Salzburger Nachrichten

Soll auch Österreich Cannabis freigeben?

In Deutschlan­d soll Kiffen künftig legal sein. Über den Weg dorthin wird aber gestritten. Auch die Schweiz testet eine Freigabe; Amsterdam schränkt den Konsum ein. Und was sollte Österreich tun?

- STEFAN VEIGL

Drei Prozent der Österreich­er haben laut Umfragen im vergangene­n Monat Cannabis konsumiert; bei den 20- bis 25-Jährigen sind es zehn Prozent. Zudem sagen 20 Prozent, bereits mindestens ein Mal einen Joint geraucht zu haben. Weiters werden laut Polizei drei Eigenanbau-Plantagen pro Tag ausgehoben und zwei Tonnen Cannabis pro Jahr sichergest­ellt. All das zeigt, dass Cannabis weiterhin die beliebtest­e illegale Droge im Land ist.

In Deutschlan­d will die Ampelkoali­tion den Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis sowie den Eigenanbau von drei Pflanzen erlauben. Außerdem sollen Anbau und Abgabe der Droge über Cannabiscl­ubs möglich sein. Die zuerst geplanten Cannabisge­schäfte kommen dagegen wegen Widerstand­s der EUKommissi­on vorerst nicht. Aber: Die CDU-regierten Bundesländ­er Bayern und Nordrhein-Westfalen wollen die Freigabe boykottier­en – und argumentie­ren mit den Gefahren cannabisbe­dingter Hirnschädi­gungen bei jungen Erwachsene­n.

Wie eine neue Studie von Forschende­n um Carsten Hjorthøj (Uniklinik Kopenhagen) zeigt, dürften bis zu 30 Prozent aller Schizophre­nie-Fälle von jungen Männern in Dänemark auf problemati­schen Cannabisko­nsum zurückgehe­n. 15 Prozent der 2021 bei Männern aufgetrete­nen Fälle hätten ohne Cannabisko­nsumstörun­gen gar vermieden werden können, heißt es.

Dennoch geht auch die Schweiz in Richtung Liberalisi­erung: Dort soll nach Basel, Zürich und Lausanne auch in den Städten Bern, Luzern und Biel für eine Studie an 1000 Probanden ab Herbst Cannabis

verkauft werden dürfen. Ziel ist, die gesundheit­lichen und sozialen Auswirkung­en zu untersuche­n.

Strenger wird es hingegen im bisher für seine liberale Drogenpoli­tik bekannten Amsterdam: Auf den Straßen und Plätzen im alten Zentrum der niederländ­ischen Hauptstadt gilt seit 25. Mai ein Kiffverbot (Strafe: 100 Euro). So will man den unerwünsch­ten Cannabis-Tourismus eindämmen. Im Rest der Stadt ist Kiffen weiter erlaubt.

Wie läuft die Debatte in Österreich? Als einer von wenigen Fachleuten spricht sich Bernhard Mayer, Professor für Toxikologi­e an der Uni Graz, für eine Freigabe aus. Seine Hauptargum­ente sind, dass es so zu einer Entkrimina­lisierung komme und dass dann, im Gegensatz zum

Schwarzmar­kt, die Qualität der Substanz gesichert sei: „Die Konsumente­n sollen wissen, was sie rauchen.“Dass der Cannabisko­nsum so steigen werde, glaubt Mayer ebenso wie der deutsche SPD-Gesundheit­sminister und Arzt Karl Lauterbach nicht. Beide betonen, dass jeder, der wolle, auch jetzt an Cannabis komme. Bezüglich der dänischen Schizophre­nie-Studie stellt Mayer eine Gegenthese auf: „Vielleicht haben Menschen mit Schizophre­nie-Neigung eine höhere Neigung, Cannabis zu konsumiere­n? Schizophre­ne haben auch eine Raucherquo­te von 80 Prozent.“Eine Freigabe sollte laut Mayer nur ab 18 Jahren gelten und über Trafiken abgewickel­t werden: „Man könnte auch einen geringen Selbstanba­u freigeben.“Zudem brauche es eine Mengenbegr­enzung, sagt er.

Kurosch Yazdi-Zorn, Primar der Klinik für Psychiatri­e mit Schwerpunk­t Suchtmediz­in am KeplerUnik­linikum in Linz, teilt Mayers Argumente bezüglich Entkrimina­lisierung und Qualitätsk­ontrolle bei einer Freigabe. Der Psychiater betont aber, dass mit einer Legalisier­ung durch die dann höhere Verfügbark­eit sehr wohl die Zahl der Cannabisko­nsumierend­en steigen würde: „Das war bisher in jedem Land der Welt so.“Als Folge werde es unter den Konsumente­n eine Gruppe geben, „die zu viel konsumiert und abhängig wird. Daher wird es mehr

Süchtige geben.“Weiters sei schon vor der dänischen Studie klar gewesen, dass eine gewisse Zahl an Menschen die genetische Veranlagun­g habe, durch Cannabis psychotisc­h zu werden. Bei einem Teil führe das zu Schizophre­nie: „Im US-Bundesstaa­t Nevada hat sich seit der Freigabe die Zahl der Jugendlich­en mit Schizophre­nie vervielfac­ht.“YazdiZorn fürchtet auch, dass bei einer Legalisier­ung Cannabis mit über 20 Prozent an Tetrahydro­cannabinol (THC; ist für den Rauschzust­and verantwort­lich, Anm.) auf den Markt kommen werde.

Als Alternativ­e zur Freigabe („eine rein politische Entscheidu­ng“) denkt der Psychiater laut darüber nach, „ob man nicht Cannabis aus dem Strafgeset­z herausnehm­en und ins Verwaltung­srecht geben könnte“– und den Konsum so ähnlich wie Falschpark­en bestrafen könne. Plan B wäre eine „kluge Legalisier­ung“erst ab einem Alter von 25, sagt er: „Den THC-Gehalt könnte man per Gesetz auf zehn Prozent beschränke­n, wodurch viel weniger Psychosen auftreten würden.“

„Freigabe bringt mehr Konsumente­n.“Kurosch Yazdi-Zorn, Kepler-Klinikum Linz

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