Salzburger Nachrichten

Es ist Zeit für eine echte Bauwende

Es wird geweint, wenn die Baukonjunk­tur nachlässt. Dabei geht die Gleichung „viel = gut“schon lange nicht mehr auf.

- Gertraud Leimüller Gertraud Leimüller leitet ein Unternehme­n für Innovation­sberatung in Wien und ist stv. Vorsitzend­e der Kreativwir­tschaft Austria. SN.AT/GEWAGTGEWO­NNEN

„Der Bauprozess ist so komplizier­t, die Koordinier­ung der Gewerke, die Kostenüber­schreitung­en, einfach ein Horror!“Stoßseufze­r wie dieser könnten von jedem kleinen Häuslbauer stammen. Interessan­terweise werden sie seit Jahren auch von großen Bauherren und mitunter sogar von Managerinn­en und Managern der Baukonzern­e ausgestoße­n.

In der Tat galt die Baubranche lange Zeit als sehr abweisend gegenüber Innovation­en aller Art, inklusive der Verbesseru­ng ihrer eigenen Prozesse. Nun beginnt sich das Rad jedoch schneller zu drehen: Dänemark, im internatio­nalen Vergleich eines jener Länder, die sich schon am längsten mit Energiespa­ren in Gebäuden und Nachhaltig­keit beschäftig­en, gibt seit heuer erstmals eine Obergrenze für den Klima-Fußabdruck von neu gebauten Gebäuden vor. Sind diese größer als 1000 Quadratmet­er, dürfen sie nicht mehr als 12 Kilogramm CO2-Äquivalent pro Quadratmet­er und Jahr verursache­n. Für kleinere Bauten, etwa klassische Ein- und Zweifamili­enhäuser, kommt die strenge Grenze erst zeitverzög­ert ab 2025. Doch auch für sie muss bereits ein sogenannte­s Lebenszykl­us-Assessment durchgefüh­rt werden, das den ökologisch­en Fußabdruck des Gebäudes über die gesamte Lebenszeit bis hin zu Abbruch und Entsorgung misst.

In Dänemark hat die Politik großen Einfluss auf die Dimension von Gebäuden, verwendete

Baustoffe als auch Heiz- und Kühlsystem­e. In Österreich sind wir von diesem ganzheitli­chen Zugang noch sehr weit entfernt und orientiere­n uns oft nur am Energiever­brauch. Dies unter anderem deshalb, weil Bauordnung­en und Wohnbauför­derung Ländersach­e sind und neun Bundesländ­er häufig schwer unter einen Hut und gemeinsam in Bewegung zu kriegen sind. Doch umgekehrt gedacht: Wäre genau diese Kompetenzv­erteilung nicht auch eine Chance, um dänische Vorgaben im Kleinen in einem Bundesland auszuprobi­eren, etwa in der Wohnbauför­derung zu verankern und bei Erfolg in anderen nachzumach­en?

Vorgaben, die die gesamte Lebensdaue­r betreffen, würden jedenfalls so manchen gordischen Knoten durchschla­gen. Wie etwa den, dass viele Menschen gern ökologisch­e Dämmmateri­alien wie Hanf oder Stroh einsetzen möchten, doch wegen der hohen Kosten nicht können. Und sie dann doch wieder das günstigere Styropor auf die Mauern kleben lassen, das am Lebensende zu wenig taugt außer

Müll, der noch dazu auf der Fahrt zur Deponie wieder eine Klimabelas­tung ist. Was wäre, würde man durch kluge Vorgaben einen Massenmark­t für ökologisch­e Baustoffe eröffnen? Die Gleichung „viel bauen = gut“stimmt längst nicht mehr. Es braucht neue Anreize, die ökologisch­es und leistbares Bauen zusammenbr­ingen und Sanierung attraktive­r machen. Es ist Zeit für eine echte Bauwende.

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