Soll auch Österreich Cannabis freigeben?
In Deutschland soll Kiffen künftig legal sein. Über den Weg dorthin wird aber gestritten. Auch die Schweiz testet eine Freigabe; Amsterdam schränkt den Konsum ein. Und was sollte Österreich tun?
Drei Prozent der Österreicher haben laut Umfragen im vergangenen Monat Cannabis konsumiert; bei den 20- bis 25-Jährigen sind es zehn Prozent. Zudem sagen 20 Prozent, bereits mindestens ein Mal einen Joint geraucht zu haben. Weiters werden laut Polizei drei Eigenanbau-Plantagen pro Tag ausgehoben und zwei Tonnen Cannabis pro Jahr sichergestellt. All das zeigt, dass Cannabis weiterhin die beliebteste illegale Droge im Land ist.
In Deutschland will die Ampelkoalition den Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis sowie den Eigenanbau von drei Pflanzen erlauben. Außerdem sollen Anbau und Abgabe der Droge über Cannabisclubs möglich sein. Die zuerst geplanten Cannabisgeschäfte kommen dagegen wegen Widerstands der EUKommission vorerst nicht. Aber: Die CDU-regierten Bundesländer Bayern und Nordrhein-Westfalen wollen die Freigabe boykottieren – und argumentieren mit den Gefahren cannabisbedingter Hirnschädigungen bei jungen Erwachsenen.
Wie eine neue Studie von Forschenden um Carsten Hjorthøj (Uniklinik Kopenhagen) zeigt, dürften bis zu 30 Prozent aller Schizophrenie-Fälle von jungen Männern in Dänemark auf problematischen Cannabiskonsum zurückgehen. 15 Prozent der 2021 bei Männern aufgetretenen Fälle hätten ohne Cannabiskonsumstörungen gar vermieden werden können, heißt es.
Dennoch geht auch die Schweiz in Richtung Liberalisierung: Dort soll nach Basel, Zürich und Lausanne auch in den Städten Bern, Luzern und Biel für eine Studie an 1000 Probanden ab Herbst Cannabis
verkauft werden dürfen. Ziel ist, die gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen zu untersuchen.
Strenger wird es hingegen im bisher für seine liberale Drogenpolitik bekannten Amsterdam: Auf den Straßen und Plätzen im alten Zentrum der niederländischen Hauptstadt gilt seit 25. Mai ein Kiffverbot (Strafe: 100 Euro). So will man den unerwünschten Cannabis-Tourismus eindämmen. Im Rest der Stadt ist Kiffen weiter erlaubt.
Wie läuft die Debatte in Österreich? Als einer von wenigen Fachleuten spricht sich Bernhard Mayer, Professor für Toxikologie an der Uni Graz, für eine Freigabe aus. Seine Hauptargumente sind, dass es so zu einer Entkriminalisierung komme und dass dann, im Gegensatz zum
Schwarzmarkt, die Qualität der Substanz gesichert sei: „Die Konsumenten sollen wissen, was sie rauchen.“Dass der Cannabiskonsum so steigen werde, glaubt Mayer ebenso wie der deutsche SPD-Gesundheitsminister und Arzt Karl Lauterbach nicht. Beide betonen, dass jeder, der wolle, auch jetzt an Cannabis komme. Bezüglich der dänischen Schizophrenie-Studie stellt Mayer eine Gegenthese auf: „Vielleicht haben Menschen mit Schizophrenie-Neigung eine höhere Neigung, Cannabis zu konsumieren? Schizophrene haben auch eine Raucherquote von 80 Prozent.“Eine Freigabe sollte laut Mayer nur ab 18 Jahren gelten und über Trafiken abgewickelt werden: „Man könnte auch einen geringen Selbstanbau freigeben.“Zudem brauche es eine Mengenbegrenzung, sagt er.
Kurosch Yazdi-Zorn, Primar der Klinik für Psychiatrie mit Schwerpunkt Suchtmedizin am KeplerUniklinikum in Linz, teilt Mayers Argumente bezüglich Entkriminalisierung und Qualitätskontrolle bei einer Freigabe. Der Psychiater betont aber, dass mit einer Legalisierung durch die dann höhere Verfügbarkeit sehr wohl die Zahl der Cannabiskonsumierenden steigen würde: „Das war bisher in jedem Land der Welt so.“Als Folge werde es unter den Konsumenten eine Gruppe geben, „die zu viel konsumiert und abhängig wird. Daher wird es mehr
Süchtige geben.“Weiters sei schon vor der dänischen Studie klar gewesen, dass eine gewisse Zahl an Menschen die genetische Veranlagung habe, durch Cannabis psychotisch zu werden. Bei einem Teil führe das zu Schizophrenie: „Im US-Bundesstaat Nevada hat sich seit der Freigabe die Zahl der Jugendlichen mit Schizophrenie vervielfacht.“YazdiZorn fürchtet auch, dass bei einer Legalisierung Cannabis mit über 20 Prozent an Tetrahydrocannabinol (THC; ist für den Rauschzustand verantwortlich, Anm.) auf den Markt kommen werde.
Als Alternative zur Freigabe („eine rein politische Entscheidung“) denkt der Psychiater laut darüber nach, „ob man nicht Cannabis aus dem Strafgesetz herausnehmen und ins Verwaltungsrecht geben könnte“– und den Konsum so ähnlich wie Falschparken bestrafen könne. Plan B wäre eine „kluge Legalisierung“erst ab einem Alter von 25, sagt er: „Den THC-Gehalt könnte man per Gesetz auf zehn Prozent beschränken, wodurch viel weniger Psychosen auftreten würden.“
„Freigabe bringt mehr Konsumenten.“Kurosch Yazdi-Zorn, Kepler-Klinikum Linz