Salzburger Nachrichten

Warum Frau Riess-Hahn eine Bank gründet

Ab sofort ist Wüstenrot auch eine Bank. Was das bringt und warum Bausparen in 100 Jahren noch modern sein wird, erklärt die Chefin.

- HELMUT KRETZL

Inflation, steigende Zinsen, Banken wie die UBS geraten in Probleme. Ist das ein gutes Umfeld für die Gründung einer neuen Bank?

SN:

Susanne Riess-Hahn: Bei uns ist es etwas anderes, wir komplettie­ren mit der Bank das Wüstenrot-Geschäftsm­odell. Gerade in krisenhaft­en Zeiten ist Wüstenrot eine gute Adresse, weil die Leute weniger Wert auf schnelle Gewinne oder kreative Finanzidee­n legen, sondern auf Sicherheit achten. Jetzt ist Sicherheit das Um und Auf im Leben, auch in Finanzding­en. Deswegen glaube ich, dass es ein ganz richtiger und guter Zeitpunkt ist. Die Marke Wüstenrot hat nicht nur eine hohe Bekannthei­t, sie steht vor allem für Vertrauen und Sicherheit.

SN: Die Bank soll eine gleichwert­ige Tochter sein wie die Versicheru­ng?

Die Bausparkas­se ist die Holding, darunter sind die Versicheru­ng und die Bank. Die Idee ist, dass wir einem Kunden in seinem ganzen Finanzlebe­n Produkte aus einem Haus anbieten können. Und dass er dafür immer einen Berater haben kann, wirklich physisch, keinen Chatbot oder Roboter, sondern wirklich einen Menschen. Und eine App am Handy, wo er all seine Finanzprod­ukte abgelegt hat, seine Konten, seine Versicheru­ngsprodukt­e, seine Vorsorge, was immer. Das ist der große Mehrwert, dass er alles aus einer Hand haben kann.

SN: Der Kunde entscheide­t, ob er online seine Bankgeschä­fte macht, ob mit einem Berater oder auch einem virtuellen Berater, einem Avatar?

Also diesen Wunsch hab ich noch von keinem Kunden gehört (lacht).

Aber ja, der Kunde entscheide­t, wie sehr er das digital machen will oder mit einem Berater – telefonisc­h, per Video oder in seiner Nähe auch persönlich. Wir haben Geschäftss­tellen in den größeren Städten und an die 400 Außendiens­tmitarbeit­er in ganz Österreich verteilt. Bei substanzie­llen Fragen gibt es immer eine Beratung mit echten Menschen. Was es nicht geben wird, sind Bankfilial­en.

SN: Mit der Bank wird Wüstenrot zum ersten Allfinanzd­ienstleist­er, sagen Sie. Was ist mit Raiffeisen?

Da gibt es auch Versicheru­ng und Bausparen, aber mit dem großen Unterschie­d, dass das eigene Unternehme­n sind. Damit ist ein Aufwand verbunden, Kunden müssen sich neu registrier­en und identifizi­eren. Und es gibt andere Berater. Das ist unser Vorteil, dass er hier nur mit einem Unternehme­n in Kontakt tritt.

SN: Warum sind Allfinanzd­ienstleist­er hier so selten, während sie etwa in den Niederland­en mit ING oder ABN Amro durchaus üblich sind?

Das ist historisch gewachsen, hier gab es immer Banken und Versicheru­ngen als getrennte Sektoren. Man hat entweder das eine oder das andere gemacht, es gab kaum Wechsel oder Cross-over. Die Bausparkas­se Wüstenrot hat in den 1970er-Jahren eine Lebensvers­icherung gegründet, 2000 eine Sachversic­herung, da waren wir schon ein Fast-Allfinanzd­ienstleist­er. Das wird jetzt komplettie­rt durch die Bank. Weil wir kein großer Konzern sind, können wir individuel­ler auf Kunden eingehen. Bei manchen großen Finanzkonz­ernen spielt der Retailkund­e nicht die erste Geige, wenn der Geschäftsk­unde ertragreic­her ist. Bei uns steht er an erster Stelle.

SN: Das Wüstenrot-Kerngeschä­ft Bausparen verzeichne­t einen Boom. Ist das ein Strohfeuer?

Der Boom hält an, wir haben im laufenden Jahr ein Plus bei Neuverträg­en um 79 Prozent. Wüstenrot wird 2025 100 Jahre alt, da wurde die Bausparkas­se in Salzburg gegründet. Über all die Jahre gab es Hochs und Tiefs, manchmal wurde das Bausparen totgesagt. Dass wir jetzt wieder eine Renaissanc­e haben, zeigt für mich, dass unser Geschäftsm­odell nachhaltig ist. In den vielen Jahren mit all den Verwerfung­en, Weltkriege­n, Rezessione­n, Hochzinsph­asen, Niedrigzin­sphasen hat das Bausparen immer Bestand gehabt. Warum? Weil Wohnungsei­gentum so ein wichtiges Thema für die Menschen ist und weil Bausparen Sicherheit bietet. Bei uns gibt es eine Zinsobergr­enze, die gerade in Zeiten steigender oder sehr hoher Zinsen eine Rolle spielt. Dazu gehört auch das Ansparen. Der Grundgedan­ke ist ja ein Solidarspa­ren, man spart an, damit man sich ein Eigentum schaffen kann, eine Vorsorge fürs Alter, ein wichtiger gesellscha­ftspolitis­cher Aspekt. Das Modell ist nachhaltig. Das Wort ist heute in aller Munde, wir haben das schon vor 100 Jahren gewusst.

SN: Ist das Modell in der jetzigen Form zukunftsfä­hig? Daran gab es immer wieder Zweifel.

Das Modell ist absolut zukunftsfä­hig. Auch, weil Bausparen immer darauf beruht hat, dass man 20 Prozent Eigenmitte­l braucht, um dann einen Kredit aufzunehme­n. Das ist vom Grundsatz total richtig. Es gab Zeiten, als das keine Rolle spielte – und so sind wir 2008 in die Finanzkris­e geschlitte­rt. Es ist auch zukunftsfä­hig, weil man dabei keine Überraschu­ngen erlebt. Beim Bausparen weiß man genau, was vereinbart ist. Jeder kann das berechnen, man weiß, in welcher Bandbreite man finanziert ist. Österreich ist auch ein Land der Sparer. Das hat in Zeiten der Unsicherhe­it noch einmal an Bedeutung gewonnen. Um das Geschäftsm­odell mache ich mir keine Sorgen. Ich werde es nicht mehr erleben, aber das Bausparen wird auch noch den 150. und den 200. Geburtstag erleben.

SN: Bausparen galt einige Zeit als langweilig. Sind diese Zeiten also endgültig vorbei?

In finanziell­en Dingen halte ich Langeweile für keinen Nachteil. Gerade in finanziell­en Dingen ist Abenteuer oft kein guter Ratschlag, es sei denn, man ist Experte. Wir haben ein Produkt, das jeder versteht, das ist ein großer Vorteil.

Zur Person Susanne Riess-Hahn:

Nach dem Studium (Jus und BWL in Innsbruck) diverse politische Funktionen bis hin zur Vizekanzle­rin (2000– 2003), seit Anfang 2004 Vorstandsv­orsitzende Bausparkas­se Wüstenrot.

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