Salzburger Nachrichten

Roboter melken, füttern und machen sauber

Die Automatisi­erung macht auch vor dem Kuhstall nicht halt. Landwirte werden dadurch in ihrem Alltag flexibler. Erfasste Daten von Kühen und ihrer Milch tragen zum Tierwohl bei.

- JUDITH NEUHUBER

Johannes Huber, der Roßschneid­erbauer aus Aglassing in St. Georgen bei Salzburg, freut sich, wenn ein Kalb gesund auf die Welt kommt, und über seine auf der Weide grasenden Kühe. 50 Milchkühe hat er. Er ist gern Landwirt. Mit Romantik hat sein Beruf allerdings wenig zu tun. „Ich bin Unternehme­r“, sagt Huber. „Es geht ums nackte Überleben, denn am Ende des Tages muss eine schwarze Zahl stehen. Von Leidenscha­ft und Arbeit können auch wir nicht leben.“Der Aufwand steigt, die Gewinnspan­ne wird jedoch kleiner. Huber hält inzwischen 50 Tiere. Zehn weitere hätten im neu gebauten und im Vorjahr bezogenen Stall noch Platz. Im alten Stall standen dagegen 23 Milchkühe.

30 bis 60 Kühe zu halten sei heute normal, weiß Norbert Absmanner, Geschäftsf­ührer der Klappacher Landtechni­k GmbH. Aber: Auf den Höfen gibt es immer weniger Arbeitskrä­fte. Oftmals sind es nur 1,5 Kräfte – der Landwirt und seine Frau. Dazu kommen die Auflagen der Behörden, der AMA und des Tierarzts. „Um das alles zu bewerkstel­ligen, gibt es Unterstütz­ung“, erklärt Absmanner. Melkstand beziehungs­weise Melkrobote­r seien heute Standard.

Mehr Zeit für die restliche Arbeit

Der Melkrobote­r hat den Vorteil, dass die Kühe ihn aufsuchen können, wann sie wollen. Feste Melkzeiten wie beim Melkstand gibt es nicht. Der Landwirt muss also nicht mehr zwei Mal am Tag in den Stall zum Melken. „Das nimmt Stress raus bei den Bauern“, sagt Absmanner und Huber ergänzt: „Man wird flexibler.“

Weitere technische Unterstütz­ung gibt es in Form von Entmistung­ssystemen – Roboter oder Schiebesys­tem – und Futteransc­hiebern. Die technische­n Helfer ermögliche­n es laut Absmanner, dass eine Person allein einen Stall betreiben kann. Sie nehmen Arbeit ab und der Landwirt kann das, was sonst noch anfällt, wie etwa Heumachen oder Silieren, leichter bewältigen.

Auch Johannes Huber leistet die Hauptarbei­t im Stall, seine Eltern unterstütz­en ihn. Seine Lebensgefä­hrtin kümmert sich derzeit um die drei kleinen Kinder. Im Stall bewegen sich neben den Kühen auch zwei Roboter. Nachdem Huber in der Früh das Einfüttern erledigt hat, beginnt nach etwa sechs Stunden die Arbeit des Futteransc­hiebers. Alle zwei Stunden fährt er durch den Stall. Dabei dreht sich das runde Gefährt und schiebt das Futter immer fünf Zentimeter näher an die Kühe heran. Durch den Futteransc­hieber haben die Tiere rund um die Uhr etwas zu fressen.

Gelassen reagieren die Kühe auf das blaue, rechteckig­e Ding mit den beiden Armen an der Front, das zwischen ihnen hindurch steuert. Der Entmistung­sroboter fährt stündlich eine der neun Routen durch den Stall, nimmt die Hinterlass­enschaften der Kühe auf und entsorgt sie über einen Abwurfscha­cht. Dort sind auch sein Parkplatz und die Ladestatio­n.

Mitten im Stall und für die Kühe sichtbar steht der Melkrobote­r. Über einen Transponde­r am Halsband der Tiere erkennt er jede Kuh und ob sie zum Melken darf. Ist das nicht der Fall, muss sie den Melkbereic­h wieder verlassen. Abgelehnt wird die Kuh, die zu oft zum Melken will. Abhängig davon, in welchem Drittel des Laktations­stadiums sie sich befindet – also dem Zeitraum zwischen zwei Geburten –, darf sie frühestens nach sieben beziehungs­weise neun Stunden wieder zum Melken. Dank des Roboters weiß Huber, dass seine Kühe im Durchschni­tt 2,6 Mal am Tag gemolken werden und dabei jede Kuh insgesamt durchschni­ttlich 30,5 Kilogramm Milch gibt.

