Es ist Zeit für eine echte Bauwende
Es wird geweint, wenn die Baukonjunktur nachlässt. Dabei geht die Gleichung „viel = gut“schon lange nicht mehr auf.
„Der Bauprozess ist so kompliziert, die Koordinierung der Gewerke, die Kostenüberschreitungen, einfach ein Horror!“Stoßseufzer wie dieser könnten von jedem kleinen Häuslbauer stammen. Interessanterweise werden sie seit Jahren auch von großen Bauherren und mitunter sogar von Managerinnen und Managern der Baukonzerne ausgestoßen.
In der Tat galt die Baubranche lange Zeit als sehr abweisend gegenüber Innovationen aller Art, inklusive der Verbesserung ihrer eigenen Prozesse. Nun beginnt sich das Rad jedoch schneller zu drehen: Dänemark, im internationalen Vergleich eines jener Länder, die sich schon am längsten mit Energiesparen in Gebäuden und Nachhaltigkeit beschäftigen, gibt seit heuer erstmals eine Obergrenze für den Klima-Fußabdruck von neu gebauten Gebäuden vor. Sind diese größer als 1000 Quadratmeter, dürfen sie nicht mehr als 12 Kilogramm CO2-Äquivalent pro Quadratmeter und Jahr verursachen. Für kleinere Bauten, etwa klassische Ein- und Zweifamilienhäuser, kommt die strenge Grenze erst zeitverzögert ab 2025. Doch auch für sie muss bereits ein sogenanntes Lebenszyklus-Assessment durchgeführt werden, das den ökologischen Fußabdruck des Gebäudes über die gesamte Lebenszeit bis hin zu Abbruch und Entsorgung misst.
In Dänemark hat die Politik großen Einfluss auf die Dimension von Gebäuden, verwendete
Baustoffe als auch Heiz- und Kühlsysteme. In Österreich sind wir von diesem ganzheitlichen Zugang noch sehr weit entfernt und orientieren uns oft nur am Energieverbrauch. Dies unter anderem deshalb, weil Bauordnungen und Wohnbauförderung Ländersache sind und neun Bundesländer häufig schwer unter einen Hut und gemeinsam in Bewegung zu kriegen sind. Doch umgekehrt gedacht: Wäre genau diese Kompetenzverteilung nicht auch eine Chance, um dänische Vorgaben im Kleinen in einem Bundesland auszuprobieren, etwa in der Wohnbauförderung zu verankern und bei Erfolg in anderen nachzumachen?
Vorgaben, die die gesamte Lebensdauer betreffen, würden jedenfalls so manchen gordischen Knoten durchschlagen. Wie etwa den, dass viele Menschen gern ökologische Dämmmaterialien wie Hanf oder Stroh einsetzen möchten, doch wegen der hohen Kosten nicht können. Und sie dann doch wieder das günstigere Styropor auf die Mauern kleben lassen, das am Lebensende zu wenig taugt außer
Müll, der noch dazu auf der Fahrt zur Deponie wieder eine Klimabelastung ist. Was wäre, würde man durch kluge Vorgaben einen Massenmarkt für ökologische Baustoffe eröffnen? Die Gleichung „viel bauen = gut“stimmt längst nicht mehr. Es braucht neue Anreize, die ökologisches und leistbares Bauen zusammenbringen und Sanierung attraktiver machen. Es ist Zeit für eine echte Bauwende.