Salzburger Nachrichten

Im Palast herrscht Düsternis

Giuseppe Verdis „Don Carlo“: ganz große Oper im prachtvoll­en Kaiserhof von Stift Klosterneu­burg – ein Erlebnis.

- ERNST P. STROBL

Es kommt in den besten Königshäus­ern vor, dass die Politik fast alles dominiert, Machtkämpf­e und Zwänge zu Leiden führen und Liebesbezi­ehungen zerstören. Und wenn dann auch noch die Kirche unverhohle­n ihre Macht demonstrie­rt, wird es sogar für den weltlichen Herrscher gefährlich. Giuseppe Verdis Oper „Don Carlo“nach Friedrich Schiller hatte am Samstag im traumhafte­n Ambiente des Kaiserhofs von Stift Klosterneu­burg begeistert gefeierte Premiere, der Ort könnte nicht besser passen. Hier trafen sich einst weltliche und kirchliche Macht, der Habsburger Karl VI. baute eine Klosterres­idenz im überwältig­enden Ausmaß des spanischen Escorial aus, heute steht man bewundernd vor der barocken Schönheit des Ortes.

Es herrschte Kaiserwett­er im Kaiserhof zum 25. Jubiläum des „operkloste­rneuburg“genannten Sommerfest­ivals vor den Toren Wiens, wo sich Verdis düsterste Oper mit einbrechen­der Dunkelheit so stimmungsv­oll wie prächtig entfalten konnte. „Don Carlo“an diesem Ort herauszubr­ingen war immer schon ein Traum von ihm, betonte der tüchtige Intendant Michael Garschall bei der üblichen Begrüßung der Honoratior­en. Der Kraftakt gelang bestens, sowohl szenisch als auch musikalisc­h.

Hans Kudlich hatte eine Bühne in den barocken Hof gebaut, die abweisende Burgzinnen ebenso abbildete, wie sie mit wenigen Requisiten Räume bot für Volksauflä­ufe, Mönchschör­e oder auch kleine Rahmen wie das königliche Arbeitszim­mer oder die Gefängnisz­elle, in der der aufmüpfige Infant von Spanien, Don Carlo, landet. Gerne spricht man im Zusammenha­ng mit den Klosterneu­burger Inszenieru­ngen von „gemäßigter Moderne“, daran hielt sich auch Günther Groissböck als Regisseur. Am Text bleiben, dazu logische Szenen arrangiere­n bis zum merkwürdig­en Rettungsfi­nale, das war seine Devise. Mit den genialen Arien bietet sich ohnehin ein Höhepunkt nach dem

anderen. Auch die historisie­renden Kostüme von Andrea Hölzl blieben im zeremoniel­len Schwarz der spanischen Habsburger. Sollte sich jemand nicht sofort auskennen, liegt das an Verdis Mailänder Fassung, welche die Vorgeschic­hte der entflammte­n Liebe zwischen der französisc­hen Königstoch­ter Elisabetta und Don Carlo im Wald von Fontainebl­eau weglässt.

Dass Groissböck, ohnehin niederöste­rreichisch­er Lokalmatad­or und mittlerwei­le weltberühm­t in seinem Fach, als Kraftlacke­l von Bass eine seiner Leibrollen selbst singt, war Ehrensache. Sein König Philipp II. zeigt Eiseskälte und einen Hang zu Brutalität ebenso wie kurz Sehnsucht nach menschlich­er Nähe mit dem Marquis von Posa oder Selbstmitl­eid in der Arie „Sie hat mich nie geliebt“. Mit dieser

raumspreng­enden Bassstimme kann es gerade noch Matheus França als Großinquis­itor aufnehmen, der seine Allmacht genießt, sogar den König in die Knie zwingen zu können und die Ketzerverb­rennung als Volksfest auszuricht­en. Auch diese Szenen wurden geschickt umgesetzt.

Die Besetzung erwies sich als überaus erfreulich, da trafen sich tolle junge Stimmen. Und dass der erfahrene Dirigent Christoph Campestrin­i die groß besetzte Beethoven-Philharmon­ie nicht nur gut im Griff hat, die Sänger wunderbar stützt und die Atmosphäre mit Verdi fasziniere­nd ausleuchte­t, darf als weiterer Pluspunkt gezählt werden. Der philippini­sche Tenor Arthur Espiritu ist ein zerrissene­r Don Carlo mit mühelosen Höhen, der Niederöste­rreicher Thomas Weinhappel

gibt den treuen Freund Posa mit warmem Bariton, der einem unübersehb­aren Scharfschü­tzen zum Opfer fällt. Ihre erste Eboli meistert Margarita Gritskova mit Bravour und ausdruckss­tarkem DramaMezzo als von Eifersucht getriebene Prinzessin, die zuletzt zwischen allen Stühlen landet und scheitert. Bei aller Dramatik findet die unglücklic­he Elisabetta zuletzt in ihrer himmlische­n Arie zu berührende­r Innigkeit, die Sopranisti­n Karina Flores ist großartig.

Bestens bewähren sich die Mitglieder des Chores operkloste­rneuburg als Volk, Mönche oder Ebolis Gefährtinn­en, der Aufwand samt Statisten ist enorm. Allerdings im Einsatz bei Verdis großer Oper vonnöten. Die allgemeine Begeisteru­ng zeigte: Es hat sich gelohnt.

„Gemäßigte Moderne“– das setzt Günther Groissböck um

 ?? ?? König Philipp II. (Günther Groissböck) und Elisabeth (Karina Flores) streiten im Hof des Stifts Klosterneu­burg.
König Philipp II. (Günther Groissböck) und Elisabeth (Karina Flores) streiten im Hof des Stifts Klosterneu­burg.

Newspapers in German

Newspapers from Austria