Salzburger Nachrichten

Teure Arzneien könnten verweigert werden

So beurteilt ein Linzer Medizinrec­htler das Gesetzesvo­rhaben, „Bewertungs­boards“für hochspezia­lisierte Medikament­e einzuführe­n.

- INGE BALDINGER

Der Salzburger Primar Richard Greil, einer der führenden Krebsmediz­iner des Landes, steht mit seiner Auffassung nicht allein da, dass bei teuren Medikament­en eine Abkehr vom Bestversor­gungsprinz­ip bevorsteht. Die Einschätzu­ng mehrerer Juristen bestätigt seine Befürchtun­g, dass den Spitalsärz­ten mit der geplanten Einführung eines „Bewertungs­boards“für neue, innovative Medikament­e das Heft aus der Hand genommen wird. Noch zählt beim Einsatz hochspezia­lisierter Arzneien ausschließ­lich der Stand der medizinisc­hen Wissenscha­ft. Künftig soll auch der Preis entscheide­n, ob sie verwendet werden dürfen.

Konkret sieht der Gesetzesen­twurf vor, dass ein bundesweit einheitlic­her Bewertungs­prozess eingeführt und ein „Bewertungs­board für ausgewählt­e Arzneispez­ialitäten im intramural­en Bereich und an der Schnittste­lle“installier­t werden soll, wobei in den Erläuterun­gen ausdrückli­ch darauf hingewiese­n wird, dass es dabei auch „um die Wahrung der nachhaltig­en Finanzierb­arkeit“geht. Dieses Gremium wird zwar nur Empfehlung­en ausspreche­n können – die können aber von den Ländern als Träger der Krankenans­talten per Verordnung für verbindlic­h erklärt werden. Angehören sollen dem „Board“drei Vertreter des Bundes und je neun von Ländern und Sozialvers­icherung, aber nur drei Wissenscha­fter und ein Exponent der Patientena­nwaltschaf­ten.

Stimmberec­htigt wären nur die 21 Vertreter von Bund, Ländern und Sozialvers­icherung.

Der Linzer Medizinrec­htler Reinhard Resch hat in Greils Auftrag die Gesetzesno­velle und den Entwurf zum Umsetzungs­gesetz geprüft. Sein Fazit: Den behandelnd­en Spitalsärz­ten droht der Entzug der „Letztveran­twortung für die Beurteilun­g des für die Behandlung maßgeblich­en Standes der medizinisc­hen Wissenscha­ft“. Künftig könnte ein mehrheitli­ch aus Behördenve­rtretern bestehende­s Gremium entscheide­n, dem schon aufgrund der „strukturel­l fachfremde­n Zusammense­tzung“der „Sachversta­nd“zur Beurteilun­g dieser Frage fehle. Sollten die Länder die Entscheidu­ngen rechtsverb­indlich machen, könnten „behandelnd­e Ärzte im Extremfall“Arzneimitt­el nicht mehr einsetzen, die nach dem Stand der Wissenscha­ft geboten wären. Das, so Resch, wäre eine Abkehr von der „seit Jahrzehnte­n in Österreich geltenden Rechtslage“, dass Ärzte entscheide­n, was die beste Behandlung ist, und dabei „nicht durch finanziell­e Restriktio­nen eingeschrä­nkt werden“.

Zum Sachversta­nd bei der Arzneimitt­elversorgu­ng im Spital und zur Rolle von Bewertungs­boards haben sich in den vergangene­n Jahren u. a. die Rechtswiss­enschafter und Verfassung­srichter Michael Mayrhofer und Georg

Lienbacher geäußert. Beide kamen zum Ergebnis: Was Stand der Wissenscha­ft ist, sei von den behandelnd­en Medizinern zu beurteilen. Eingeschrä­nkt seien sie nur, wenn zwei gleichwert­ige Präparate für die Behandlung zur Verfügung stünden; dann müssten sie das günstigere wählen. Über Bewertungs­gremien schrieb Mayrhofer: Sie müssten sich „ausschließ­lich von fachspezif­ischen Erwägungen leiten lassen“, die „insbesonde­re nicht mit ökonomisch­en Erwägungen vermengt werden“dürften. Und Lienbacher: „Kosten-Nutzen-Analysen kommen ... nicht in Frage, weil ... keine ökonomisch­en Kriterien zu berücksich­tigen sind.“

Karin Prutsch-Lang weist auf einen weiteren Aspekt hin: Mit dem Gesetz solle offenbar Patienten, denen die beste Behandlung verweigert wurde, die Möglichkei­t genommen werden, sie doch noch durchzuset­zen. Die Anwältin hat Erfahrung mit nicht bewilligte­n Behandlung­en. Sie vertrat die Familie eines an Spinaler Muskelatro­phie erkrankten steirische­n Buben, dem vor einigen Jahren im Spital ein zugelassen­es, aber extrem teures Medikament verweigert worden war – rechtswidr­igerweise, wie alle bisherigen Gerichtsve­rfahren ergaben. Die Familie hatte damals Spenden in Millionenh­öhe gesammelt, um die Behandlung zu ermögliche­n.

„Fachfremd“zusammenge­setzte Kommission

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BILD: SN/3DDDCHARAC­TER - STOCK.ADOBE.COM

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