Diagnose „sterbend“: Kritik an Spital
Die Bezeichnung „End of Life“bezieht sich auf veraltete Produkte im Elektronikbereich. Im Uniklinikum werden Patienten mit dieser „Diagnose“entlassen.
SALZBURG-STADT. Ein Bewohner eines städtischen Seniorenwohnheims bekommt plötzlich hohes Fieber, ist apathisch und nicht mehr ansprechbar. Der Hausarzt ordnet einen Transport ins Spital an, um den Infekt bei dem Mann abklären zu lassen. So weit wäre der Vorfall, der sich im Frühjahr des Vorjahres ereignete, nicht weiter erwähnenswert. Der Entlassungsbrief, mit dem der Mann wenige Stunden später aus dem Salzburger Uniklinikum wieder nach Hause geschickt wurde, sorgte allerdings für Ärger bei der Belegschaft des Heimes. „End of Life“war bei der Diagnose des Mannes vermerkt: Er sei am Ende seines Lebens angelangt.
Der Begriff kommt eigentlich aus dem Computer- und Elektronikbereich und bezeichnet Produkte, für die es keine Ersatzteile mehr gibt oder auf die keine aktuellen Programme mehr gespielt werden können: ein hoffnungsloser Fall also. Dass dieser englische Begriff für ein Auslaufmodell auch bei Menschen verwendet wird, empört Christoph Baumgärtner, Amtsleiter der städtischen Seniorenwohnheime. „Ich finde das brutal.“
Den Vermerk „End of Life“habe er mehrmals auf Entlassungsbriefen der Landeskliniken gelesen. „Teilweise kommen die Leute dann völlig unbehandelt und ohne Pflegevorschläge wieder aus dem Spital zurück.“Auch ihm sei klar, dass viele Bewohner der Seniorenwohnheime nicht mehr lange zu leben hätten. „Aber trotzdem muss man sie so gut wie möglich versorgen.“
Im konkreten Fall sei die Bezeichnung besonders unangebracht, weil es dem Mann nur wegen eines Infektes so schlecht ging. Nun, ein Jahr später, lebe er noch. Der jüngste Eintrag in seiner Pflegedokumentation besage, dass er bis 22 Uhr fernsah und danach auf eigenen Wunsch ins Bett gebracht wurde. „Und ein Jahr davor hat ihn die Nachtschwester kurz nach Mitternacht mit dem Vermerk ,End of Life‘ zurückbekommen.“
Bei den Salzburger Landeskliniken weist man entschieden zurück, Patienten am Lebensende schlecht oder nicht zu versorgen. Der Hinweis „End of Life“beziehe sich darauf, dass sich die Person in einer Palliativsituation befinde, sagt Uta Hoppe, Primaria der
II. Medizin am Salzburger Uniklinikum. „So eine palliative Phase kann bis zu fünf Jahre dauern.“Es bedeute aber nicht, dass man sich um die Patienten nicht kümmere. Gerade Patienten aus Seniorenwohnheimen seien in ihrem Gesundheitszustand oft sehr komplex zu beurteilen. „Man passt die Behandlung der Gesamtkonstellation an.“Bei einigen werden auch noch operative Eingriffe gemacht, wenn es eine Perspektive gebe.
Den fraglichen Patienten habe man mehrmals behandelt, teilweise nach Stürzen, teilweise sei er medikamentös therapiert worden. Dass er palliativ gepflegt werde, sei auch im Pflegeheim bereits dokumentiert worden. Im konkreten Fall sei eine Behandlung mit Antibiotika in seinem gewohnten Umfeld das Beste für ihn gewesen. Hoppe gesteht ein, dass die Bezeichnung „End of Life“unglücklich sei. Es bedeute aber nicht, dass man sich um die Patienten nicht kümmere.
„Leute kommen ohne Vorschlag für Pflege aus dem Spital zurück.“Chr. Baumgärtner, städtische Heime (Bild: SN/RATZER)