Wenn Jugendliche die Anti-Digitalisierung leben
Sie halten künstliche Intelligenz für wenig gescheit, soziale Medien für das asozialste seit Langem und außerdem fragen Sie sich, wann Sie dieses Internet endlich von Ihrem Smartphone weggewischt haben? Dann sind Sie auf dem besten Weg in die Luddite-Bewegung. Wie groß diese Gruppe von Technikverweigerern ist, lässt sich kaum feststellen. Denn sie verweigern sich dem zentralen Sinnesorgan unserer Gesellschaft – dem Smartphone. Sie posten weder auf Instagram noch auf Twitter und agieren damit unter der Wahrnehmungsschwelle. Doch findige Journalisten der „New York Times“haben ein paar Jugendliche in Wäldern und Parks ausfindig gemacht und beobachtet, wie sie ihre Freizeit verbringen. Lesen, Malen und Musikmachen standen da auf dem Programm – und vor allem gepflegte Langeweile. Um die zu kennen, muss man heute über 50 sein.
Ansonsten machten die NeoLudditen einen sehr entspannten Eindruck. Sie sehen sich durch ihre neue Lebensweise als Gewinner – vor allem von Zeit und Kontrolle über ihr Leben. Die Ludditen des 19. Jahrhunderts waren andere Kaliber. Sie sahen sich auf der Seite der Verlierer. Als Maschinenstürmer kämpften sie gegen die frühe technische Revolution. Es waren Textilarbeiter, die dachten, dass sie etwas gegen die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen tun können, indem sie automatische Webstühle zertrümmern.
Hier schließt sich der Kreis, denn die automatischen Webstühle werden als die ersten Artefakte automatisierter Datenverarbeitung gesehen, da sie Muster ohne Zutun von Menschen reproduzieren konnten. Sie waren die Vorboten der Digitalisierung. Hätten die ersten Ludditen (die nach ihrem fiktiven Anführer Ned Ludd benannt sind) nachhaltiger zugeschlagen, würden wir uns heute weniger nach der analogen Zeit sehnen und vor allem wieder diese wunderbare Langeweile verspüren, die wir damals so gehasst haben.
Doch eigentlich ist das Wunderbare an heute, dass wir die Wahl haben, wir nutzen sie nur zu wenig.