Das Beste, was ihr passieren konnte
Johanna Milz-Lechner ist Feuerwehrfrau. Wie sie den Dienst als einzige Frau erlebte, welche Einsätze nachwirken und wieso Frauen genauso zur Feuerwehr gehören.
BERGHEIM. Seit Jahren, nein, Jahrzehnten geht Johanna Milz-Lechner hier ein und aus. Ein Kamerad grüßt sie freundlich. Hier, das ist das Feuerwehrhaus des Löschzugs Lengfelden. Milz-Lechners Großvater war Mitbegründer dieses Löschzugs, der zur Ortsfeuerwehr Bergheim gehört. Aber erst durch ihren Vater ist sie überhaupt mit der Feuerwehr in Berührung gekommen. Im benachbarten Feuerwehrhaus wurde in den 80er-Jahren dringend eine Person benötigt, die den Funkraum besetzt. Die technikaffine junge Frau lernte zu dieser Zeit gerade für eine Amateurfunk-Prüfung. Die heute 70-Jährige erinnert sich: „Als mich dann mein Vater fragte, ob ich nicht auch den Feuerwehrfunk spannend finden würde, war ich sofort Feuer und Flamme.“
1987 stieg sie also ein. Damit war sie lange die einzige Frau im Löschzug. Im ganzen Bundesland gab es zu dieser Zeit nur sehr wenige Frauen im Dienst der freiwilligen Feuerwehr. Mit ihren direkten Kollegen in Lengfelden habe sie nur positive Erfahrungen gemacht: „Ich habe hier nur Wertschätzung bekommen.“
Der Löschzug war zunächst gar nicht auf eine Frau als Mitglied ausgerichtet. So gab es etwa keine Frauenumkleide. Die Lösung: die Behindertentoilette. Auch wenn es ein wenig ungewohnt war, Mut habe es nicht gebraucht, in so eine Männerdomäne einzudringen. Dafür aber eine Ölhaut. „Damit alles, was gesagt wird, von einem abfließt.“Denn auf Abschnittsebene, die die Feuerwehren im nördlichen Flachgau umfasst, wurde tatsächlich einiges über sie gesagt. „Jemand meinte einmal, ob denn nun schon jeder Trottel zur Feuerwehr gehen kann. Das war schon nicht so einfach.“
Die Bergheimerin ließ sich nicht abschrecken und blieb. Zusätzlich zu ihrer Funkausbildung ließ sie sich zum Peer ausbilden. Ein System, für das jenes des Roten Kreuzes als Vorbild diente und Kolleginnen und Kollegen nach belastenden Einsätzen helfen soll. Als Peer unterstützte Johanna Milz-Lechner ihre Feuerwehrkameraden bei psychischen Herausforderungen im Dienst. Ein Einsatz ist ihr dabei besonders in Erinnerung geblieben. „Das war vor einigen Jahren in Nußdorf. Der Feuerwehrkommandant dort hat mich angerufen und um Hilfe gebeten. Ein tragischer Einsatz hat junge Mitglieder schwer belastet.“Im Mai 2012 waren drei junge Frauen mit ihrem Auto in den Fluss Oichten gestürzt. Sie wurden bei dem Unfall unter Wasser eingeklemmt. Zwei Frauen starben, eine davon bereits am Unfallort. „Die Feuerwehrleute haben sich mit allem, was sie hatten, bemüht, das Auto umzudrehen. Mit wenig Erfolg. Die jungen Kameraden waren so betroffen. Sie haben sich gefragt: Waren wir zu langsam?“Johanna
Milz-Lechner führte Einzel- und Gruppengespräche mit ihnen. Und rechnete ihnen die Alarmierungsund Ausrückezeit vor. „Ich habe ihnen erklärt: Leute, es konnte sich nicht ausgehen.“In solchen Situationen brauche es viel Einfühlungsvermögen.
Mit ihren 70 Jahren habe sie bei der freiwilligen Feuerwehr nun die „Schallmauer“durchbrochen. Dann sei der aktive Dienst für alle Mitglieder zu quittieren. Ab diesem Zeitpunkt ist man bei Einsätzen nicht mehr versichert. Das Funken übernimmt MilzLechner aber immer noch gern. Sie wechselt sich mit Kollegen ab und übernimmt unter anderem am Wochenende die Sirenenprobe. Für sie nimmt die Feuerwehr einen bedeutenden Teil ihres Lebens ein. Dadurch habe sie Orte kennengelernt, an die sie sonst nie gelangt wäre. Sie habe mit ihren Kameraden etwa Brasilien und New York besucht. „Die Feuerwehr ist das Beste, was mir passieren konnte“, sagt sie. Es sei schön, dass in der Zwischenzeit schon mehr Kameradinnen dabei sind. „Die Feuerwehr ist ein großes Ganzes mit vielen Teilgebieten. Ob Mann oder Frau, ob klein und zierlich oder groß und stark: Wenn das Interesse da ist, dann findet man hier einen Platz, wo man etwas leisten kann.“
Im Stiegenhaus der Feuerwache Lengfelden hängen die Gruppenbilder von Jubiläen der vergangenen Jahre an der Wand. Inmitten der vielen Männer in brauner Uniform, schön symmetrisch aufgestellt, steht die 2002er-Version von Johanna Milz-Lechner. Und lächelt stolz.