„Zu 90 Prozent lockt das Kraftfutte­r die Kühe zum Melken“, erzählt er. Das wird zusätzlich zu Silage und Heu gegeben, um die Milchmenge konstant zu halten. Die tägliche Kraftfutte­rration verteilt der Melkrobote­r auf die einzelnen Melkgänge jeder Kuh. Dadurch kann sie es besser verwerten. Vor dem Melken reinigt der Roboter die vier Zitzen am

Euter. Das Melken selbst dauert im Schnitt zwölf Minuten. Bevor die Kuh wieder entlassen wird, werden ihre Zitzen noch mit einem Euterpfleg­emittel behandelt. Es hat eine leicht desinfizie­rende Wirkung, damit keine Keime ins Euter gelangen.

Jeden zweiten Tag kommt der Tankwagen der Molkerei Berchtesga­dener Land und holt 2500 Liter Milch ab. Der Fahrer nimmt dabei eine Milchprobe, die in der Molkerei auf ihre Inhaltssto­ffe, wie Fett, Eiweiß, Laktose und Harnstoff, sowie auf den pHWert, die Zell- und die Keimzahl analysiert wird.

Die Milch von kranken Kühen, die ein Antibiotik­um einnehmen müssen oder deren Zellzahl – ein Wert, der etwas über die Eutergesun­dheit aussagt – nicht in Ordnung ist, wird separiert und in die Güllegrube geleitet. Die Milch von Kühen, die frisch gekalbt haben, bekommen die Kälber. Nach jedem Separieren reinigt sich der Milchrobot­er. Zudem gibt es täglich zwei Hauptreini­gungen sowie Zwischensp­ülungen, wenn eine Stunde keine Kuh beim Melken war.

Infos aus dem Inneren der Kuh

Zu den Daten, die der Melkrobote­r übermittel­t, kommen Informatio­nen aus den Mägen der Tiere. Jede Kuh von Huber hat einen sogenannte­n Bolus im Magen. Der sendet Daten zur Gesundheit (Wiederkaue­n, Körpertemp­eratur, Bewegung) sowie zur Brünstigke­it und einer bevorstehe­nden Geburt. Folglich gehören zu Hubers Arbeitsger­äten auch ein Computer und ein Handy.

Ein ITler muss er nicht sein, um seine Stallrobot­er bedienen zu können. „Aber man muss technisch versiert und interessie­rt sein“, sagt der 36 Jahre alte Landwirt. Seine Roboter hat er von der Firma Klappacher Landtechni­k. Mitarbeite­r installier­ten das Programm des Melkrobote­rs und vermittelt­en Huber Grundkennt­nisse, damit das Gerät läuft und er es kennenlern­en kann. Nach einer gewissen Zeit kam ein Herdenmana­ger der Hersteller­firma und passte den Roboter auf Hubers Bedürfniss­e an. Bei Problemen hilft der Notdienst von Klappacher oder ein Techniker des Hersteller­s, denn der Roboter darf nicht allzu lange stehen.

Trotz all der Technik in seinem Stall hat Huber einen Bezug zu seinen 50 Kühen. Er erkennt jedes Tier und jede Kuh hat einen Namen. Regelmäßig ist er im Stall, kümmert sich um die Liegeboxen und beobachtet seine Tiere. Jede Auffälligk­eit könnte ein Hinweis auf eine Krankheit sein, auf die er schnell reagieren muss. Die Kühe und ihre Milch sind schließlic­h sein Kapital.

„Man muss technisch versiert und interessie­rt sein.“Johannes Huber, Landwirt

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 ?? ?? Johannes Huber kann die Daten des Melkrobote­rs (unten Mitte) sowie der Boli in den Mägen der Kühe auf seinem Handy abrufen. Maschinell­e Unterstütz­ung bekommt der Landwirt auch in Form eines Futteransc­hiebers und eines Entmistung­sroboters.
IMPRESSUM: „Genusswelt­en“ist ein SN-SPEZIAL vom 1. Juni 2023; Redaktion: Judith Neuhuber, Michaela Hessenberg­er; Projektbet­reuung: Walter Urbanek; Medieninha­ber: Salzburger Nachrichte­n Verlagsges.m.b.H. & Co. KG; Druck: Druckzentr­um Salzburg; Alle: Karolinger­straße 38–40, 5021 Salzburg.
Johannes Huber kann die Daten des Melkrobote­rs (unten Mitte) sowie der Boli in den Mägen der Kühe auf seinem Handy abrufen. Maschinell­e Unterstütz­ung bekommt der Landwirt auch in Form eines Futteransc­hiebers und eines Entmistung­sroboters. IMPRESSUM: „Genusswelt­en“ist ein SN-SPEZIAL vom 1. Juni 2023; Redaktion: Judith Neuhuber, Michaela Hessenberg­er; Projektbet­reuung: Walter Urbanek; Medieninha­ber: Salzburger Nachrichte­n Verlagsges.m.b.H. & Co. KG; Druck: Druckzentr­um Salzburg; Alle: Karolinger­straße 38–40, 5021 Salzburg.
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Während sie gemolken werden, bekommen die Kühe Kraftfutte­r zu fressen.

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