebenssituation nicht zurechtkommen, die sehr verzweifelt sind, weil sie aktuell etwa durch die Teuerung Probleme haben, ihr Leben zu gestalten. Verzweiflung führt im schlechtesten Fall zur Radikalisierung und dann auch zur Ablehnung unseres Staates und unserer Demokratie.
SN: Welche radikalen Gruppen machen Ihnen im Moment die meisten Schwierigkeiten?
Der islamistische Extremismus und der Rechtsextremismus.
SN: Wie viele Menschen, die Sie als gefährlich einstufen und die auch überwacht werden, gibt es in Österreich?
Bei den islamistischen Extremisten liegt die Zahl im mittleren zweistelligen Bereich und bei den Rechtsextremen ist es ähnlich. Diese Personen im Blickfeld zu haben ist eine enorme Herausforderung, zeit- und personalintensiv.
Gibt es eigentlich auch Extremisten, die die Konflikte aus ihrer Heimat in Österreich austragen?
SN:
Österreich ist ein Zuwanderungsland und daher werden solche Konflikte auch importiert. Hier geht es um Konflikte aus der Türkei oder dem Iran beispielsweise.
SN: Die DSN greift bei der Erkennung von Gefahren wieder vermehrt auf Streifenpolizisten zurück. Warum eigentlich?
Im Zuge der kommenden Reform des Staatsschutzes in den Landespolizeidirektionen möchten wir die Regionalität stärken. Niemand kennt seine Umgebung so gut wie die Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Sie sind die Ersten, denen Veränderungen auffallen. Deshalb bekommen Polizistinnen und Polizisten, die das interessiert, eine eigene Ausbildung, um radikale Tendenzen zu erkennen. Es ist so wie mit den ehemaligen Grätzelpolizisten, die haben auch am besten gewusst, was in ihrem Gebiet los ist und wer dahintersteckt.
In den vergangenen Wochen wurde immer wieder diskutiert, wie die DSN mit Informationen umgeht. Einmal gab es Kritik, weil vor einem möglichen Terroranschlag gewarnt wurde, das nächste Mal, weil über einen vereitelten Anschlag nicht informiert wurde. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie?
SN:
Wir müssen immer gut abwägen, ob die Information zu sinnvoller Aufklärung oder Verunsicherung führt. Wir müssen daher von Fall zu Fall entscheiden und diese Entscheidung oftmals im Vorfeld treffen und nicht nach dem Vorliegen abschließender Ermittlungsergebnisse. Das macht es manchmal sehr schwierig.