Salzburger Nachrichten

Wenn Jugendlich­e die Anti-Digitalisi­erung leben

- BITS & BITES Thomas Hofbauer THOMAS.HOFBAUER@SN.AT

Sie halten künstliche Intelligen­z für wenig gescheit, soziale Medien für das asozialste seit Langem und außerdem fragen Sie sich, wann Sie dieses Internet endlich von Ihrem Smartphone weggewisch­t haben? Dann sind Sie auf dem besten Weg in die Luddite-Bewegung. Wie groß diese Gruppe von Technikver­weigerern ist, lässt sich kaum feststelle­n. Denn sie verweigern sich dem zentralen Sinnesorga­n unserer Gesellscha­ft – dem Smartphone. Sie posten weder auf Instagram noch auf Twitter und agieren damit unter der Wahrnehmun­gsschwelle. Doch findige Journalist­en der „New York Times“haben ein paar Jugendlich­e in Wäldern und Parks ausfindig gemacht und beobachtet, wie sie ihre Freizeit verbringen. Lesen, Malen und Musikmache­n standen da auf dem Programm – und vor allem gepflegte Langeweile. Um die zu kennen, muss man heute über 50 sein.

Ansonsten machten die NeoLuddite­n einen sehr entspannte­n Eindruck. Sie sehen sich durch ihre neue Lebensweis­e als Gewinner – vor allem von Zeit und Kontrolle über ihr Leben. Die Ludditen des 19. Jahrhunder­ts waren andere Kaliber. Sie sahen sich auf der Seite der Verlierer. Als Maschinens­türmer kämpften sie gegen die frühe technische Revolution. Es waren Textilarbe­iter, die dachten, dass sie etwas gegen die Verschlech­terung ihrer Lebensbedi­ngungen tun können, indem sie automatisc­he Webstühle zertrümmer­n.

Hier schließt sich der Kreis, denn die automatisc­hen Webstühle werden als die ersten Artefakte automatisi­erter Datenverar­beitung gesehen, da sie Muster ohne Zutun von Menschen reproduzie­ren konnten. Sie waren die Vorboten der Digitalisi­erung. Hätten die ersten Ludditen (die nach ihrem fiktiven Anführer Ned Ludd benannt sind) nachhaltig­er zugeschlag­en, würden wir uns heute weniger nach der analogen Zeit sehnen und vor allem wieder diese wunderbare Langeweile verspüren, die wir damals so gehasst haben.

Doch eigentlich ist das Wunderbare an heute, dass wir die Wahl haben, wir nutzen sie nur zu wenig.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria