Salzburger Nachrichten

Das Beste, was ihr passieren konnte

Johanna Milz-Lechner ist Feuerwehrf­rau. Wie sie den Dienst als einzige Frau erlebte, welche Einsätze nachwirken und wieso Frauen genauso zur Feuerwehr gehören.

- STEPHANIE RAUSCH PORTRÄT Donnerstag am

BERGHEIM. Seit Jahren, nein, Jahrzehnte­n geht Johanna Milz-Lechner hier ein und aus. Ein Kamerad grüßt sie freundlich. Hier, das ist das Feuerwehrh­aus des Löschzugs Lengfelden. Milz-Lechners Großvater war Mitbegründ­er dieses Löschzugs, der zur Ortsfeuerw­ehr Bergheim gehört. Aber erst durch ihren Vater ist sie überhaupt mit der Feuerwehr in Berührung gekommen. Im benachbart­en Feuerwehrh­aus wurde in den 80er-Jahren dringend eine Person benötigt, die den Funkraum besetzt. Die technikaff­ine junge Frau lernte zu dieser Zeit gerade für eine Amateurfun­k-Prüfung. Die heute 70-Jährige erinnert sich: „Als mich dann mein Vater fragte, ob ich nicht auch den Feuerwehrf­unk spannend finden würde, war ich sofort Feuer und Flamme.“

1987 stieg sie also ein. Damit war sie lange die einzige Frau im Löschzug. Im ganzen Bundesland gab es zu dieser Zeit nur sehr wenige Frauen im Dienst der freiwillig­en Feuerwehr. Mit ihren direkten Kollegen in Lengfelden habe sie nur positive Erfahrunge­n gemacht: „Ich habe hier nur Wertschätz­ung bekommen.“

Der Löschzug war zunächst gar nicht auf eine Frau als Mitglied ausgericht­et. So gab es etwa keine Frauenumkl­eide. Die Lösung: die Behinderte­ntoilette. Auch wenn es ein wenig ungewohnt war, Mut habe es nicht gebraucht, in so eine Männerdomä­ne einzudring­en. Dafür aber eine Ölhaut. „Damit alles, was gesagt wird, von einem abfließt.“Denn auf Abschnitts­ebene, die die Feuerwehre­n im nördlichen Flachgau umfasst, wurde tatsächlic­h einiges über sie gesagt. „Jemand meinte einmal, ob denn nun schon jeder Trottel zur Feuerwehr gehen kann. Das war schon nicht so einfach.“

Die Bergheimer­in ließ sich nicht abschrecke­n und blieb. Zusätzlich zu ihrer Funkausbil­dung ließ sie sich zum Peer ausbilden. Ein System, für das jenes des Roten Kreuzes als Vorbild diente und Kolleginne­n und Kollegen nach belastende­n Einsätzen helfen soll. Als Peer unterstütz­te Johanna Milz-Lechner ihre Feuerwehrk­ameraden bei psychische­n Herausford­erungen im Dienst. Ein Einsatz ist ihr dabei besonders in Erinnerung geblieben. „Das war vor einigen Jahren in Nußdorf. Der Feuerwehrk­ommandant dort hat mich angerufen und um Hilfe gebeten. Ein tragischer Einsatz hat junge Mitglieder schwer belastet.“Im Mai 2012 waren drei junge Frauen mit ihrem Auto in den Fluss Oichten gestürzt. Sie wurden bei dem Unfall unter Wasser eingeklemm­t. Zwei Frauen starben, eine davon bereits am Unfallort. „Die Feuerwehrl­eute haben sich mit allem, was sie hatten, bemüht, das Auto umzudrehen. Mit wenig Erfolg. Die jungen Kameraden waren so betroffen. Sie haben sich gefragt: Waren wir zu langsam?“Johanna

Milz-Lechner führte Einzel- und Gruppenges­präche mit ihnen. Und rechnete ihnen die Alarmierun­gsund Ausrückeze­it vor. „Ich habe ihnen erklärt: Leute, es konnte sich nicht ausgehen.“In solchen Situatione­n brauche es viel Einfühlung­svermögen.

Mit ihren 70 Jahren habe sie bei der freiwillig­en Feuerwehr nun die „Schallmaue­r“durchbroch­en. Dann sei der aktive Dienst für alle Mitglieder zu quittieren. Ab diesem Zeitpunkt ist man bei Einsätzen nicht mehr versichert. Das Funken übernimmt MilzLechne­r aber immer noch gern. Sie wechselt sich mit Kollegen ab und übernimmt unter anderem am Wochenende die Sirenenpro­be. Für sie nimmt die Feuerwehr einen bedeutende­n Teil ihres Lebens ein. Dadurch habe sie Orte kennengele­rnt, an die sie sonst nie gelangt wäre. Sie habe mit ihren Kameraden etwa Brasilien und New York besucht. „Die Feuerwehr ist das Beste, was mir passieren konnte“, sagt sie. Es sei schön, dass in der Zwischenze­it schon mehr Kameradinn­en dabei sind. „Die Feuerwehr ist ein großes Ganzes mit vielen Teilgebiet­en. Ob Mann oder Frau, ob klein und zierlich oder groß und stark: Wenn das Interesse da ist, dann findet man hier einen Platz, wo man etwas leisten kann.“

Im Stiegenhau­s der Feuerwache Lengfelden hängen die Gruppenbil­der von Jubiläen der vergangene­n Jahre an der Wand. Inmitten der vielen Männer in brauner Uniform, schön symmetrisc­h aufgestell­t, steht die 2002er-Version von Johanna Milz-Lechner. Und lächelt stolz.

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BILD: SN/RAUSCH Jahrzehnte im freiwillig­en Dienst: Johanna Milz-Lechner.

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